Wenn es um Musik geht, wird München niemals müde: Beim „Sound Of Munich Now“-Open-Air
feiern am Ende 2500 Zuhörer ihre Bandszene.
Von Maximilian Mumme (Text) und Florian Peljak (Fotos)
Indie auf links, Hip-Hop auf rechts. Eine zarte Stimme wieder auf links. Doch immer mit beiden Ohren offen. Für Neues und Altes, Lautes und Leises, Mitreißendes und Herzzerreißendes. Sieben Stunden wird ohne Pause getanzt, gesprungen, dann andächtig gelauscht, dann wieder wie in Ekstase gefeiert.
„Es ist ein bisschen wie ein Klassentreffen“, beschreibt Katrin Bobek, Sängerin von The Moonband, das „Sound of Munich Now“-Open-Air. Doch wie eines der ganzen Schule. Alte Absolventen, die vielleicht gar selbst schon Lehrer sind, treffen auf frisch eingeschulte Newcomer. Urgesteine treffen auf die Zukunft der Münchner Szene. Denn zum zehnten Geburtstag des Festivals wurden die beliebtesten Bands der vergangenen neun Episoden noch einmal eingeladen. Unter einer Bedingung: Die Bands sind nach wie vor in München aktiv.
So etwa Elektrik Kezy Mezy. Das Garage-Rock-Duo hatte seinen Auftritt schon bei der allerersten Ausgabe des „Sound of Munich Now“ im Jahr 2009. Seitdem ist viel passiert, doch sowohl die Spielfreude der beiden Musiker als auch der Anklang beim Publikum scheinen unverändert zu sein. So ist es für das Duo – oder besser gesagt Trio dank ihres etwas sonderbaren Bühnengasts im Tigerbademantel – ein Leichtes, den Alten Messeplatz ein weiteres Mal zum Herumspringen zu motivieren.
Zuvor haben das schon die Stray Colors geschafft, die mit ihrem Balkan-Sound ebenfalls zu den Routiniers unter den Münchner Bands zählen. Trotz praller Sonne und einer Temperatur über 30 Grad, was man für Tanzmusik wohl als „widrige Bedingungen“ bezeichnen kann, sammelt sich vor der eigens für den Sound of Munich Now konstruierten Doppel-Bühne eine immer größer werdende Menge an Musik-Freaks. Am Ende sind es 2500 Zuhörer, die Münchens Musikszene feiern.
„Wir versuchen mit dem Festival nicht, den Sound of Munich zu definieren, sondern die Vielfalt darzustellen“, erklärt Moderatorin Julia Viechtl von der Fachstelle Pop zu Beginn das Konzept, bevor die Münchner Newcomer LVNG den Startschuss für das Festival geben. Auch Stray Colors-Sänger Rüdiger Sinn ist begeistert. „Es ist schön, um sich einen Überblick zu verschaffen“, sagt er. Denn wie es sich für ein Klassentreffen gehört, sind er und seine Band nicht nach ihrem Auftritt nach Hause gegangen, sondern unterstützen bis zum Schluss die nachfolgenden Konzerte. So signiert Bandkollege Zlatko Pasalic am Merchandise-Stand die neu erschienene CD, während auf der Bühne gerade Liann das Publikum zum Mitsingen animiert.
Das Klassentreffen beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Musiker untereinander. So schwärmt Besucherin Annie Kerner, 33: „Ich kenne den Rüdiger schon aus Schulzeiten. Und die Theresa Chanson, mit der habe ich mal zusammen gewohnt.“ Auch Marie Lynen, die wegen Tiger Tiger, Blek Le Roc und Dobré gekommen ist, erzählt: „Tiger Tiger ist eine Kundin bei uns im Laden. Da haben wir uns mal länger unterhalten und sind darauf gekommen, dass sie Musik macht.“ Wie Marie hat sich auch Josef Klingl, 15, seinen Favoriten bereits im Voraus ausgesucht: „Ich wollte einfach meine Lieblingsband sehen, weil ich die schon länger nicht gehört habe: The Marble Man.“
Viele andere Besucher hingegen sind gekommen, um neue Musik zu entdecken. So auch Sabrina Litz, 26, und Kerstin Roth, 25: „Dauernd nur Radiomusik, das ist doch immer das Gleiche. Einfach mal frische Musik zu hören, und das an einem solchen Tag, besser geht es doch gar nicht.“
Und frische Musik gibt es auf dem „Sound of Munich Now“ unterbrechungsfrei und im 15-Minuten-Takt. Für besonders viel Begeisterung sorgen die 15 Minuten von Taiga Trece, die mit Hip-Hop in drei verschiedenen Sprachen den Abend des Festivals einläutet. „Ich kam ohne Erwartungen her, aber Taiga Trece hat mich weggeföhnt“, erzählt Martin aus Berlin, der eigentlich in der Deutschpunk-Szene unterwegs ist. Auch Leon Apostropoulos, 28, ist bei der Rapperin, die in Mexico aufgewachsen ist, voll auf seine Kosten gekommen: „Ich stehe auf Hip-Hop, der cross-kulturmäßig Sachen miteinander vermischt“.
Die Hitze wird erträglicher, die Scheinwerfer der Bühnen können sich langsam gegen das Tageslicht durchsetzen, als Exclusive als drittletzte Band des Abends das Rampenlicht betritt. Für sie ist es der erste Live-Auftritt nach längerer Schaffenspause. Doch davon ist nichts zu merken, der Auftritt ist routiniert, als wären sie gerade von einer Tournee zurückgekehrt.
Den Abschluss eines musikalischen Feuerwerks aus 20 Bands liefern die Ska-Veteranen von Bluekilla, die bereits seit 1990 zusammen Musik machen, mehrere Alben veröffentlicht haben, in der Zeit aber immer ihrer Heimat München treu blieben. Ein wunderbares Zeichen dafür, dass München eben doch Spielort für erfolgreiche Bandgeschichten sein kann.
Und damit nicht genug. Denn auf der Aftershow-Party im Feierwerk gesellen sich die Austauschschüler zum Klassentreffen. Auf der Bayern-Bühne in der Hansa 39 beweisen vier Bands, dass auch Augsburg, Regensburg, Traunstein und Erlangen hervorragende Musik zu bieten haben. Nebenan in der Kranhalle zeigt die Parallelklasse vom „Sound of Munich Now Electronica“, was die Münchner DJ-Szene zu bieten hat. Bis in die frühen Morgenstunden wird hier zu Techno, Deep House und Dance-Musik gefeiert. 700 Fans lassen sich die Mitternachts-Show nicht entgehen. Dass das nach sieben Stunden Open Air überhaupt noch möglich ist, zeigt eines unverkennbar: Wenn es um Musik geht, wird München niemals müde.