Band der Woche: Paar

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Die Musiker von Paar geben nicht nur sich verschlossen, sondern auch ihre Musik. Kommen sie aus ihrem Versteck, erwartet die Zuhörer ein Minimalismus mit feinen Melodien.

Das zeigen die Post-Punker am 19. Januar in der Roten Sonne, wenn sie ihr erstes Musikvideo vorstellen.

Sich richtig zu verstecken, ist eine Kunst. Vor allem in der Kunst- oder Musikwelt. Denn wenn ein Musiker nicht nur und ausschließlich für sich Musik machen will, muss er irgendwann aus seinem Probenzimmer herauskommen und das Versteck verlassen, damit ein potenzielles Publikum die Möglichkeit hat, die erschaffene Kunst wahrzunehmen. Andererseits sind zu offensichtliche Anpreisungen der eigenen Kunst immer latent unsympathisch. Derjenige, der seinem Hörer via Kunst zubrüllt, wie toll er ist und dass man ihn doch bitte anhören möge, erreicht damit oft das Gegenteil. Das richtige Maß an Verstecken will also gelernt sein. Besonders dann, wenn einen noch nicht so viele Menschen kennen. Denn eine derart konsequente Öffentlichkeitsvermeidung, wie das etwa Radiohead seit einigen Jahren betreiben, kann man sich auch nur leisten, wenn ein prinzipielles Interesse an der Band bereits vorhanden ist.

Die Münchner Band Paar kennen noch nicht so viele Menschen. Deshalb ist der Weg des Versteckens bei dieser Band auch besonders ausgeklügelt. Denn der Wille, eigentlich nicht mit marktschreierischem Pop-Appeal aufzutreten, ist bei diesem Trio besonders ausgeprägt. Rein gar nichts, was über die Musik und die kunstvoll an deren Ästhetik angepassten Fotos hinausgeht, lässt diese Band nach außen. Sängerin Ly Nguyen sowie die beiden Instrumentalisten Rico Sperl und Matthias Zimmermann geben sich verschlossen, sie sind genauso wie ihre Musik. Sie übernehmen die Maschinen-Fixierung der Industrial- und Drone-Szene, wenn den Song „To have and to hold“ als Titelbild eine Detailaufnahme eines Krans ziert; mächtig, roh und düster und natürlich in Schwarz-Weiß. Die Musik dazu ist minimal arrangiert: einzelne Bass-Töne, leicht verzerrt, dazu ein Feedbacksirren, ein stumpfes Schlagzeug und langsam voranschreitende Rhythmik. Ly singt dazu mit dunklem Timbre von Verlust. Doch Paar haben es eben doch recht gut raus, bis zu welchem Grad sich das Verstecken lohnt. Denn ihre Musik hält trotzdem genug Inhalt bereit, um den Hörer zu binden. So liegen in ihrem Minimalismus feine Melodien, „There is someone who cares, with a heart of gold“ singt Ly dazu passend später im Song. Das goldene Herz musikalisch hörbar zu machen, das ginge zu weit, doch die Ahnung davon liegt in der Musik – vor allem auch in den mehr treibenden Songs, deutlich inspiriert vom Postpunk der Achtzigerjahre, voller Hall, Noise und Echo und dennoch mit einem nicht unerheblichen Maß an Pop-Appeal.

Seit 2016 spielt das Trio zusammen. Angefangen haben sie als ein reines Internet-Computer-Projekt, weil die Bandmitglieder in verschiedenen Städten lebten. Und obwohl sie jetzt alle in München wohnen und proben, blieb das Kühle und Distanzierte in den Songs bestehen. 2017 veröffentlichten sie eine EP, die Produktion einer zweiten haben sie für dieses Jahr geplant.

Die Verschlossenheit ihrer Ästhetik kommt gut an. Vor allem in den Kreisen, die sich dem Mainstream per Lebeneinstellung verschließen. Die folgen Paar gerne in den Nebel, den sie als Bühnenshow genauso einsetzen wie in ihrer Musik. So begleiteten sie etwa die Verleihung des „zwei:eins“-Kunstpreises in der Akademie der Bildenden Künste oder spielten in einem opulenten Saal im Hotel-Projekt Lovelace. Das beschert Paar nicht nur recht dekorative Bandfotos, wenn sie – verschlossen und schwarz gekleidet – in imperialem Ambiente stehen, sondern auch eine gewisse Aufmerksamkeit. Am Freitag, 19. Januar, präsentieren sie ihr erstes Musikvideo in der Roten Sonne. 

Stil: Post-Punk
Besetzung: Ly Nguyen (Gesang), Rico Sperl (Bass, Drum Machine, Synthesizer), Matthias Zimmermann (Gitarre)
Aus: München
Seit: 2016
Internet: www.paarmusic.bandcamp.com

Text: Rita Argauer


Foto: Michele Di Dio

Band der Woche: Blue Haze

Blue Haze heißt das Musikprojekt von

Rosa Kammermeier und Julian Riegl, das am Donnerstag ihre EP “Moon” im Unterdeck präsentiert.

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Blue Haze ist eine Haschisch-Sorte. Das verrät zumindest das Internet, wenn man sich dort auf die Suche nach dieser gleichnamigen neuen Münchner Band macht. Ob diese Assoziation beabsichtigt ist, ist jedoch nicht so ganz klar. Denn obwohl bei der Band Blue Haze (Foto: Sophie Wanninger) die Musik hinter den langen Reverb-Schwaden auf den Gitarren wie im Nebel zu verschwinden droht, hat das dennoch rein gar nichts mit der codierten Kiffer-Romantik zu tun, die etwa die Namensfindung im Reggae und Hip-Hop immer wieder bestimmt (am eindeutigsten wohl bei Cypress Hill, die sogar einen Song „I love you Mary Jane“ nannten).
Rosa Kammermeier und Julian Riegl aber suchen mit dem reduzierten Post-Punk und Dream-Pop, den sie als Blue Haze spielen, nach einer Romantik, die viel älter ist als kiffende Hip-Hopper. Vielmehr verweisen sie auf den blauen Dunst des Zwielichts, der einem Versteck und Grauen gleichzeitig sein kann. Dieser prägt nicht nur die zwischenweltliche Lichtstimmung auf Caspar David Friedrichs Gemälden, auch in der Lyrik des 19. Jahrhunderts ist insbesondere die Farbe Blau symbolisch aufgeladen und mit dem Jenseitigen und Außerweltlichen verknüpft. Und in dieser Zeit fußt die Inspiration des Duos: „Blue bezieht sich darauf, dass wir uns in unserer Musik manchmal ein bisschen melancholisch fühlen“, erklären sie, aber trotz dieser düsteren Grundstimmung schwinge in dem Namen aber auch die Romantik, insbesondere die blaue Blume bei Novalis und der Glaube an die Liebe mit.
Doch der Retro-Wille der beiden reicht nicht so weit, dass sie sich im Biedermeier-Outfit den Auflösungsfantasien der musikalischen Spätromantik hingeben. Um die nihilistische Melancholie der Romantik in die Gegenwart zu holen, gehen sie den Umweg über einen Künstler, den sie bei ihren Einflüssen stets an erster Stelle nennen: David Lynch. Und obwohl der weniger für seine Musik als für seine Filme bekannt ist, macht das Sinn. Denn nicht nur in „Blue Velvet“ erschafft er immer wieder Figuren und Räume, die sich nicht mehr in der eigentlichen Realität zu befinden scheinen, aber dennoch genug Anbindung an die Gegenwart haben, um ihren Zuschauer in den Grundzügen begreiflich zu bleiben.
Musikalisch übersetzt bei Blue Haze klingt das dann nach dem Post-Punk der frühen Achtzigerjahre – also stoisch gleichbleibende Rhythmus-Patterns, die die beiden mit dem Drumcomputer programmieren, harmonisch um sich selbst kreiselnde Gitarren-Pickings, die nirgendwo hinführen, aber das auch nicht wollen, sowie getragene und gleichzeitig abwesend wirkende Gesangslinien.
 Doch das funktioniert – denn man hört sowohl die Shoegaze-Erfahrung, die Rosa als Bassistin in der um einiges energetischeren Band Come Back Harriet sammelte, und die Indie-Elektro-Experimente, die Julian mit seiner zweiten Band Kafkas Orient Bazaar macht. Nachdem Rosa die visuelle Gestaltung für einen Kurzgeschichtenband zum jüngsten Album von Kafkas Orient Bazaar übernahm, begannen die beiden, auch zusammen Musik zu machen. Rosas andere Band – Lilit and the Men in Grey – macht derzeit eine Pause, deshalb hat sie Zeit für dieses neo-romantische E-Gitarren-Duo mit einem Hang zur psychedelischen Realitätsverklärung. Gerade haben sie ihre erste EP fertig produziert, die den passenden Titel „Moon“ bekommen hat und die am Donnerstag, 5. Mai, im Unter Deck in München mit einem Live-Konzert vorgestellt wird. Im Sommer haben sie dann erst einmal vor, Musik für ein Theaterstück zu schreiben.  

Stil: Dreampop / Shoegaze / PostPunk
Besetzung: Rosa Kammermeier, Julian Riegl
Aus: München
Seit: 2015
Internet: soundcloud.com/blue-haze-488398908

Foto: Sophie Wanninger

Text: Rita Argauer

Friends of Gas (Post-Punk / NDW)

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Jahr: 2014, Woche: 37

Recht roh und unverfroren bringen Friends of Gas einen Klang in die Stadt, der sich irgendwie ganz gut in den NDW-lastigen Sound der härteren Sorte setzt, der an DAF oder Malaria! erinnert und derzeit die Republik überrollt.

Manche Bandnamen sind so gut, dass es sie schon vor der eigentlichen Band gibt. Friends of Gas (Foto: Elisabeth Hoppenthaller) ist eine von diesen Wortkombinationen, die so viel erzählt, ohne dabei zu konkret zu werden: Diverse Musiker geisterten unter diesem Namen, der abgekürzt zu „Fog“, also Nebel wird, schon länger in Münchens Szene herum und traten in verschiedenen Kombinationen auf. Der Name blieb, die Musiker wechselten. In dem Jam-Projekt spielten mal Thomas Westner, der früher bei der Hardcore-Band Prosa war, mal die Musiker von Majmoon oder Noise-Künstler wie Martin Tagar.

Eine wüste Truppe aus schon erfahrenen Musikern und Anfängern ist das. Thomas und Martin, die schon in diversen Bands spielten, treffen auf den Schlagzeuger David Ortiz, der sein Instrument erst seit einem guten halben Jahr spielt. Neben Thomas, Martin und David bilden die Friends of Gas, die man mittlerweile getrost als fest formierte Band bezeichnen kann, die Sängerin Nina Walser, die an der Nürnberger Kunstakademie studiert und die Münchner DIY-Künstlerin Veronica Burnuthian.

Recht roh und unverfroren bringen sie einen Klang in die Stadt, der sich irgendwie ganz gut in den NDW-lastigen Sound der härteren Sorte setzt, der an DAF oder Malaria! erinnert und derzeit die Republik überrollt. An sich ist es natürlich schon paradox von einer neuen „Neuen deutschen Welle“ zu sprechen. Da hebelt sich das Prinzip Retro und Rückbezug ganz von selbst aus. Doch Bands wie Die Nerven oder Messer besetzen diese verhallten Reverb-Gitarren, deren Klang man in der Form wirklich über zwei Jahrzehnte nicht mehr gehört hatte und die monoton-stampfenden Schlagzeug-Beats mit selbstbewussten Anspruch für sich und ihre Gegenwart.

Eine Szene, in der sich die Friends of Gas mit deutschen Texten, die in fragmentarischen Sätzen von Sängerin Nina mit einer seltsam heiseren Stimme mehr postuliert als gesungen werden, wieder finden. Doch irgendwo schlummert in den Friends of Gas ein wenig mehr Lust an der Eskalation. Etwa wenn Schlagzeuger David Ortiz die Half-Time-Beats mit einer fast beängstigenden Wucht in sein Instrument drischt. Oder sich aus einer atonalen Akkord-Folge und einem noisigen Bass plötzlich ein Refrain-artiger Groove enthebt, werden sie der zweiten Bedeutung ihres Bandnamens gerecht: Nicht nur die Flüchtigkeit eines Gases schwingt da mit, auch die englische Bezeichnung für Benzin oder Sprit lautet Gas.  Rita Argauer
 
Stil: Post-Punk, NDW
Besetzung: Nina Walser (Gesang), Thomas Westner (Gitarre), Veronica Burnuthian (Gitarre), Martin Tagar (Bass), David Ortiz (Schlagzeug)
Aus: München
Seit: 2014
Internet: www.friendsofgas.tumblr.com, www.facebook.com/friendsofgas

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Rita Argauer ist die Musik-Expertin der Junge-Leute-Seite. Sie ist nicht nur ständig auf der Suche nach neuen Münchner Bands und deswegen in den Clubs dieser Stadt unterwegs. Sie kennt die Szene auch von der anderen Seite: Sie singt und spielt Keyboard in der Band Candelilla.

Pollyester (Post-Punk, Wave, Disko)

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Synthetisch wie der Kunststoff: Pollyester.

Polyester: Ein synthetischer Kunststoff – und synthetisch klingt auch die Musik von Pollyester: elektronisch und discolastig. Doch das Duo spielt mit analogen Instrumenten. Sängerin und Bassistin Polly Lapkovskaja ist ursprünglich aus Weißrussland – und kam nach München, um Musik zu studieren. Doch schnell beschäftigte sie sich mehr mit der Popszene der Stadt. So wirkte sie bei den Verkleidungsdisco-Veranstaltungen der Zombo Kombo in der Registratur mit. Oder stieg als Bassistin bei der Münchner Kultband Kamerakino ein. Mit dem Schlagzeuger Manuel da Coll startete sie vor vier Jahren ihre eigene Band: Pollyester. Die Musik ist reduziert auf Pollys Bass und Manuels akzentuiertes Schlagzeug – und klingt, als seien mehrere Computer und Synthesizer am Werk. Über den beatlastigen Grundsound singt sie mit einer ganz eigenen Stimme – sehr versponnen und monoton; aber gleichzeitig eingängig. Im Videoclip zum Song „Round Clocks“ findet diese Monotonie eine visuelle Umsetzung: Polly sitzt auf efeubewachsenem Boden – Grün dominiert das Bild. Das einzige, was sich verändert, ist die Zeitebene. Mal wachsen die Pflanzen im Zeitraffer – dann wirkt die Szenerie plötzlich, als hätte sich die Jahreszeit verändert; und fällt schließlich zurück auf das Anfangsbild. Zu sehen ist das im Internet auf www.myspace.com/pollyesterskoshka.

Stil: Post-Punk, Wave, Disko

Besetzung: Polly Lapkovskaya: Bass, Gesang. Manuel da Coll: Schlagzeug

Aus: München

Seit: 2007

Internet: www.myspace.com/pollyesterskoshka

Von Rita Argauer