Verwechslungsgeschichten oder Gags, in der Menschen plötzlich doppelt auftauchen – die Filmbranche braucht Zwillingsschwestern wie Klara und Maria Wördemann. Auch im richtigen Leben haben sie schon mal die Rollen getauscht
Von Giordana Marsilio
Sie stehen Gesicht an Gesicht. Nur einen Atemzug voneinander entfernt. Das Profil der Nasen, die Lippen, die Konturen der Gesichter – sie sehen verblüffend ähnlich aus. Fast, als würde eine junge Frau vor einem Spiegel stehen. Aber es gibt keinen Spiegel auf der Probebühne der Kammerspiele, nur Klara und Maria Wördemann, Zwillingsschwestern, die sich in die Augen sehen und für ihr Absolventenvorsprechen spielen. Die Schwestern sind 23 Jahre alt und kommen aus Dresden. Sie werden in diesem Jahr ihr Schauspielstudium an der Otto-Falckenberg-Schule abschließen.
Jedes Jahr bewerben sich zwischen 500 und 700 Interessenten bei dieser Schule, zum Vorsprechen kommen 400 bis 500 angehende Schauspieler, aber nur elf bis zwölf werden pro Jahrgang schließlich aufgenommen. Kurz: Die Chance, einen Platz zu bekommen, ist nicht sehr hoch. Die Konkurrenz ist groß, vor allem wenn noch jemand auftritt, der genauso aussieht wie man selbst. Die Aufnahmeprüfung verläuft in drei Phasen, die viel von den Bewerbern fordern. Die letzte Phase dauert drei volle Tage, damit die Dozenten direkt und intensiv mit den Kandidaten arbeiten können. Unter ihnen waren auch Klara und Maria. Sie konnten die Jury der Otto-Falckenberg-Schule überzeugen. Womit? Dazu möchte sich die Schule nicht äußern, aus „pädagogischen Gründen“; so formulieren es die Lehrer. „Wir haben mit einer doppelten Zusage nicht gerechnet“, sagt Maria. „Oft wird schon auch nach verschiedenen Typen gesucht. Das sind wir beiden natürlich nicht, aber wir sind doch unterschiedlich im Spiel.“
Schauspieler stehen oft unter dem Druck, verglichen zu werden. Gerade junge Schauspieler müssen einen Weg finden, sich aus der Masse abzuheben. Dies ist natürlich noch schwieriger, wenn zwei Zwillingsschwestern davon träumen, Schauspielerinnen zu werden. Sie haben bereits als Zehnjährige – zusammen mit zwei Freundinnen – Kurzfilme gedreht. „Wir haben begonnen, mit einer alten Kamera Szenen zu drehen“, sagt Maria. „Wir hatten keine Ahnung von Technik. Diese Filme haben wir gemacht, bis wir 19 Jahre alt waren.“ Sie haben von Anfang an immer zusammen gespielt: „Aber es ist total wichtig, die eigene Kraft zu entwickeln, um auch zusammen gut arbeiten zu können“, sagt Klara. In der Schauspielschule war es plötzlich anders. Klara und Maria wurden am Beginn der Ausbildung bewusst im Unterricht getrennt. „Wir durften nicht das schauspielerische Selbstbewusstsein zu sehr darauf gründen, dass wir irgendwie ein gutes Team sind“, sagt sie.
In der Anfangsphase der Ausbildung war es nicht leicht für beide, ohne die Unterstützung der Schwester zu spielen: „Bei dem ersten Projekt ist es mir schon schwergefallen, alleine zu sein“, sagt Klara. „Ich konnte nicht einschätzen, ob ich die Dinge gut mache.“ Maria gebe ihr immer Kritik, sagt sie, und sie verlasse sich sehr auf ihre Meinung. „Aber plötzlich war ich total auf mich alleine gestellt.“ Es sei am Anfang schwierig, jedoch auch notwendig gewesen, wie Maria heute erkennt; denn nur so konnte jede den eigenen künstlerischen Weg untersuchen.
Sie sitzen im Café Kosmos und erzählen von ihrem Studium. Maria fläzt gelassen in einem grauen Sessel. Sie hat einen Zopf, aber nicht alle Haare kann sie damit bändigen, eine Locke fällt ihr auf die Stirn. Sie trägt eine schwarze Weste, eine lila Bluse und eine schwarze Hose. Klara hingegen sitzt manierlich auf dem Stuhl, hat einen grünen Pulli und dunkle Hosen an und trägt die Haare zusammengebunden. Ihre Stimmen sind unterschiedlich: Klara hat eine tiefe und ruhige Stimme, Maria eine etwas hellere.
Zwei fast identisch aussehende Menschen – die Filmbranche braucht so etwas. Für das Werbefernsehen, aber auch für Spielfilme. Zwillinge werden hier häufig für die gleiche Handlungsstruktur engagiert: Verwechslungsgeschichte oder Gags, in der Menschen plötzlich doppelt auftauchen. Klara und Maria haben kürzlich einen Film gemeinsam gedreht, der im Sommer 2019 Premiere feiern wird: „Ich liebe alles, was ich an dir hasse“ von der Regisseurin Nadine Keil, eine Liebeskomödie frei nach Shakespeares Sommernachtstraum. Hier spielen Klara und Maria Zwillingsschwestern, logisch. Durch ein Liebeszaubergetränk verlieben sich die Figuren in die falschen Personen. Den Film zu drehen, hat ihnen viel Spaß gemacht, denn schließlich mögen sie es, zusammenzuarbeiten – und in diesem Fall fanden sie es schön, dass der Inhalt des Films erst mit dem ganzen Cast entwickelt wurde und ihre Erfahrungen als Zwillinge in das Drehbuch eingearbeitet wurden. Klar, erwartbarer Plot, trotzdem verspüren sie nicht den Druck, interessante Projekte auszuschlagen, nur weil sie als Zwillinge spielen sollen. Das ist die eine Seite, die andere: Sie wünschen sich, nicht darauf reduziert zu werden, dass sie Zwillinge sind. Weshalb sie sich überlegten, sich nach dem Studium an verschieden Agenturen anzumelden, um nicht sofort als „Die Zwillinge“ zu gelten. In Filmen wird versucht, Dinge so plausibel wie möglich darzustellen. Aus diesem Grund können Zwillinge fast nur die ausgewählte Rolle auf der Leinwand spielen. Das Theater hingegen ist anders. Ein Schauspieler kann im Theater auch ein Einhorn sein, seine Aufgabe ist es dann, diese Rolle so glaubwürdig zu spielen, dass das Publikum daran glauben kann. „Es stimmt“, stellt Maria fest. „Auf der Bühne haben wir noch nie Geschwister gespielt, es wurde immer außer Acht gelassen, dass wir Zwillinge sind.“
Klara und Maria Wördemann sind zurzeit im Residenztheater zu sehen, in der Inszenierung „Elektra“ von Ulrich Rasche. Sie gehören zum Chor. Auch ihre schauspielerische Laufbahn geht im Theater weiter: Sie haben ein Angebot vom Staatstheater Wiesbaden für die Spielzeit 2019/20 bekommen.
Die beiden werden also bald erfahren, ob es im Theater auch zu einer Verwechslungsgeschichte kommt, genauso wie damals 2015, als sie noch in Dresden gelebt haben. Maria arbeitete zu dieser Zeit als Putzfrau bei einer Familie, um sich ihr Taschengeld aufzubessern. Sie erinnert sich: „Es klingt wie in einem Film“, sagt sie. „Am Abend vor meinen Putzdienst fiel mir ein, dass ich einen anderen wichtigen Termin hatte.“ So musste die Schwester ran. „Ich zeichnete Klara einen Plan des Hauses, zeigte ihr Fotos von den Menschen, die sie dort hätte treffen können.“ Und Klara? „Ich hatte so Angst, dass ich mich auffällig verhalte. Der Familienvater war da und ich tat so, als ob ich ihn kennen würde“, sagt sie. Klara und Maria schauen sich an. Sie müssen lachen.
Amistat
Lange Haare, darauf ein großer Hut, und eine sanfte Stimme kennenzeichnen Josef. An seiner Seite steht Jan, der die Finger auf den Gitarrensaiten bewegt. Das sind die Zwillingsbrüder Jan und Jo Preisel, auch bekannt als Amistat (Foto: Dean Raphael). Jan interessierte sich schon in jüngeren Jahren für das Gitarrespielen, während Josef die Liebe zur Musik etwas später entwickelte.
Als Zwillingsbrüder zusammenzuspielen, sehen die zwei nur als Vorteil: „Auf derselben Welle zu sein, hilft natürlich beim Singen. Man kann sich zu hundert Prozent auf die andere Person verlassen. Dies ist das Allerwichtigste“, sagt Josef.
2011, nach der Teilnahme von Josef an „The Voice of Germany“ und dem gemeinsamen Auftritt bei „The Winner is“, packten die zwei Jungs aus dem Süden von München ihre Sachen und zogen nach Australien. Dort haben sie sieben Jahre lang Musik gemacht. Es gibt dazu eine zwölfminütige Dokumentation über ihr Konzert im Howler in Melbourne. Seit Januar 2019 ist ihr Plan, mit ihrer „Sons of the east-Tour“ Europa zu erobern. Ihr neues Zuhause? Mal Berlin, mal München, mal Rosenheim.
SweetLemon
Charisma und lange, blonde Haare, die sie manchmal zusammenbinden, machen die Schwestern Sophie und Lena Haselberg, 21, aus. Seit sie Kinder waren, singen und musizieren die jungen Frauen miteinander; seit sie zwölf Jahre alt sind, spielen sie als SweetLemon (Foto: Simon Gehrig) zusammen. Sophie ist Sängerin und spielt Piano, Lena spielt Gitarre und singt die Chor-Stimme. Sie merkten, dass es ihnen mit der Musik ernst ist, als sie 2014 ihr erstes Album veröffentlichten: „Inner Rhythm“.
Als Zwillingsschwestern zusammen zu spielen, ist nicht immer einfach, da man viel Zeit miteinander verbringt und das gleiche Maß an Energie und Leidenschaft in das Projekt steckt. Deshalb wollen sie beide, dass die Arbeit den eigenen Vorstellungen entspricht, aber die Musik und nicht private Dinge sollen im Fokus bleiben: „Im Endeffekt geht es um die Musik“, sagt Sophie. „Aber das Akzeptieren, dass man zu zweit Musik macht und sich somit auf den anderen einstellen muss, ist eines der wichtigsten Dinge, die man dabei lernen kann, und führt im besten Fall zu sehr guter Musik.“ Dass die beiden gut harmonieren, kann man nicht überhören.
Foto: Federico Pedrotti