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„Das lasse ich mir definitiv nicht wegnehmen“

Dieses Jahr gibt es keine Wahl, also auch kein Jugendwort 2019. Oder? „Es gehört einfach zur Jugendkultur dazu“, sagt Bloggerin Livia Kerp. Bislang saß sie mit in der Jury, jetzt bestimmt sie einfach ihr eigenes Gewinnerwort.

Interview von Eva Klotz

Livia Kerp, 17, fing mit 15 Jahren als Beauty-Bloggerin an. Mittlerweile thematisiert die Schülerin aus München auf ihrem Blog LiviaJosephine vor allem Politik, aus Sicht einer Jugendlichen, für Jugendliche. Damit erreicht sie pro Beitrag bis zu 5000 Menschen – auch dank prominenter Interviewpartner wie Cem Özdemir und Markus Söder. Im Jahr sind es über eine Million Aufrufe. Die vergangenen drei Jahre suchte sie zudem als Jurymitglied das Jugendwort des Jahres aus, dessen Wahl in diesem Jahr ausfällt. Vor kurzem gab sie deshalb bekannt, auf ihrem Blog ein alternatives Jugendwort des Jahres zu veröffentlichen.

SZ: Wie bist du darauf gekommen, das Jugendwort des Jahres auf deinem Blog zu veröffentlichen?
Livia Kerp: Die vergangenen drei Jahre war ich ja in der Jury zum Jugendwort des Jahres. Und ich kenne es schon immer, ich bin damit sozusagen aufgewachsen. Langenscheidt hat jetzt aber die Rechte verkauft an den Klett Verlag, der wollte es nicht machen, aus Gründen, die mir nicht bekannt sind (Anm. d. Red.: Der zur Klett-Gruppe gehörende Pons Verlag hat die Marke Langenscheidt übernommen und aus zeitlichen Gründen die Wahl ausfallen lassen). Dann gab es eine Online-Wahl, die wurde aber von Hackern gecrasht.

Und dann bist du eingesprungen?
Ich habe mich kurzfristig dazu entschlossen, selbst mein alternatives Jugendwort zu suchen und auf meinem Blog zu veröffentlichen. Das kommt dann direkt von Jugendlichen und ist somit auch glaubwürdiger. Ich schreibe so viele Jurymitglieder an von früher, wie ich kann. Daraus wird dann das Wort des Jahres, das ich mir selbst mit anderen Jugendlichen erschließe. Ich habe so das Gefühl, oft müssen Jugendliche alles selbst in die Hand nehmen, damit es klappt. Und das mache ich jetzt.

Wie soll das ablaufen?
Also ich frage viele Jugendliche, wie die es so sehen. Ich höre mich da einfach in meinem Umfeld um und rede mit meinen alten Jurykollegen, dann beschließen wir das zusammen.

Ist das dann nicht vielleicht ein bisschen einseitig, wenn es keine Abstimmung gibt wie in den vergangenen Jahren?
Ich kenne ja viele aus der Jury, und die kommen alle von woanders her, deshalb ist da schon ganz Deutschland vertreten. Und früher war das immer so mit der Abstimmung, wenn ich ehrlich bin, da waren Wörter dabei …

Welche denn?
Letztens war „bambus“ dabei, und das sagt wirklich kein Mensch. Und da ich selbst ja erst 17 bin, und jetzt nach einem Schulwechsel auch viel mehr mit Jungs rede, bin ich selbst mittendrin. Genauso ist es mit den Jurymitgliedern und meinen Leuten. Ich glaube, das ist glaubwürdiger als irgendeine Internetabstimmung, bei der jeder mitmachen kann.

Warum ist dir das Jugendwort des Jahres so wichtig?
Es gehört einfach zur Jugendkultur dazu. Und warum sollte jetzt unser Jugendwort verabschiedet werden? Nur, weil es jedes Jahr auch Zweifel gab, ob Jugendliche das wirklich sagen? Das stimmt natürlich, es gibt immer diese Diskussionen, das gebe ich ehrlich zu. Genau deswegen suche ich ja auch ein alternatives Jugendwort des Jahres. Das Jugendwort des Jahres gehört zu mir, das lasse ich mir definitiv nicht wegnehmen.

Das ist deine Sichtweise.
Das ist auch wichtig für uns Jugendliche, damit wir eine kleine Stimme haben. Dieses Prinzip finde ich sehr schön. Ich finde, wir Jugendlichen sollten mehr gehört werden. Und wir müssen das in die Hand nehmen. In der Politik ist es auch so.

Was meinst du damit zum Beispiel?
Bei Fridays for Future zum Beispiel. Schlussendlich sind wir die Jugendlichen, die auf die Straße gehen, um für etwas zu kämpfen, weil wir verstanden haben, dass es um unsere Zukunft geht, die wir in der Hand haben. Viele Erwachsene verstehen das nicht so ganz, was der Klimawandel für uns alle in den nächsten paar Jahren bedeutet. Das ist auch so ein Beispiel, bei dem ich sehe, dass wir Jugendlichen versuchen, etwas zu bewegen. Ob das dann wirklich etwas bringt, ist natürlich noch einmal eine andere Frage. Aber wir tun etwas, und das finde ich schön zu sehen.

Gibt es schon erste Vermutungen, welches Wort gute Chancen hätte?
Es haben viele Wörter gute Chancen. Ich glaube, die Jugendlichen sind da sehr kreativ, vor allem momentan. Es gibt ja immer Standards, gerade Ausdrücke, ich glaube, die werden nie sterben. Früher war „on fleek“ sehr modern und in, das hat man sehr oft gesagt. Heute ist das tatsächlich nicht mehr so, was ich schade finde, weil on fleek eigentlich cool ist . Aber ich mag es auch, wenn man Anglizismen benutzt. Gerade habe ich aber schon ein Wort, das sehr weit oben ist, von dem viele sagen, dass es absolut dazugehört. Für mich ist es schon ein Gewinnerwort. Welches, will ich noch nicht verraten, das kann man am 8. November auf meinem Blog nachlesen.

Wie bist du eigentlich zum Bloggen gekommen?
Also ganz am Anfang war es tatsächlich so, dass ich viel über Nagellacke geschrieben habe, oder über Fashion in Italien. Ich war ja noch relativ jung. So hat sich es entwickelt, dass ich immer mehr geschrieben habe, auch über meine Gedanken.

Erst Nagellacke, dann Politik. Wie das?
Als 2015 die Flüchtlingskrise war und ich es ungeplant am Hauptbahnhof miterlebte und mittendrin war, hat mich das verwirrt. Ich wusste nicht ganz, was gerade passiert, deshalb habe ich mich informiert und danach meine erste Kolumne geschrieben. So ist mein erster Politik-Post entstanden. Daran habe ich Gefallen gefunden, also hat es sich so weiterentwickelt.

Was willst du heute vor allem auf dem Blog thematisieren?
Ich mache vor allem Politik, aber auch gesellschaftliche Themen oder Comics. Ich bin da nicht der Typ Mensch, der sich nur auf ein Thema spezialisiert.