Große Träume, große Auftritte

 Welche Musiker fallen in München auf? Jeden Montag stellen wir auf der Junge-Leute-Seite die „Band der Woche” vor. Zehn Bands, die in den vergangenen Monaten von sich reden machten, stehen nun zur Wahl für die „Band des Jahres” – ein Überblick

Von Michael Bremmer

Für Pop aus München sind wir regelmäßig unterwegs: Wir schauen bei den Konzertbühnen dieser Stadt vorbei. Wir besuchen Proberäume und durchkämmen das Internet. Von daher wissen wir meist, welche Bands in München auffallen und von welchen Bands man in Zukunft hören wird – nachzulesen jeden Montag in unserer Rubrik „Band der Woche“. Ende des Jahres gehen wir einen Schritt weiter. Wir haben zehn Bands, die uns in diesem Jahr aufgefallen sind, ausgewählt für die Wahl zur „Band des Jahres“. Die Facebook-Abstimmung läuft bis Ende Januar. Hier die zehn Bands im Überblick:

 

Foto: Nicholas Wilkie

Seda
Singer-Songwriterin
Konzerte im Münchner Outback sind nichts Ungewöhnliches für Newcomer, auch der Auftritt am vergangenen Donnerstag hinter Erding muss nicht verwundern. Dass aber Amazon Music Seda Yagci, 23, für einen Showcase eingeladen hat, zeigt, welche Karriere die junge Singer-Songwriterin vor sich hat. Ihre tiefe Soulstimme ist bewegend, Youtube-Fans lieben die junge Sängerin wegen ihrer Coverversionen von Rihanna und Adele – aber längst ist sie dabei, mit ihren selbstgeschriebenen Stücken und ihrer fantastischen Band auf sich aufmerksam zu machen. „Spilled Thoughts“ heißt ihre Debüt-Platte. Seda sagt: „Für mich ist das mehr als nur ein Hobby. Entweder ich lande auf der Bühne oder unter der Brücke.“

Foto: Sebastian Duerst

Endlich Rudern
Post-Punk
Max Weigl trägt seine Jeans gerne hochgekrempelt. Deswegen sieht man, dass er mit Vorliebe bunte Socken mit Motiven trägt. Das ist niedlich – und ein großer Gegensatz zu den Lärmorgien, die seine Band Endlich Rudern immer wieder in ihre Songs einbaut und die irgendwie gar nicht zu ihrem selbsternannten Genre „Münchner Schule“ passen wollen. Die Musik klingt rissig und schrammelig. Doch das klassisch mit Gitarre, Bass und Schlagzeug besetzte Trio, in diesem Jahr zur „Münchner Band des Jahres“ beim Sprungbrett-Wettbewerb gekürt, verbindet zwei Stile der Geschichte der Gitarrenmusik: Grunge und Post-Punk.

Christin Büttner

Mola
Bastard-Pop
Die Wahrheit zeigt sich immer im Leben. Und auf Instagram. Seit einiger Zeit postet
Isabella Streifeneder dort auch gemeinsame Fotos mit Markus Harbauer, Bassist von Exclusive und Musikproduzent, der den elektronischen Sound von Mola mit verzögerten Beats und verzerrten Bässen ordentlich aufgepeppt hat. Dem Zeitgeist setzt die Sängerin eine ordentliche Portion Ironie entgegen. Sie besingt einfach nur den Hedonismus nächtlicher Sauftouren in einem Leben, in dem die Musik eine sehr große Rolle spielt. Es geht in den Songs ums Abstürzen, Feiern und sich die Welt schön zu trinken, um zu einem „Happy-End auf drei Promille“ zu gelangen.

Foto:Privat

Urbaner Verschleiss
Post-Punk / Deutsch-Punk
Punks passen auf den ersten Blick nicht zu München. Zu sauber ist die Stadt, zu anständig. Aber da Punk immer auch eine Gegenwehr bedeutet, findet man auch hier Punks – wenn man weiß, wo man suchen muss. Und wenn die Treffpunkte noch bestehen. „Geschichten der Nacht“ der Band Urbaner Verschleiss ist eine Hymne an die alternativen Kneipen der Stadt, die das Thema der Gentrifizierung von einer nicht-politischen Seite zeigen soll: „Es geht nicht nur um den Fakt, dass Subkultur schicken Geschäften weichen muss, sondern um all die Erinnerungen, die an diesen Orten hängen. Mit dem Verlust dieser Locations bricht bei vielen Menschen ein Stück Lebensgefühl weg“, sagt Sänger Max Ludi.

Foto: Beatrix von Rautenberg

Victoryaz
Neo-Soul
Schade, dass das Publikum diese Privat-Konzerte nicht miterleben kann. An sich immer, wenn sich Victoria Zapf und Elena Rudolph treffen, machen die beiden Singer-Songwriterinnen Musik. Beide heben sich von der Masse ab, Elena Rud verbindet traurige Songs mit Punk-Attitüde,
Victoryaz verknüpft Old-School-Hip-Hop mit selbstgeschriebenen Gitarren-Songs. „Da ich selbst zum Großteil Hip-Hop, Rap und Soul höre, war das definitiv mein größter Einfluss“, erklärt Victoria. Ihre Stimme ist leicht belegt und gleichsam flexibel genug, um sich um die Beats und Melodien herumzuschlingen.

Foto: Tim Davies

Cosma Joy
Folk
Große Bühne, kleine Bühne – egal, Cosma Joy, 17, berührt die Zuschauer. Zuletzt war sie beim Puls-Festival zu hören, gemeinsam mit dem Orchester des Bayerischen Rundfunks. Und Christoph Lindemann, Musikchef bei Puls, gab später bei Facebook zu, mehrmals bei Joys Auftritt den Tränen nahe gewesen zu sein. Ein paar Wochen vorher, kleine Bühne im „Zehner“, im Publikum Münchner Musikmanager – auch hier ergriffenes Schweigen, aufmerksames Zuhören. Das liegt an Cosmas Stimme. Ausgesprochen sicher intoniert sie auch in komplizierteren melodischen Linien. Doch es ist nicht nur das: Cosma benutzt ihre Stimme auch schön selbstbewusst und nicht so pseudo-schmollend wie viele andere junge Songwriterinnen.

Foto: Michele Di Dio

Paar
Post-Punk
Erst am Ende des Jahres hat man Paar auf den Bühnen dieser Stadt zu sehen bekommen. Vorher: geheimnisvolles Schweigen. Nur wenig, was über die Musik und die kunstvoll an deren Ästhetik angepassten Fotos hinausgeht, hat diese Band nach außen gelassen. Die treibenden Songs des Trios sind deutlich inspiriert vom Post-Punk der Achtzigerjahre, voller Hall, Noise und Echo und dennoch mit einem nicht unerheblichen Maß an Pop-Appeal. Die Musik ist minimal arrangiert, lässt man sich darauf ein, wird man aber von feinen Melodien belohnt.

Foto: Ferhat Deliktas

Umme Block
Electronica
Man sieht ihr diese Sicherheit an. Leoni Klinger steht in der Kranhalle im Feierwerk, sie fachsimpelt beim Pop-Hearing der Stadt München mit Bookern, Veranstaltern und Journalisten. Nur wenige junge Musiker sind dieser Einladung der Politik gefolgt – aber wer, wenn nicht die Sängerin von Umme Block, kann erklären, wo es gerade im Musik-München hakt. Seit Leoni zurück vom Studium in Weimar ist, hat sie gemeinsam mit Klara Rebers auf vielen Bühnen dieser Stadt gespielt: Theatron, Milla, in der Paradiso Tanzbar, beim Isarinselfest und so weiter. Früher waren sie NouNours, jetzt unter dem Namen Umme Block experimentieren sie live mit Synthesizern und Beatmaschinen. Es entsteht eine eher rave-artige Atmosphäre – noch rumpelt und scheppert es ein wenig, aber das Potenzial ist beachtlich.

Foto: Stephan Rether

Poly Poly
Elektro / Disco
Es ist nur eine Begebenheit am Rand, aber sie zeigt, welchen Rang die Münchner Band Poly Poly nach nur kurzer Zeit einnimmt – sie durfte einen Remix für die deutsch-chinesische Band C.O.W. produzieren. Klar, der Produzent Hans Heusterberg ist seit seinem Projekt Akere alles andere als ein Unbekannter. Jetzt hat er sich mit dem Schlagzeuger Jona Raischl zusammengetan. Sie begegnen ihrem durchaus mainstreamigen Achtzigerjahre-Sound mit einer feinen Ironie.

Foto: Kate Filippova

Loriia
Neo-Pop
Es hat nur einen Tag gedauert. Anfang Januar erklärte die Junge-Leute-Seite der SZ Loriia, die zu diesem Zeitpunkt noch kein einziges Konzert gespielt hatte, zur Pop-Hoffnung 2018 – und nicht mal 24 Stunden später zeigte ein Musikmanager Interesse, mit der 25-jährigen Sängerin an ihrer Karriere zu arbeiten. Lotte Friederich studiert Jazz-Gesang und erlebt gerade ein Popwunder. Sie stand unter anderem als Support von Joan as Police Woman auf der Bühne, wurde vom Radiosender Puls zur Startrampe eingeladen, begleitet gerade Paul bei seiner Deutschland-Tournee und hat nebenbei ihre Debüt-Platte aufgenommen. Genau das war auch ihr Plan für 2018. Respekt.

Mitarbeit: Rita Argauer, Marietta Jestl, Viktor Schacherl