„Kulturkonsum – Konsumkultur“ heißt die Ausstellung von Tolga Bölükbasi (links) und Konstantin Molodovsky Foto: Alessandra Schellnegger

Die Nudel auf dem Podest

Brot, Gemüse, Kunst: Konstantin Molodovsky, 22, und Tolga Bölükbasi, 23, haben sich für ihre Bachelorarbeit mit Kultur und Konsum auseinandergesetzt. Nun ist ihre Pop-up-Ausstellung in einem Discounter zu sehen.

Interview: Johanna Schmidt

Die Architekturstudenten Konstantin Molodovsky, 22, und Tolga Bölükbasi, 23, haben sich für ihre Bachelorarbeit mit Kultur und Konsum auseinandergesetzt. Das Ergebnis dieser Aufarbeitung wird alsPop-up-Ausstellung für einen Tag in einem Supermarkt zu sehen sein: „Kulturkonsum – Konsumkultur“. Es geht um Umweltverschmutzung, Ressourcen-Verschwendung und Subkultur, die vom Mainstream eingenommen wird. Der Supermarkt als Ausstellungsort soll Kunst dabei auch niedrigschwellig zugänglich machen und jungen Kunstschaffenden einen Ort bieten, an dem ihre Werke gesehen werden können.
SZ: Die Ausstellung ist eure Bachelorarbeit im Architektur-Studiengang der TU München. Nach Architektur klingt das Ganze aber erst einmal nicht.
Tolga Bölükbasi: Die TU ist eigentlich sehr technisch orientiert. Aber wir versuchen, so künstlerisch zuarbeiten, wie es eben möglich ist. Vor allem der Städtebau-Lehrstuhl, an dem wir momentan sind, ist relativ jung. Die Art und Weise, wie dort gelehrt wird, ist sehr offen. Und das Thema in unserem jetzigen Semester ist auch „Interventionen im Stadtraum“. Durch diese Intervention soll sich im besten Falle etwas im urbanen Raum entwickeln.
Und so kamt ihr auf euer Ausstellungskonzept?
Tolga Bölükbasi: Ja. Der Grundgedanke war erst einmal, den Künstlern während der Pandemiezeit einen Raum zu geben, in dem sie ihre Kunst ausstellen können. Alle Museen und Galerien hatten ja geschlossen. Außerdem sahen wir die Online-Ausstellungen, die es stattdessen gab, eher kritisch.
Warum?
Tolga Bölükbasi: Online kann man das, was einen nicht interessiert, einfach wegklicken. In einer Galerie aber läuft man an diesen Dingen vorbei und nimmt sie wahr. Außerdem ist es natürlich schwer, Räumlichkeit im Zweidimensionalen, also online, wahrzunehmen. Ihr möchtet mit eurer Ausstellung Konsum kritisieren.
Warum wählt ihr dann gerade einen Supermarkt dafür aus?
Konstantin Molodovsky: Tatsächlich kam die Frage des Ortes erst auf, als das Thema bereits feststand. In der Zeit des Shutdowns haben wir uns die Frage gestellt, an welchem Ort wir überhaupt ausstellen können. Und das, was immer geöffnet hat, sind Supermärkte. Außerdem kommen die Menschen dort automatisch hin.
Also anders als im Museum.
Konstantin Molodovsky: Ja, genau. Im Supermarkt interessieren sich einige dafür, andere wiederum nicht. Aber jeder braucht etwas zu essen. Wir wollten, dass die Ausstellung erst einmal für jeden zugänglich ist.
Und dann?

Konstantin Molodovsky: Was wir versuchen, mit dieser Ausstellung zu bewirken, ist, junge Künstler in den Supermarkt zu bringen und Kunst für jedermann zugänglich zu machen. Wir sehen das jetzt erst einmal als Experiment.

Experiment? Was meint ihr damit?

„Eigentlich sollte Kultur befreit sein von allem Kapitalistischen.“
Tolga Bölükbasi: Vielleicht kann man durch solche Pop-up-Events erreichen, dass man auch im Supermarkt Kunst zeigen kann. Also an einem Ort, der für alle zugänglich ist. Denn viele Menschen besuchen vielleicht nie eine Ausstellung oder eine Galerie, weil das Ganze auch teilweise ein eher versnobtes Image hat. Und wenn unsere Ausstellung jetzt dazu führt, dass so etwas auch in anderen Supermärkten stattfindet – und sei es nur eine Fotowand – dann wären wir schon sehr glücklich.
Aber eine Ausstellung ist mehr als eine Fotowand.
Tolga Bölükbasi: Ja, aber durch eine Supermarkttür laufen am Tag hunderte Menschen, also auch hunderte potenzielle Betrachter von Kunst. Außerdem muss man das Ganze ja vielleicht auch nicht unbedingt einordnen. Die Ausstellung ist eben, was sie ist. Und wenn da eine Nudel auf einem Podest liegt, dann liegt sie eben da.
Wie kann man sich das Konzept der Ausstellung denn im Supermarkt vorstellen?
Konstantin Molodovsky: In unserer Ausstellung wollen wir alles ein bisschen umdrehen. Wir wollen Werke, die in Galerien viel Platz einnehmen, in Supermarktregalen zeigen. In der Tiefgarage des Supermarktes allerdings werden die zehn meistverkauften Waren des Marktes auf Podesten ausgestellt zu sehen sein.
Was wird denn bei euch ausgestellt?
Konstantin Molodovsky: Zum Beispiel werden an den Wänden Bilder eines Künstlers aus LA hängen. Der hat Familien in dem Müll fotografiert, den sie in sieben Tagen produzieren. Und zwischen den Rolltreppen gibt es einen Freiraum, den wir mit den Kassenzetteln, die seit der Bonpflicht umsonst ausgedruckt worden sind, befüllen werden. Tolga Bölükbasi: Ansonsten wird es Texte, Installationen, Fotos, aber auch Skulpturales zu sehen geben. Die Künstler kommen dabei aus München, aber auch aus der Türkei, den USA oder Australien.
War es denn Kriterium bei den angefragten Künstlern, dass sie sich mit Konsum auseinandersetzen?
Tolga Bölükbasi: Ein Großteil der Künstler hat die Werke konkret für diese Ausstellung angefertigt. Dasind dann auch Künstler dabei, die sich sonst nicht mit diesem Thema auseinandersetzen. Es gibt Werke, die Konsum kommentieren, kritisieren oder auch dokumentieren.
Was bedeuten die Begriffe Kulturkonsum und Konsumkultur für euch?
Konstantin Molodovsky: Konsumkultur ist das, was wir täglich tun. Tiefkühl-Pizza in den Ofen werfen, weil wir angeblich keine Zeit haben, etwas zu kochen. Also Konsum ohne die Auseinandersetzung mit dem, was konsumiert wird. Dieses Verhalten beobachte ich auch an mir selbst. Und Kulturkonsum entsteht für mich dann, wenn etwas, was einem kleinen Kreis bekannt ist, plötzlich den Weg in den Mainstream findet und sich seinem neuen Publikum anpasst.
Tolga Bölükbasi: Eigentlich sollte Kultur befreit sein von allem Kapitalistischen. Aber dann kann Kultur nicht mehr funktionieren, weil sie auch auf Geld angewiesen ist.
Wie könnten denn Kultur und Konsum besser nebeneinander funktionieren?
Konstantin Molodovsky: Wenn für Kunst generell ein Preis festgelegt wird, wird auch ein Status festgelegt. Wenn Menschen für Kunst das bezahlen würden, was sie eben bereit sind zu zahlen, könnte sich einiges ändern.
Die Vernissage findet am Freitag, 24. Juli, von 18 Uhr an in der Tiefgarage vom Edeka Hertscheck in Neubiberg statt.