In München hat sich eine junge Comedy-Szene etabliert – acht Kurzporträts
1 Sebastian Ulrich
Sebastian Ulrich, 26, tritt so häufig als Comedian auf, wie er kann. Überraschenderweise stellte sich dabei heraus: „Stand-up funktioniert am Drei-Meter-Brett wesentlich schlechter als erwartet“, sagt er. Stattdessen klappt es aber recht gut auf der Comedy-Bühne „Ja und Weiter“ in der Holzkranich Bar, die er vor zwei Jahren mitbegründete und die er auch moderiert. Außerdem hostet der junge Comedian den Podcast „Ist das ein Bit“ zusammen mit seinem Kollegen Johannes Steisslinger. In seiner verbleibenden Lebenszeit nervt er jeden, der seinen Weg kreuzt mit seinen unerbittlichen Witzen. Und da wird vor niemandem Halt gemacht. Sebastian schwört: „Einmal dachte ich wirklich, meinem besten Freund fällt gleich das Auge raus“ – was mit Augenrollen so alles möglich ist. Larissa Kahr
2 Natan Bilga
Mit einem E-Book übers Witzeschreiben hat Natan Bilgas Comedykarriere vergangenes Jahr begonnen. Erst erlernte er die Theorie, bevor er angefangen hat, seine eigenen Ideen für die Bühne umzusetzen. Als Newcomer in der Szene tastet sich der 20-Jährige noch an seinen eigenen Stil heran. Er weiß aber, dass seine Herkunft und sein Umfeld sich darin immer widerspiegeln: „Ich bin ein Einwandererkind, das hier lebt, und bin bilingual aufgewachsen. Gleichzeitig bin ich auch ein Kind des Internets und wurde vom Hip-Hop sozialisiert. Das alles spielt zusammen und macht den Mix aus, der ich bin.“ Und das spürt man auch in seinen Auftritten. Zusammen mit seinem Freund Arseniy Pavlenko veröffentlicht er wöchentlich den Unterhaltungspodcast „Generell Geldwäsche“. Aylin Dogan
3 Nick Schmid
Nick Schmid, 25, ist ein Schreier. Ein Brummer. Ein Jauler. Wenn der Comedian sein Publikum zum Lachen bringen will, dann mit seiner Stimme, mit der er mal nervige Fahrgäste im Flixbus imitiert, mal den Sound eines vibrierenden Nokia-Handys nachahmt. Sein Bruder ermutigte ihn zu Stand-up-Comedy. „Ich fand diese Kunstform unheimlich cool“, sagt Nick, „es war so beeindruckend, dass einfach nur ein Mensch mit einem Mikrofon auf der Bühne steht und die Leute zum Lachen bringt.“ Aufgetreten ist er anfangs bei offenen Bühnen in München, später bei Formaten wie NightWash oder dem Quatsch-Comedy-Club. In München hostet er jeden Mittwoch gemeinsam mit seinem Freund Bilal Mohammed das Lola-Land-Open-Mic, nun startet er sein erstes Soloprogramm. Carolina Heberling
4 Johannes Steisslinger
Ob für Jan Böhmermann, die Kabarettsendung „SchleichFernsehen“ oder das Youtube-Format „Walulis“ – Johannes Steisslinger, 26, schreibt schon lange Witze für andere. Seit Anfang 2019 nutzt er sein Talent auch für sich selbst und tritt regelmäßig auf. Die Autorenarbeit hat ihn einiges an Erfahrung gelehrt, besonders was die Originalität der Witze angeht: „Ich spreche grundsätzlich über Themen, die mich interessieren und noch nicht so abgegrast sind wie Tinder. Ich suche mir lieber Nischenthemen und habe etwa Witze über Badebomben, selbstreinigende Toiletten und Fußmatten.“ Um in der Branche erfolgreicher zu werden, übt er sich wöchentlich mit Kollege Sebastian Ulrich im Podcast „Ist das ein Bit?“ an neuen Witzen. Und nebenher studiert er noch Jura – ganz ohne Witz. Aylin Dogan
5 Ana Lucía
Ana Lucía Cruz Saco Lesevic, 21, will die Zuschauer nicht mit ihrem Mammut-Namen verwirren. Deshalb kündigen die Münchner Comedy-Bühnen sie einfach als Ana Lucía an. Ihr Weg in die Welt des Comedy war vorbestimmt: Von der Rednerin der Abschlussklasse, der Moderation des Abi-Balls bis zu den ersten Besuchen des „Ja & Weiter“-Open-Mics reizte sie das „Wahnsinnsgefühl, Leute zum Lachen zu bringen“. Deshalb steht sie jetzt so oft es geht auf der Bühne – wenn sie nicht an der LMU Kommunikationswissenschaft und Psychologie studiert. An die drei Auftritte können es in einer Woche sein. „Es ist einfach der beste Adrenalinkick, den ich kenne. Beim Skifahren habe ich Angst um mein Leben, bei Comedybühnen habe ich Angst um meine Würde“, sagt sie. Larissa Kahr
6 Alexander Steinberger
Alexander Steinberger, 28, betreibt seit Anfang März zusammen mit dem Comedian Anuschey die Kolibri-Komedy-Bühne in der Schwabinger Lebenslust. Donnerstags hat hier jeder Freiwillige sieben Minuten Zeit, das Publikum zum Lachen zu bringen. Steinberger moderiert nicht nur, sondern tritt auch selbst auf Münchens Open-Mic-Bühnen auf. Und weil Humor nicht nur Stand-up ist, kuratiert er mit Erik Erdelt auch noch den Instagram-Account @hausmausverlag. Für Alexander ist dieses Projekt „ein Tritt in die Kniekehle des Intellekts und die Gegenbewegung zu einer Vielzahl schmalziger (Insta-)poeten“. Dort sind Auszüge aus den tatsächlich existierenden Lyrik-Bänden „Prost Wecker! Gesammelte Pimmelwitze“ und „Gedichte, die es nicht geschafft haben“ zu lesen. Lena Bammert
7 Hani Who
Hani Who ist nur ein Künstlername. Aber dass man ihn nur noch unter diesem Namen kennt, spricht für seine Comedy-Laufbahn. Zusammen mit Michael Mauder veranstaltet er jeden Montag die Open-Mic-Comedy-Session „Comedy für Freunde“ in der „Für Freunde“-Bar. 1995 geboren, kam Hani 2010 nach Deutschland, genauer: nach Garmisch-Partenkirchen und lernte erst hier die Sprache. Dass er Witze über das Fremdsein in Deutschland und die Eigenheiten der „neuen“ Sprache macht, kennzeichnet sein Auftreten genauso wie sein markanter Dutt und seine dünne, runde Brille. Hauptberuflich arbeitet er als Erzieher. Sein großer Wunsch ist es, Kindern und besonders Mädchen in Afghanistan Bildung zu ermöglichen. Mit bürgerlichem Namen heißt Hani übrigens Hamid Nikpai. Max Fluder
8 Michael Mauder
Am 8. Mai 2016 sitzt Michael Mauder, 26, nervös in einem Zug nach Stuttgart, um sich einen Traum zu erfüllen: als Stand-up-Comedian auf der Bühne zu stehen. Der Auftritt funktioniert. Seit jenem Tag hat Michael in München und auch deutschlandweit mehr als 150 Auftritte gespielt und einige Comedy Slams gewonnen. Über die Jahre hat sich Michael zu einem wichtigen Akteur in der wachsenden Münchner Comedyszene entwickelt: Er ist als Moderator von Comedyshows tätig, hat eine Comedy-Talkshow, den „Sonntag Abend Brunch“ und mit der „Comedy Schorle“ ein Halbsolo-Format ins Leben gerufen. Außerdem führt er den Interview-Podcast „Warum Stand-up?“ und arbeitet als Autor für das YouTube-Format „Walulis“. Klingt nach viel Arbeit? „Die beste Art von busy“, sagt Michael. Amelie Völker