Die Münchner Band Dirty Old Spice bringt etwas in die Rockmusik ein, das dort nicht so häufig Platz findet: Selbsthumor. Franz Rippel und Jonas Watzlowik machen Musik, die sich selbst nicht zu ernst nimmt. Im engen Zusammenspiel und oft zweistimmig, spielen die beiden sich durch die verschiedenen Stile der Rockmusik.
Richtig gut gespielte Rockmusik und Selbsthumor schließen sich aus. Denn all die Gitarren-Virtuosen, die das technisch gewitzte Spiel auf ihrem Instrument in etwa so ehrgeizig betreiben wie Lang Lang auf dem Flügel nähmaschinenschnell im Rachmaninow umher saust, lachen nicht so gerne über sich selbst. Außer im Westen der USA. Dort, zwischen Seattle, San Francisco und Los Angeles entwickelte sich von Mitte der Achtzigerjahre an eine Rockszene, deren Protagonisten allesamt wirken, als hätten sie einen Sprung in der Schüssel. Aber absichtlich und nur, um ein bisschen Spaß zu haben. Etwa die Rock-Metal-Formation Primus. Oder die Esoterik-Nu-Metaller Tool. Und allen voran Mike Patton. Ja, „Easy“ von Faith No More ist ein Hit für alle Kaffeehäuser mit Sonntagsbrunch-Angebot dieser Welt. Doch eigentlich sollte man in so einem Etablissement mal Mr. Bungle auflegen, Pattons erste Band, mit der Stil, Können und Humor so gnadenlos durcheinander gewirbelt werden, dass man dieser Musik nur mit höchster Konzentration folgen kann. Noch anstrengender wird es bei Fantômas, ebenfalls einem Nebenprojekt von Patton, an der Teile der Weirdo-Grunge-Band Melvins beteiligt sind.
Die Münchner Schreckvariante für alle Frühstückscafés sind Dirty Old Spice. Das Duo aus dem westlichen Umland brettert mit einem ähnlich verrückten Selbstbewusstsein durch die verschiedenen Stile der Rockmusik. Virtuos, witzig, voller Spaß und gleichzeitig, ohne die Codes herkömmlicher Rockmusik zu ernst zu nehmen. Den Zeitgeist treffen sie damit leider überhaupt nicht. Zwar schätzt man zur Zeit die alten Macho-Mucker, die ihr virtuoses Gitarrenspiel sehr ernst nehmen, auch nicht mehr so sehr. Doch mit dem Humor und der Gewandtheit, mit der sich Dirty Old Spice keinem Lifestyle zuordnen lassen, dürften sie es ebenso schwer haben. Denn die immer mehr von der Ästhetik der Social-Media geprägte Popkultur braucht Eindeutigkeit. Und die liefern Dirty Old Spice eben gerade nicht.
Wie sich die beiden Mittzwanziger kennengelernt hätten? Bei einer Rangelei vor der Gröbenzeller Musikkneipe „Hexe“. Seitdem spielen sie zusammen, „eine gefühlte Ewigkeit“, denn zu diesem Zeitpunkt seien sie noch nicht volljährig gewesen. Wo es hingehen soll mit der Musik? „Wir träumen natürlich wie alle Musiker vom großen Geld“, also würden sie „fleißig Lotto spielen“. Um sich dem Gitarristen Franz Rippel alias Tom Ivers und dem Schlagzeuger Jonas Watzlowik alias Jon Muse-Lee zu nähern, muss man also über die Musik gehen. Dass sie beherrschen, was sie tun, zeigten sie zuletzt beim Sprungbrett-Wettbewerb: Höchst eng im Zusammenspiel singen sie beide, bisweilen zweistimmig und rasen über Disco-Beats mit Kuhglocken und Falsett-Gesang zu Funk-Gitarren-Licks und Alternative-Hymnen. Damit hoben sie sich gehörig von den üblichen Indie- und Popnummern des Wettbewerbs ab.
Die Plattenfirmen und das Publikum werden sich dennoch weniger für die beiden interessieren. Schlicht, weil sie sich eben jeder Schublade und Vermarktungsmöglichkeit sehr konsequent entziehen. Doch ihre Attitüde, die ohne Probleme vom prolligen Gitarrenspiel zu leicht geziertem Gesang wechselt, tut gut in einer Welt, in der so viele darauf bedacht sind, ein möglichst gutes Bild von sich selbst zu inszenieren. Tom und Jon trauen sich auf ihrer im November 2017 erschienenen EP „Moony Monday“ und vor allem live, die glatten Oberflächen spielerisch zu durchbrechen. Und das tut dem Konzept alternativer Musik, das sich zuletzt völlig im Indie-Einheitsbrei aufgelöst hatte, ungemein gut.
Text: Rita Argauer
Foto: Fabian Kapfer