Marietta Jestl

Von Freitag bis Freitag München: Unterwegs mit Marietta

Unsere Autorin Marietta versucht, dem Weihnachts-Wahnsinn zu entfliehen, und geht auf Deathcore- und Metal-Konzerte. Aber wer weiß: Vielleicht holen die Weihnachts-Specials sie in einer ihrer Lieblings-Bars auch wieder ein? 

Von Marietta Jestl

Die Vorweihnachtszeit ist eine seltsame Jahreszeit. Alle schwelgen entweder in ungeahntem Kitsch-Wahn, hören plötzlich grauenhafte Weihnachts-Playlists oder verfallen in Anbetracht des nahenden Jahresendes in melancholische Nostalgie. Die Leute bilden sich ein, ihr schnelllebiges Dasein könne auf einmal kurz vor Jahresende noch schnell gebremst werden – von Reunions mit alten Kindheits-Freunden bei Tee und Plätzchenbacken oder romantischen Christkindlmarkt-Besuchen, wo man dann gedrängt wie in einer U 6 zur Münchner Rush Hour mit kalten Füßen eine zu heiße Feuerzangenbowle schlürft. Zum Kotzen.

Ich versuche, dem ganzen Wahnsinn jedes Jahr zu entfliehen. Am besten klappt die Ablenkung vom Weihnachtsstress mit Konzertbesuchen, denn die finden bei mir sowieso das ganze Jahr über statt und dieses Wochenende warten so einige.

Am Freitag feiert meine befreundete Band Harvest Their Bodies im Feierwerk ihren EP-Release. Für Fans der härteren Genres ist der slammige Deathcore der Münchner Band auf jeden Fall eine Empfehlung wert. Insbesondere ballert er jeden Weihnachtskitsch von eurer Fensterbank.

Für die Fans der poppigeren Musik und vor allem für die, die eine sinnvolle Bewältigungsstrategie der Vorweihnachtsnostalgie suchen, findet am Samstag eine Pflichtveranstaltung für SZ-Leser statt: Ein Benefizkonzert, von dem sämtliche Eintrittsgelder an den SZ Adventskalender gehen, der durch verschiedene Spendenaktionen Gelder für Bedürftige in München sammelt. Jacob Brass, Malik Harris und COSBY werden den Abend mit Musik füllen. In Anbetracht solcher Aktionen finde ich Weihnachten dann doch nicht mehr ganz so doof.

Nachdem ich meine Spende abgeliefert habe, komme ich aber trotzdem nicht um meine gewohnte Metal-Beschallung herum – denn auf den Tech Trek der Band Archspire freue ich mich schon seit Monaten.

Wer zur Weihnachtszeit kontaktfreudig ist, kann am Sonntag nachmittags in der Glockenbachwerkstatt vorbeischauen. Hier findet ein Open Stage Impro-Theater statt. Mit Anmoderation, aber maximaler Selbstbeteiligung. Interaktion ist also erwünscht! Mir selbst ist dann doch die stumme Art der Interaktion in Moshpits lieber, an diesem Abend haue ich mir das neue Knocked Loose Album um die Ohren.

Das Wochenende war anstrengend, die weihnachtliche „Besinnlichkeit“ habe ich mir erfolgreich aus dem Kopf pusten lassen. Am Montag brauche ich also eigentlich eine Erholung, aber alleine zu Hause sitzen, macht die winterliche Depression auch nicht besser – ich schaue also beim Release-Abend der 4. Ausgabe des neuen Literatur Zines „Kopierwerk“ der Münchner HFF vorbei. Es werden Kurzgeschichten vorgelesen und vermutlich Glühwein getrunken, das reicht auf jeden Fall, um die Laune hoch zu halten.

Die Laune soll ja weiter oben bleiben, und am Dienstag findet im Bahnwärter Thiel mal wieder die Stand-Up Comedy Bühne „Entgleist“ statt. Ich erweitere also mein Ablenkungsmanöver vom Weihnachtswahnsinn mit einem Abend zynischer Comedy.

Am Mittwoch komme ich dann nicht um ein bisschen Jahresende-Nostalgie herum, denn wir von der SZ Junge Leute-Redaktion feiern unsere Jahresabschlussfeier. Das Weihnachtsgedöns hält sich jedoch zum Glück in Grenzen, nur eine einzige Tradition haben wir perfektioniert – Musikwichteln! Wer unglücklicherweise noch nicht bei uns in der Redaktion ist, kann sich heute gefälligst selbst eine Veranstaltung raussuchen (sorry)!

Am Donnerstag findet dann die erste Ausgabe einer neuen Veranstaltungsreihe statt, bei der ich gespannt bin, was daraus noch wird. Das Lothringer13_Florida ruft ein neues Event namens SYLA (kurz für „Support Your Local Artist“) ins Leben.  Das Konzept: eine Reihe von Künstlern und Künstlerinnen stellen ihr „Piece“ vor, dafür haben sie nur fünf bis zehn Minuten Zeit. Hierbei gibt es keinerlei Einschränkung: vom Objekt über Film und Musik, bis hin zum Gebäck oder einer einfachen Idee ist alles erlaubt. Ich mag die simple Konzentration auf die Vernetzung lokaler Künstler.

Trotz all der Ablenkung rückt auch am Freitag Weihnachten noch immer gefährlich näher, und es ist kaum mehr möglich den ganzen Special-Events zu entkommen. Sogar meine geliebte TAM TAM Bar macht ein Weihnachts-Special. Da ich den Machern hier aber vertraue, dass so etwas mit einer gesunden Portion Humor genommen wird, lasse ich mich hier ausnahmsweise darauf ein und feiere hier ins Wochenende hinein. Nach dem ersten Glas Wein ist eh wurscht, ob’s nun Weihnachten ist oder Ostern oder gar nix.