Die Partyszene liegt seit Anfang des Jahres lahm. Auch unsere Autorin Amelie ist auf Tanzentzug. Den bekämpft sie – ganz im Sinne der Kontaktbeschränkungen – tanzend in der WG-Küche beim Techno-Stream oder mit Besuchen bei kleinen Konzertbühnen.
Von Amelie Völker
220 Tage. Solange hat die Clublandschaft Münchens nun schon geschlossen. Das weiß ich so genau, weil ich heute an einem der größeren Münchner Clubs in der Sonnenstraße vorbeigeradelt bin. Dort leuchtet einem mahnend die Anzahl der geschlossenen Tage auf einem großen Bildschirm entgegen. Sonst werden darauf die DJs der nächsten Partynacht angepriesen. Ich persönlich zähle zwar nicht zu den allergrößten Fans dieses besagten Clubs, tragisch wirkt diese wachsende Zahl – so schwarz auf weiß – natürlich trotzdem. Denn sie betrifft die großen, genauso wie die kleinen Feierstätten, deren Mitarbeiter und alle ausgehungerten Nachtschwärmer. Auch ich vermisse das sorgenfreie Feiererlebnis, aber zum Glück gibt es nächste Woche eine Menge empfehlenswerter Alternativen, die vom Tanzentzug ablenken. Ob vor Ort oder digital.
Wäre ich noch süße 14 bis 18 Jahre alt, würde ich mit großer Freude am Freitag zum Poetry Workshop für Jugendliche in der Färberei gehen. Dort wird ein bisschen über Poesie und Artverwandtes gesprochen und es werden eigene Gedichte geschrieben – und zwar an der Schreibmaschine! Old-School-Vibes ganz nach meinem Geschmack. Da ich aber schon seit ein paar Jährchen aus dieser Altersklasse falle, zieht es mich stattdessen ins Bellevue di Monaco, denn dort wird ein Drehbuch mit dem prägnanten Titel „Liebe quält Seele“ der Autorin Bahar Bektas vorgestellt. Umgesetzt als szenische Lesung mit Videoprojektionen. Inhaltlich geht es dort um eine Liebesgeschichte zweier Jugendlicher in der Fremde, deren Vergangenheit in ihre Beziehung eindringt und diese zu einem Albtraum werden lässt. Vor oder nach dieser Lesung werde ich noch kurz auf dem gerade eröffneten Dachsportplatz, dem „Kurt-Landauer-Platz“ direkt auf dem Bellevue, vorbeischauen. Vielleicht gibt es ja ein spannendes Fußballspiel zu bestaunen, sonst genieße ich den Sonnenuntergang.
Am Samstag gibt es Schabernack! Unter diesem Titel überträgt das Harry Klein einen Livestream mit mehreren aufstrebenden DJs. Inklusive Videoinstallationen, eh klar. Techno eignet sich meiner Meinung nach auch gut zum Kochen. Und auch wenn es meine Mini-WG-Küche nicht so wirklich zulässt, ein bisschen tanzen werde ich trotzdem.
Musikalisch geht es auch am Sonntag weiter, mit Jacob Brass live im Gans Woanders. Brass ist ein Münchner Singer-Songwriter, der Pop im besten Sinne macht: Einfühlsame englische Texte, eingängige Melodien und hier und da ein Streicher. Mein favorisierter Track von ihm heißt „The Golden Times“, darin singt er davon, zusammen mit einer bestimmten Person den schlechten Tagen endgültig entfliehen zu wollen. Das Konzert ist natürlich Open Air und die Location, das Gans Woanders, sowieso immer einen Besuch wert.
Montagnachmittag werde ich die aktuellen Ausstellungen im Amerikahaus auschecken. Eine davon trägt den Titel „Blue Donkey & Red Elephant“. Hier setzt sich der Münchner Fotograf und bildende Künstler Jens Schwarz mit den dichotomen politischen Identitäten innerhalb der amerikanischen Gesellschaft auseinander. Die Fotos entstanden auf seinen Reisen durch Ohio, Kentucky, North Carolina und Tennessee während der amerikanischen Vorwahlkampagnen 2019 und 2020. Klingt nach einer guten Einstimmung für die Ereignisse in den USA eine Woche später: Am 3. November findet dort die Präsidentschaftswahl statt.
Die Open Stage im Lost Weekend ist endlich zurück! Das lasse ich mir am Dienstag natürlich nicht entgehen. Ich folge dem Ruf „all artists welcome, all guests welcome!“ und werde mich in die Sicherheit der Zuschauerränge begeben, um von dort aus den Mut aller talentierten Künstler zu bestaunen.
Am Mittwoch werde ich es mir zuhause in meiner WG gemütlich machen und mit meinen Mitbewohnern und haufenweise Popcorn-süß-salzig einen Filmeabend starten. Um die nervige Vorauswahl der Filme mache ich mir inzwischen keine Sorge mehr. Denn das Münchner Kollektiv „Die Filmkanzlei“, bestehend aus neun filmbegeisterten Studierenden, übernimmt das für uns: Das Kollektiv postet auf seiner Instagramseite Empfehlungen für Filme, die kostenlos und legal online streambar sind. Da ist für jeden Genregeschmack was dabei: Dokumentationen, Animationsfilme, Blockbuster oder Komödien.
Am Donnerstag schlüpfe ich imaginär zurück auf die Unibank und gönne mir eine Vorlesung der Hochschule München, die live und kostenlos online übertragen wird. In der Interdisziplinären Ringvorlesung geht es um ein allgegenwärtiges Thema, das ich beängstigend und ziemlich faszinierend zugleich finde: Künstliche Intelligenz. Dieses Mal wird es speziell um „Diskriminierende Systeme – Rassismus und Frauenfeindlichkeit in KI-Systemen“ gehen.
Am Freitag werde ich meine Woche mit einem Kinoabend bei Kino der Kunst ausklingen lassen. Kino der Kunst ist eine Mischung aus Filmfestival und Kunstausstellung. Die vierte Ausgabe findet nächste Woche vom 27. Oktober bis 1. November in Münchner Kinos und Museen statt. Gezeigt werden in einem internationalen Wettbewerb herausragende filmische Werke von bildenden Künstlern. Das diesjährige Thema lautet „Verbotene Schönheit“ und am Freitag laufen verschiedene Filme. Die Qual der Wahl. Momentan tendiere ist zu einem Film namens „Ballerinas and Police“ in dem das weltberühmte Ballett „Schwanensee“ zum Akt des Widerstands wird. Achja, habt ihr eure Kürbisse startklar? Am nächsten Tag ist dann Halloween!