Lernen von den Jungen

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Bei „Internet und Kaffeeklatsch“ helfen Gymnasiasten Senioren. „Die Schüler nehmen dabei gewissermaßen eine Enkelrolle ein – und den Senioren bei Kaffee und Kuchen damit auch den Druck“.

Konzentriert beugt sich Angelika B. über das Tablet und beobachtet, wie die beiden Jungs das Wlan darauf einrichten. Jeden Schritt notiert sie auf einem Block – in Stenografie. Was diese Haken und Kringel bedeuten, wissen ihre 15-jährigen Gruppenpartner nicht, denn in Zeiten von Smartphones, Laptops und Tablets gebraucht diese Kurzschrift kaum noch jemand. Genau darum zeigen sie der Seniorin heute, wie sie mit einem Tablet umgehen kann. „Ich will mir die Welt noch offenhalten. Darum will ich lernen, online ein Hotel zu buchen oder Zeitung zu lesen“, sagt die Seniorin. Wegen ihrer kleinen Rente müsse sie ihre Ausgaben reduzieren – und das fange bei den monatlichen 60 Euro für ein Zeitungsabo an.

Außer diesen drei Menschen sitzen noch viele weitere Grüppchen in der Journalistenakademie und arbeiten mit Tablets: „Internet und Kaffeeklatsch“ ist ein neues Projekt der Münchner Koch-Ebersperger-Stiftung, das Senioren in lockerer Atmosphäre das Internet nahebringen soll – unter Anleitung von fachkundigen Dozenten und Schülern des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums (KKG). Darunter auch der Schülersprecher Valerian Wassmer, 17, und die 15-jährige Nina Böheim, Klassensprecherin der 10f: „Vor ein paar Wochen hat Altoberbürgermeister Ude an unserer Schule einen echt tollen Vortrag über das geplante Projekt gehalten“, erzählt Valerian. Das habe ihn motiviert mitzumachen. Christian Ude ist auch Schirmherr des Projekts und wird bei jedem der zweiwöchentlichen Treffen dabei sein – persönlich oder per Skype. Beim ersten Treffen in der Journalistenakademie erzählt Ude, wie er selbst erst 2002 über seine Enkel den Umgang mit dem Internet lernte. „Wenn ich mittlerweile E-Mails verschicken kann, dann schaffen Sie das auch“, spricht er den Senioren Mut zu. „Und Trump kann es schließlich auch“, ruft ein Mann und erntet Gelächter. Die lockere Atmosphäre wäre schon mal hergestellt.

Valerian erzählt, dass er und Nina damals nach Udes Rede durch die Klassen gingen, um noch mehr Schüler für das Projekt zu gewinnen: „Wir waren erstaunt, wie viele Lust darauf hatten.“ Das mag daran liegen, dass sich die Schule – insbesondere im 150. Geburtsjahr von Käthe Kollwitz – der sozialkritischen Arbeit ihrer Namensgeberin verpflichtet fühlt und viel Wert auf soziales Engagement legt. „Wir wollen das reale Leben in die Schule holen, damit Schule mehr ist als nur Fachunterricht“, sagt Alexandra Voag, Mitarbeiterin der Schulleitung. Über die Münchner Tafel Neuhausen, die jeden Freitag Lebensmittel in den Räumen des KKG ausgegeben und von der Koch-Ebersperger-Stiftung unterstützt wird, sei es dann zu mehreren Kooperationen zwischen der Schule und der Stiftung gekommen – unter anderem zu „Internet und Kaffeeklatsch“.

„Die Schüler nehmen dabei gewissermaßen eine Enkelrolle ein – und den Senioren bei Kaffee und Kuchen damit auch den Druck“, sagt Doro Hartmann, die die Idee zu dem Projekt hatte. Sie ist Pressesprecherin der Stiftung und auch beim Seniorenbeirat und anderen Wohlfahrtsorganisationen für Senioren tätig: „Immer wieder erzählen mir ältere Menschen von ihren Ängsten, durch die Technik abgehängt zu werden oder sich zu blamieren.“

Diese Angst ist allerdings oft ziemlich unbegründet, wie sich im Laufe des Nachmittags herausstellt: Die beiden Senioren etwa, mit denen Valerian und Nina zusammenarbeiten, sind schon recht geübt im Umgang mit den Tablets – und die Jugendlichen sehr geduldig, wenn bestimmte Vorgänge eben doch mal länger dauern. Valerian erzählt, dass er selbst zwar noch ein altes Nokia-Tastenhandy hat, aber trotzdem intuitiv mit Tablets und Smartphones umgehen kann. „Bei den Senioren hingegen scheitert es oft schon an der Pin-Eingabe“, sagt er. Dinge, die für Jugendliche selbstverständlich sind. „Das Internet könnte den Alltag der alten Menschen sehr erleichtern. Darum finde ich es wichtig, ihnen die Grundlagen zu erklären – gerne auch mehrmals“, sagt Nina. Sie will später mal einen sozialen Beruf ergreifen. Valerians Tandem-Partner, der 70-jährige Joachim Theusner, sagt, er wolle hauptsächlich mit seiner Familie in China kommunizieren. Ansonsten sei er im Kurs, um sein „Wissen aufzufrischen und Wissenslücken zu schließen.“ Die Kurse bauen nicht modular auf und die ehrenamtlichen Dozenten bearbeiten Themen, die Senioren interessieren: Nachrichtenportale und Zeitungen, Skype oder Gesundheitsinformationen im Netz.

Vor allem aber ermöglicht das Projekt auch denjenigen, die keine Enkel haben, eine Teilhabe – digital und sozial. „Neben Altersarmut ist in München vor allem Alterseinsamkeit ein Thema“, erklärt Eva-Sophie Koch, die Gründerin der Stiftung. Viele alte Menschen seien immobil oder trauen sich nicht mehr rauszugehen. Für sie könnte ein Tablet eine Kontaktmöglichkeit nach draußen sein. Die Geräte, die die Stiftung den Kursteilnehmern zur Verfügung stellt, waren Sachspenden – die zu bekommen war aber schwer: „Senioren sind nicht gerade die größte Zielgruppe für Sponsoren.“

Derzeit kostet die Kursteilnahme fünf Euro, Eva-Sophie Koch würde diesen Betrag durch Spenden aber gerne noch senken, damit noch mehr Senioren teilnehmen: „Oft können sich Rollstuhlfahrer, die geistig noch total fit sind, nicht einmal die Transportmittel leisten.“ Außerdem würden sie den engagierten Schülern gern ein warmes Mittagessen stellen – als kleine Wertschätzung, „weil es ohne sie nicht funktionieren würde“.

Das sehen die Senioren genauso: „Die jungen Leute geben uns das Gefühl, dass es keine blöden Fragen gibt“, sagt eine Frau erfreut in der Feedbackrunde. Auch für die Schüler steht fest, dass sie auf jeden Fall wiederkommen – denn eine solche Erfahrung macht man in der Schule nicht.

Text und Foto: Anna-Elena Knerich

250 Zeichen Demokratie: Heute mit Stephanie Dachsberger

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Am 24. September ist Bundestagswahl. Wir haben politisch engagierte
junge Erwachsene gefragt, warum es gerade für junge Menschen so wichtig
ist, wählen zu gehen. Heute mit
Stephanie Dachsberger.

“Wir haben – im Gegensatz zu vielen Menschen in anderen Ländern – die Möglichkeit, wählen zu gehen. Gerade wir Jugendlichen sollten diese Möglichkeit zur Mitbestimmung nutzen. Jede nicht abgegebene Stimme hilft demokratiefeindlichen Parteien.”

– Stephanie Dachsberger, Kreisjugendring

Foto: Alex Fürlinger