Disco-Funk und Lichtermeer

Nach der Gesprächsrunde und dem Sound of Hongkong now ging es direkt weiter mit Musik aus dem Bereich Electronica. Die Künstler kreierten einen bunten Klangteppich aus verschiedensten Sounds.

Bunter Lichterrausch, ein Einhorn-Regenschirm hüpft durch die Menge, große Augen auf kleinen Bildschirmen starren den Tänzern entgegen. Ein bisschen Nebel und ganz viel Bass. Die Atmosphäre ebenso wie die Stimmung scheinen sich wirbelnd zu verändern, abhängig von Stil und Klangfarbe.

Verdammt bunt und funky startet COEO, ein junges Münchner DJ-Duo seinen Auftritt. Der Stil der Tanzenden beginnt sich zu verwandeln. Das Publikum wird grooviger, ein wenig shaky. Man fühlt sich in eine 70er-Jahre-Disco zurückversetzt. Mit weniger Disco und mehr House. Als die Jungs den Auftakt von „Crazy in Love“ Sängerin Beyoncé und Rapper JAY-Z einspielen reagiert die Menge asap. Alles ganz locker, alles ganz smooth.

Die Tracks von COEO scheinen einen perfekten Kontrast zum Slot von Sam Goku zu bilden. Der Münchner DJ gestaltet die Stimmung im Raum mechanisch, treibend und sorgt für teils sehr elektrisierte Spannung. Jeder Übergang sitzt. Die Performance wirkt locker, ganz ohne auch nur einen Hauch von Langeweile. Sam Goku gelingt die perfekte Balance. Der Zuhörer fühlt sich geborgen, schenkt Vertrauen.

Verschnaufpause an der Bar. Auf dem Weg raus stößt man auf drei verschiedene Kunstinstallationen. Das passt: wechselnde Electronica-Auftritte  im Nebenraum, dazu buntes Lichtermeer im Barbereich. Die Stimmung verändert sich in Loops.

Natanael Megersa, dem zweiten DJ des Abends, gelingt es mit sehr vielseitigen Sounds und einer durchzogenen charakteristischen Note eine Brücke zu bauen. Eine Brücke zwischen Sam Goku und der Künstlerin Muun, die das Warm-Up gestaltet. Ganz klassischer Wannda-Sound tönt zu Beginn des Abends durch die Halle. Die Stimmung wirkt kein bisschen aufdringlich. Der Zuhörer wird sanft in den Abend eingeführt. Muun selbst wirkt in ihrer Performance konzentriert, gibt dem Publikum viel Platz zur Eigeninterpretation. Ihre Bewegungen sind langsam, zurückhaltend, ein wenig mechanisch.

So wird das Publikum durch den Abend geleitet. Stück für Stück, Künstler für Künstler. Die Veranstaltung endet mit Sounds von An Wii und Lena Barth, bekannt als Resident-DJane des Harry Klein. Die Musikerinnen schaffen einen gelungenen Ausklang des Festivalauftakts.

Text: Anastasia Trenkler

Schluss mit Touri-Techno

image


Berlin ist arm, aber sexy. Heißt es. Und München? Wer nun nach der aktuellen Münchner Elektroszene fragt, spart sich aber am besten gleich den Verweis auf die Techno-Metropole. Impulse aus München mit dem famosen DJ-Duo COEO.

Berlin ist arm, aber sexy. Heißt es. Und München? Wer nun nach der aktuellen Münchner Elektroszene fragt, spart sich aber am besten gleich den Verweis auf die Techno-Metropole. Denn der Blick auf die Hauptstadt sei „einfach ein bisschen Panne“, sagt Florian Vietz. Gemeinsam mit Andreas Höpfl steckt er hinter dem DJ-Duo COEO, das man beim „Sound Of Munich Now Electronica“ dieses Jahr live erleben kann. Angefangen haben die Künstler aus der Nähe von Deggendorf mit einem „30-Euro-Programm zum Musikbasteln“. Mittlerweile in München angekommen, gelten COEO als erfolgreichster Act des Labels Toytonics, das seit vier Jahren Dance-Musik in Richtung Disco- und Funk-House veröffentlicht und vor allem Künstler aus München betreut.

Und das wird gefeiert: mit einer Labelparty zur Eröffnung des LIT am 17. November im Werksviertel. Denn der Erfolg spricht für sich: 2016 belegte das kleine Label Platz drei der „Bestselling Deep-House Labels“ auf der Online-Plattform Beatport, dem Gradmesser für elektronische Musik. Darin sieht Label-Chef Matthias Modica Anzeichen für einen weitläufigeren Trend: eine Gegenreaktion zum düsteren Berliner Techno, hin zu soul- und funkinspiriertem Elektrosound. München scheint in dieser Gegenreaktion bereits angekommen zu sein, für Modica dank des „positiven, sommerlichen Vibes“, den die einstige Discometropole München verströmt. Auch COEO fühlen sich hier wohl: Die Stadt sei einfach schön und habe die richtige Größe, „um alles zu kriegen, was man kulturell braucht“.

Wahrscheinlich ist München eben genau das Dorf, über das man wahlweise schimpft oder schwärmt – und wer sich zu vernetzen weiß, kann Erfolg haben. Das weiß auch Moritz Butschek, selbst DJ und Betreiber des München-Blogs „Tow in a Row“. Für ihn steht fest, dass „sowohl der funky Sound, als auch ganz neue Ausrichtungen elektronischer Musik koexistieren und regen Zulauf haben. Es gibt tolle etablierte Locations, immer wieder spannende Zwischennutzungen und vor allem für fast jeden Geschmack eine Szene mit tollen DJs und Live-Acts.“ Matthias Modica allerdings wünscht sich, dass die großen Münchner Clubs aufhören, den Berliner „Touri-Techno“ zu imitieren. „Vor zehn, fünfzehn Jahren gab es in München weniger Clubs, dafür mehr Vielfalt. Impulse aus München gingen in die Welt“, sagt er. Mit COEO scheint dieser Trend nun hoffentlich wiederbelebt zu sein. 

Text: Yvonne Gross

Foto: Kerstin Rothkopf

Spirituelle Disco

image

Freising – Anja Mayerhofer, 25, leitet seit sechs Jahren den Arbeitskreis „Sonntag“, der die Korbinianswallfahrt mitorganisiert. Wer sich nun schwitzende Mittvierziger auf einem langen Pilgermarsch vorstellt, der liegt falsch. Es sind ausschließlich junge Christen unterwegs. Der Fußweg ist nicht unbedingt wichtig oder gar notwendig. Man kann auch mit Bus oder Bahn anreisen. Wichtig ist die Ankunft am Wallfahrtsort: der Dom in Freising.

SZ: Was ist der Sinn, der hinter einer solchen Wallfahrt für Jugendliche steht?
Anja Mayerhofer: Zum einen können die jungen Menschen sehen: Hey, da gibt es noch andere junge Menschen, die an Gott glauben. Religion ist eben nicht nur langweilige Orgelmusik, sondern hat ganz viele Seiten. Sie haben also die Möglichkeit, sich mit ihrem Glauben auseinanderzusetzen und sich dabei mit Gleichaltrigen darüber auszutauschen.

Es nehmen also nur Jugendliche teil, die gläubig und katholischer Konfession sind?
Nein. Also die meisten schon, ja. Aber es ist auch eine Chance für alle anderen interessierten jungen Menschen, sich über das Thema Glauben zu unterhalten. Hier sind alle sehr offen. Sowohl die Teilnehmer als auch die Organisatoren. Man kann zu jedem hingehen und einfach auch mal fragen: Warum glaubst du eigentlich an Gott, denn ich tue es nicht! Aber die meisten Teilnehmer kommen aus katholischen Pfarrgemeinden, das stimmt.

Ein Wallfahrtswochenende mit der Pfarrgemeinde klingt für die meisten jungen Menschen nicht nach großer Spannung. Außerdem sinken seit Jahren die Mitgliederzahlen der Kirche. Merkt man das auch bei Korbinianswallfahrt?
Nein, überhaupt nicht. Die Wallfahrt nach Freising hat eine lange Tradition. Und es gibt immer viele Teilnehmer. Die meisten Organisatoren sind selbst noch jung und können die Kirche dann auch so präsentieren.

Wäre es nicht eher sinnvoll, dass Jugendliche sich für politische Themen interessieren, auf Demos gehen?
Die Kirche ist durchaus politisch. Man organisiert sich in Jugendverbänden der Kirche. Dort engagieren sie sich ja für wichtige Themen. Es ist also kein schlechter erster Schritt, wenn man erst mal in der Gemeinde aktiv wird. Viele Jugendliche kommen so im zweiten Schritt zur Politik.

Unter der Überschrift „Licht an“ wird den Jugendlichen eine Orientierungshilfe versprochen. Veranstaltet ihr nach dem Gottesdienst eine Jobmesse?
So ähnlich. Es gibt den sogenannten Markt der Möglichkeiten. Da präsentiert sich die Kirche als Institution, aber auch als Arbeitgeber. Da kann es schon passieren, dass der eine oder andere nach Hause kommt und ein Interesse an einem pastoralen Beruf mitbringt.

Was hast du von deinem ersten Wallfahrtswochenende besonders in Erinnerung behalten?
Bei meiner ersten Wallfahrt nach Freising war ich zunächst total erstaunt, wie viel Spaß man haben kann. Vor allem die Party am Freitagabend – mit Band und DJ – war einer der Höhepunkte. Auch dieses Jahr hat es diese Party gegeben, allerdings wie immer ohne Alkohol.

Also doch eher Party als religiöse Besinnung?
Nein, das nicht. Es gibt auch sehr spirituelle Momente bei der Veranstaltung, beispielsweise der große Gottesdienst am Sonntag, bei dem immer eine ganz besondere Stimmung herrscht. Aber an sich kann jeder junge Mensch sich das Wochenende ganz nach eigenen Vorstellungen gestalten. Die einen suchen eher die spirituellen Momente, die anderen machen lieber bei den geplanten Aktivitäten mit.

Zum Beispiel?
In diesem Jahr hat es ein Parcours gegeben, den man mit verbundenen Augen bewältigen musste, um nachempfinden zu können, wie es ist, blind zu sein. Oder ein Workshop, der einen mit den Grundlagen der Gebärdensprache vertraut gemacht hat.

Warum hast du damals als 14-Jährige das erste Mal mitgemacht?
Ich selbst bin da eher so reingerutscht. Meine Jugendleiterin hat damals zu meiner Freundin und mir gesagt, dass wir nicht so viel zu tun hätten und einfach mal mitmachen sollen. Mittlerweile bin ich seit sechs Jahren Leiterin einer eigenen Gruppe. Die meisten Jugendlichen, die an am Wallfahrtswochenende zu uns gekommen sind, sind in Jugendgruppen ihrer Pfarrgemeinde und sind deshalb mitgefahren.

Interview: Jennifer Lichnau
Foto: Erzbischöfliches Jugendamt München und Freising