BU: Näher kommt man legal nicht ans Tanzen ran: Beim Electronik-Flow-Yoga von Jennifer Sengpiel im Bahnwärter Thiel werden nicht nur Verspannungen gelöst, sondern auch elektronische Beats von DJ Jan Taubmann geboten. Foto: Julian Krenn

Tanzen im Sitzen

Partys im Gewächshaus, Yoga mit Downtempo-Beats und neue Podcasts: Wie Münchens junge DJs den Stillstand genutzt haben und wo man trotz geschlossener Clubs Musik hören kann – das Techno-ABC

Von Laurens Greschat
Die Clubs sind geschlossen, die Tanzflächen verwaist. Münchens DJs und auch das Partyvolk warten auf das Ende der Pandemie. Trübsal blasen müssen Münchens Techno- und Elektro-Begeisterte trotzdem nicht, denn einige musikalische Angebote bestehen weiterhin. Wie Münchens DJs den Stillstand ausgenutzt haben? Was ihr trotzdem machen könnt, wenn es euch „in den Füßen juckt“? Antworten im Techno-ABC.
A wie Alternativen
Was macht man in München als Elektro-Fan in der Corona-Krise. „Man hängt halt wieder viel draußen rum, trinkt da sein Bierchen so wie mit 16, aber das war es schon auch“, sagt zum Beispiel DJ Leonie, die mit bürgerlichem Namen Leonie Speck heißt. Alternativen zum Clubbesuch gibt es in München trotzdem, das weiß auch Leonie. Die DJ kennt man aus dem Harry Klein, den Feta-Festivals und inzwischen auch aus dem Harry-Klein-Livestream. Den fand sie übrigens klasse: „Einfach mal wieder laut Musik zu hören, war schon mal super“, sagt sie.
B wie Blitz-Garten
Für alle, für die Stille das Letzte ist, das sie gerade suchen, gibt es Musik im Freien. Unter dem Motto „Hanging out with“ lädt der Blitz-Club an Wochenenden in den Blitz Garten – zum Essen mit musikalischer Begleitung. Zugegeben: Tanzen ist nicht erlaubt. Aber es wird wohl nicht verboten sein,auf dem Stuhl ein bisschen zu den Beats zu wackeln. Ist kein Ersatz, klar. Aber die Fotos für Instagramwerden bestimmt lustig aussehen.
C wie Chance
„Für mich als lokaler Newcomer-DJ war Corona auch eine riesige Chance“, sagt DJ Alicea, die eigentlich Alicia Fricke heißt. „Niemals hätte ich mir erträumt, einmal im Monat in einem angesehenen und bekannten Electro-Club auf dem Mainfloor zuspielen“, sagt sie. Man hat sie schon im Harry Klein, der Roten Sonne und jetzt „Dank Corona“ auch im Livestream des Harry Klein gesehen.
D wie Durchschlafen
„Mir persönlich hat es gutgetan, mal einen Gang runter zu schalten. Ich hatte Zeit, Pläne für die Zukunft zu schmieden und habe Kraft für neue Projekte getankt“, sagt DJ Lueasa. Luisa Wagner, so ihrbürgerlicher Name, kennt man inzwischen deutschlandweit. Sie hat bislang nicht nur in Münchner Clubs wie dem Harry Klein und dem Palais aufgelegt, sondern auch in Hamburg oder Berlin. In Corona-Zeiten hat sie dann auch „einfach mal geschlafen“, sagt sie. Kein Wunder, wenn man sonst soviel auf Achse ist.
E wie Electronik-Flow-Yoga
Zumindest Bewegung verspricht das Electronik-Flow-Yoga im Bahnwärter Thiel, dass von Jennifer Sengpiel und Jan Taubmann organisiert wird. Wer nach Wochen ohne ausgelassene Club-Nächte schon eingerostet ist und Angst hat, schon zu steif für die Zeit nach dem Lockdown geworden zu sein,der kann bei gutem Wetter in den Bahnwärter Thiel gehen. Die nächste Veranstaltung findet am 25. August von 18 Uhr an statt. Hier werden hoffentlich nicht nur Verspannungen gelöst, sondern auch Downtempo-Beats geboten. Näher kommt man legal nicht ans Tanzen ran.
F wie Freizeit
Der Stillstand hat zu unerwartet viel Freizeit geführt. Benedikt Getz alias DJ Etzo, Resident-DJ im Bahnwärter Thiel, hatte durch die unerwartete Pause „genügend Zeit für die Audio-Designer-Ausbildung“, sagt er. Ganz konnte er das Auflegen aber nicht ruhen lassen. Er spielte kleinere Gigs auf privaten Feiern. Auch an einem Live-Set hat er „gebastelt“.
G wie Gewächshaus
Trotz aller Einschränkungen finden Dominik Griesbeck und Andreas Widmann, bekannt als MünchnerDJ-Duo Aldebaran, dass die Corona-Krise auch etwas Positives hat: „Es ist schön, dass es mal ein bisschen still war, sodass man mal zur Ruhe kommen konnte und man auch musikalisch ein bisschen planen konnte“, erklärt Dominik Griesbeck. Das DJ-Duo hat die Zeit genutzt, um mehr Musik zu produzieren. Um nicht aus der Übung zu kommen, haben sie einige Live-Streams gespielt. Und sie legten vor Publikum im privaten Kreis auf – bei einer Party in einem Gewächshaus etwa. Wurde eigentlich schon untersucht, wie sich ein Glashaus auf die Aerosole auswirkt?
H wie Haralds Kollektivgarten
Weil gerade die Clubs geschlossen haben, entwickelten sich Plätze im Herzen Münchens zu neuen Partyhotspots. Das Ergebnis: viel Müll, genervte Anwohner und so viel unterschiedliche Musik, dass die Geräuschkulisse häufig schwer zu ertragen ist. In Giesing gibt es seit Kurzem eine Alternative. In der Unterbergstraße hat das Harry Klein zusammen mit einigen Münchner Techno-Kollektiven einen Biergarten ins Leben gerufen.
I wie Illegal
Besonders getroffen hat die Corona-Krise die DJs. Deren Arbeit und meistens Haupteinnahmequelle wurde plötzlich von einem auf den anderen Tag „illegal“. So nennt es zumindest Petra Weigert, die sich DJ P-T2 nennt. Vor der Pandemie war sie eine viel beschäftigte Frau: Club-Betreiberin der Roten Sonne, beteiligt an einigen Veranstaltungsreihen, dem Plattenlabel Tuesday Slump und dem Wut-Kollektiv. Dann fiel alles weg. Wie füllt man diese Leere? Laut DJ P-T2 unter anderem mit dem „Corona-Bullshit-Bingo: Gärtnern, Doku-Bingewatching, Science-Podcasts, Parkbankbier und Tagesthemen bis hin zum Postkarten basteln“.
J wie Jahresausstellung
Laetitia Megersa, 23, bekannt als DJ Laetizia, hat die Zwangspause genutzt und sich mit vollem Eifer um ihr Bühnenbild-Studium gekümmert. „Ich habe viel Zeit in eine Installation für die Jahresausstellung der Akademie der bildenden Künste gesteckt“, sagt sie. Auch ihre „Liebe für Zimmerpflanzen hat sie entdeckt“, sagt sie zumindest. Musik soll angeblich Pflanzen beim Wachsen helfen. Eine gute Gelegenheit, um eigene Feldforschung zu betreiben. Dann wird möglicherweise die Frage geklärt, ob Pflanzen eher auf Hardhouse oder Techno stehen.
K wie Kollektive
München ist voller junger Kollektive: Techno ist Familiensache, Bushbash, Ravescape, um nur ein paar zu nennen. Auch in Zeiten der Pandemie waren sie nicht untätig. Mit Livestreams, Auftritten undPodcasts versorgen sie Münchner Techno-Fans in diesen Zeiten.
L wie Livestreams
Livestreams sind in den Zeiten der Corona-Krise zur beliebten Alternative zum althergebrachten Club-Abend avanciert. Hat ja auch was an sich, seinen Lieblings-DJs von der Couch aus zuzuschauen. In München gab es unzählige Angebote. Den Marry- Klein-Livestream zum Beispiel. Mit organisiert wurde er von Lily Felixberger alias DJ Lily Lillemor. Wegen Corona ist Lily auf ein neues Medium umgestiegen. Sie hat ein wöchentliches Talk-Format gehostet, in dem sie Frauen aus Kultur, Politik und Musik interviewt.
M wie „Mach es einfach selbst“
„Mach es einfach selbst“ scheint zum Motto vieler Münchner geworden zu sein. Auch einige Münchner DJs sind auf den Do-it-yourself-Trip aufgesprungen. So auch der Münchner DJ Moritz Butschek, der kurzerhand sein eigenes Modelabel gegründet hat: Hey Hey.
N wie Nasse Maske
Die Corona-Schutzmaske ist zum ständigen Begleiter im Alltag geworden. Manchmal vergisst man sie dann aber trotzdem – beim Verlassen des Hauses zum Beispiel. Oder, wenn man doch mal ausgegangen ist und sich gerade an einem kühlen Hellen erfreuen will. So tragisch ist das aber nicht. Schließlich soll man den Mundschutz ja regelmäßig waschen.
O wie Open Air
Wenn in München gerade gefeiert wird, dann unter freiem Himmel: Biergärten, Waldgrundstücke und auf Dächern. Viele Plätze wurden im Verlauf der Corona-Pandemie entdeckt und umfunktioniert.Wenn ihr demnächst feiern wollt, „macht es draußen und informiert euch, ob es kleinere Raves und Open Airs von Münchner Kollektiven gibt“, sagt zumindest Eva Malchereck alias DJ Chayah. Die 26-Jährige legt seit drei Jahren in München auf.
P wie Prosecco-Retreat
Bei gutem Wetter lohnt sich ein Ausflug zum Prosecco-Retreat im Bahnwärter Thiel. Täglich kann man hier bei Speisen und Getränken Elektro-Musik lauschen. Aber auch hier gelten Einschränkungen.Die Maske darf erst am Platz abgenommen und muss aufgezogen werden, sobald man ihn verlässt. Aber mal ganz unter uns: Das nimmt man doch gerne in Kauf, wenn man dafür wieder etwas Club-Luft schnüffeln darf.
Q wie Querdenker
Was macht man, wenn man plötzlich nicht mehr feiern gehen kann? Sich seinen eigenen Partykeller einrichten natürlich. Dachten sich wohl zumindest die Leute vom Polygon-Kollektiv. Sie haben im Keller ihrer WG einfach ihre eigene Partyoase eingerichtet. Echte Querdenker halt. Ob sich die Anwohner über die Idee auch freuen, ist nicht bekannt.
R wie Rooftop
Viele Münchner Künstler und Kollektive haben die Dächer der Stadt für sich entdeckt. Zum Beispiel das junge Kollektiv Zeitreise Musik, die seit Beginn der Pandemie von ihrem Dach im Herzen Münchens streamen. Oder das K6Kollektiv, das vom Dach des Cafés im Vorhoelzer Forum die Stadt unter ihnen mit Musik versorgt.
S wie Sommerwiese
Picknick und Techno passen gut zusammen. Wer diesen Sommer trotz der Pandemie nicht auf ein musikerfülltes Picknick verzichten möchte, kann sich an ausgesuchten Samstagen auf die
Sommerwiese am Bernd-Eichinger-Platz 1 bewegen. Tanzen fällt auch hier flach. Dafür gibt es Überraschungen: Die DJs werden erst kurz vor den Veranstaltungen bekannt gegeben.
T wie Tanaja Twain
DJ Tanaja Twain ist in der Münchner Elektro-Szene noch eine Newcomerin. Wie Tanja Ziegler, so ihr bürgerlicher Name, auch selbst sagt: „Noch kennt man mich in der Szene nicht so gut.“ Ende des vergangenen Jahres sah es dann so aus, als würde ihre Karriere langsam anlaufen. Dann kam Corona und geplante Gigs mussten ausfallen. Gesehen hat man sie dann aber trotzdem, unter anderem bei der von ihr selbst organisierten Partyreihe „Spätschicht“. Die fand übrigens unangemeldet im Englischen Garten statt. Zwischenfälle gab es keine, die Angst vor Strafen blieb aber. Deshalb wird es wohl auch keine Folgeveranstaltung geben.
U wie Unterschiede
Auflegen ist nicht gleich Auflegen. Findet zumindest Klaudia Mockun, die sich als DJ Klaudia Kowalski nennt. „Ein Livestream ist nicht vergleichbar mit einem Club-Gig, so ganz ohne Publikum und das Feeling“, sagt sie. Gut das sie sich ein zweites Standbein aufgebaut hat. Sie hat Anfang des Jahres einen Podcast ins Leben gerufen, „um weibliche DJs in der Techno-Szene zu supporten“, sagt sie. Der nennt sich: Girlcast.
V wie Villa Flora
In der Villa Flora darf wieder gefeiert werden – im Garten. Mit dabei sind auch einige Elektro- und Techno-Veranstaltungen, wie die Reihe: „The Sound of Trees“. Auch wenn man hier nicht tanzen darf, schwärmen viele Münchner DJs von der Location.
W wie Wald
Nicht alle halten sich in der Zeit von Ausgehbeschränkungen an die geltenden Regeln. Die meisten illegalen Partys finden dann dort statt, wo man hofft, möglichst ungestört zu sein: im Wald. In den vergangenen Wochen wurden manche Partys von der Polizei abgebrochen. Ganz risikofrei sind solche Veranstaltungen aber nicht. Im glimpflichsten Fall droht ein Bußgeld. Im schlimmsten droht das Virus.
X wie XXS
Wenn man sich zum Feiern verabredet, trotz aller Gründe die dagegen sprechen, dann sollte man es möglichst klein halten, XXS eben. Trefft euch, wenn ihr euch treffen müsst, zu zweit. Das minimiert die Ansteckungsgefahr.
Y wie Yubik
Die Auftrittsorte können sich sehen lassen – und das während Corona. Zunächst spielte der Münchner DJ Yubik im Livestream vom Bahnwärter Thiel hoch oben auf dem Waggon, umgeben von Nebel. Wie das war? „Einfach ein geiles Feeling“, sagt Maximilian Hacker, so der bürgerliche Name des DJs. Es folgte ein Livestream auf dem Klunkerkranich. Und dann bekam er die Einladung zum Lusatia Digital Festival auf dem Gelände der Wilden Möhre.
Z wie Zürich
Ein Kurzausflug nach Zürich, wo die Clubs seit Juni wieder offen haben, scheint für junge Münchner attraktiv zu sein. Zumindest, wenn man einigen Postings in einschlägigen Facebook-Gruppen trauen kann. Aber Achtung: Der Kurzausflug sollte aber mit Vorsicht genossen werden. Vor wenigen Wochen steckte ein Superspreader in einer Partynacht fünf Menschen an. Dann lieber doch in München bleiben. Es gibt ja einige Angebote.