Wie ist es für Geschwister, wenn beide künstlerisch aktiv sind? Fünf Geschwisterpaare aus der Münchner Musikszene erzählen im Gespräch wie die gemeinsame Leidenschaft ihre Beziehung beeinflusst.
Näher zueinander gefunden
„Auch wenn man keine Band mehr ist, lösen wir uns ja nicht einfach auf“, sagt Amelie Fleur Geiss, 25, über die Verbindung zu ihrer Schwester Isabelle Julie Geiss, 22. Zusammen standen die beiden als Fleur en Fleur auf vielen Münchner Bühnen. Als Isabelle für die Schauspielerei nach Köln ging, fand das gemeinsame Musikprojekt ein vorübergehendes Ende. Zusammen Musik machen sie aber auch heute noch. Das sei schon immer so gewesen, sagt Isabelle: „Ich habe mir da bestimmt auch vieles abgeguckt. Wenn Amelie Geigenunterricht hatte, dann wollte ich das auch.“ Von Amelie habe sie auch gelernt, sich nicht vom eigenen Willen abbringen zu lassen und an sich zu glauben. Durch die Musik hätten sie noch näher zueinander gefunden. Jetzt tritt Amelie als Dani Delion solo auf. Doch wenn Isabelle in der Stadt ist, stehen sie gemeinsam auf der Bühne.
Foto: Nevyan Lenkov
Neues wagen
Ihren ersten gemeinsamen Auftritt hatten Dan und Tim Robb zum 80. Geburtstag ihrer Oma. „Alle hatten ein krasses Geschenk, nur wir nicht. Also dachten wir uns, wir machen was zusammen: Freestyle-Rap und Stepptanz“, sagt Dan Robb, 28. Zuvor hatten die Brüder ihre Leidenschaften nur für sich verfolgt. „Stepptanz als Musikinstrument habe ich dann erst mit Dan entdeckt“, sagt Tim. Die Brüder eint die Liebe zur Improvisation. Wie Dan beim Freestyle, setzt auch Tim beim Tanzen auf sein Gefühl. Daraus entstand ihr Musikprojekt Swango. Ihre Verbindung als Brüder? Eine Bereicherung, sagt Dan: „Mein Bruder kommt auf Ideen, auf die ich selbst nie kommen würde.“ Schon ihre Eltern hätten sie dazu ermutigt, sich an etwas Verrücktes, Neues zu wagen. „Das zusammen zu machen, ist ein besonderes Band, das uns noch mehr verbindet“, sagt Tim.
Foto: David Weichelt
Aufeinander zählen
Sie kamen von der Schule nach Hause und haben Musik gemacht. „Wir dachten uns damals: Schreiben wir einen Song und gründen eine Band“, sagt Lena Haslberger. Gemeinsam mit ihrer Schwester Sophie Haslberger, beide 21, habe sie an diesen Nachmittagen von der großen Bühne geträumt. Gerade mal 12 Jahre alt waren sie, als sie Sweet Lemon gründeten. Mittlerweile ist daraus ein ernst zu nehmendes Projekt geworden. Sophies Herz schlägt für Jazz. Lena hört lieber Indie-Pop. Beim gemeinsamen Songwriting versuchen sie, beide Vorlieben zusammenzubringen. „Klar streiten wir da auch mal, dann vertragen wir uns aber immer wieder schnell“, sagt Lena. Sie sind sich nahe, können aufeinander zählen. Das mache vieles einfacher, wie Lena sagt: „Wenn wir zusammen singen, reicht ein Blick, und wir wissen, was wir tun müssen, damit alles passt.“
Foto: Malte Goy
Die gleichen Interessen
„Wir haben Musik zusammen entdeckt.“, sagt Sofia Lainovic, 20. Sie und ihr Bruder Philip Lainovic, 16, kommen aus einem eher unmusikalischen Haushalt. „Nur Metal lief den ganzen Tag in unserer Wohnung. Unser Vater liebt diese Musik“, sagt Sofia. Eine Leidenschaft, die auch auf Philip übersprang. In seiner noch jungen Band Ascendancy kann er seine Vorliebe für laute E-Gitarre voll ausleben. Steht er mit seiner Schwester auf der Bühne, lässt er ihrer souligen Stimme Raum. Und er hilft Sofia auch beim Produzieren von Musik und Videos. Für Philip selbstverständlich: „Wir teilen die gleichen Interessen und sind ja sowieso immer zusammen.“ Sofia ist stolz auf ihren jüngeren Bruder. Und dankbar: „Ich bin oft schüchtern. Mit Philip an der Seite kann ich mich entspannen und wir können uns ehrlich austauschen, auch wenn mal etwas nicht passt.“
Foto: Denise Müller
Respekt und Vertrauen
„Anfangs hatte ich Bedenken, ich würde ihn ausnutzen“, sagt Vincent Crusius, 25. Oft musste sein Bruder Leon Crusius, 23, als Bandfotograf herhalten. Gestört habe ihn das nie. Die Zusammenarbeit unter Brüdern war für Leon schon immer naheliegend. „Als ich das erste Mal mit auf Tour ging, kannte mich schon jeder. So ist es auch für die Künstler angenehmer, fotografiert zu werden. Es ist wie unter Freunden zu sein“, sagt Leon. Als Schlagzeuger ist Vincent unter anderem mit FergeXFisherman oder Mundhaarmonika unterwegs. Leon hat als Fotograf auch eigene Projekte und doch ist er oft an Vincents Seite. „Sein Feedback ist das ehrlichste. Nicht nur wegen seiner fotografischen Expertise, sondern auch, was Musik betrifft“, sagt Vincent. Sie genießen das gemeinsame Arbeiten. Vertrauen, Respekt, neue Möglichkeiten.
Foto: privat
Texte: Laura Wiedemann