Man spürt die Weihnachtsstimmung in der Stadt, trotz der Energiekrise. Unsere Autorin Valentina möchte sich diesen Diskussionen in dieser Woche fernhalten. Sie nimmt euch mit durch eine abwechslungsreiche Woche, die ganz im Motto Eskapismus steht. Viel Vergnügen!
„Hast du jetzt schon Weihnachtsdekoration dabei“, sagt ein Mann zum Verkäufer auf Bairisch. Ich bin auf dem Flohmarkt in Daglfing, die zwei Männer fangen an, über Stromkosten, Energie und die Wirtschaft zu diskutieren. In bekannter Stammtisch-Manier macht der eine einen Witz: „Musst dich halt mit einer Decke hinsetzen.“ Ich beobachte das Treiben umrundet von Weihnachtsdekoration und frage mich, wie komisch die Welt doch gerade ist. Das zeigt sich auch im Netz, auf Instagram werde ich überflutet von Spartipps und Meinungen zur Wirtschaft. Auch bei meinen Freunden und in der Familie scheint das Sparen momentan das liebste Thema zu sein. Ich lege mein Buch „Winter“ von Ali Smith, in dem es auch um Meinungen geht, zur Seite und widme mich in dieser Woche vollkommen dem Eskapismus.
Am Freitag verschlägt es mich in die Ausstellung „Embrace“ im Farbenladen. In ihr dreht sich alles um den weiblichen Körper. Er steht für die Künstlerin Mercedes Corvinus im Mittelpunkt. „To hold something tightly with both arms, to express love, affection“, wie Mercedes Corvinus ihre Kunst beschreibt. Es geht um zwischenmenschliche Beziehungen, sich selbst zu akzeptieren und der eigenen Individualität. Genau das Richtige, um in ein Wochenende zu entfliehen.
Am Samstag besuche ich in der Früh den Flohmarkt an der Daglfinger Galopprennbahn – das ist das Samstagsritual von mir und meiner Mutter. Bei einem Spaziergang über das Gelände fand ich erst kürzlich einen quitsch-gelben Beistelltisch, die ältere Dame, die den Tisch verkaufte, ließ mit sich handeln. Das ist ein Grund, warum ich den Flohmarkt so gerne besuche: Man lernt München kennen. Und findet alles von Schuhen bis hin zu ausgefallenen Büchern oder Deko-Artikeln. Der Tisch steht nun neben meinem Bett. Am Nachmittag zieht es mich dann in die Ausstellung „Dancing with my Camera“ von Dayanita Singh in der Villa Stuck. Die Künstlerin vereint ihre Beziehung zur indischen Kultur, Musik und Gesellschaft mit einer retrospektiven Fotografie. Nach einem intensiven Kuratorium gehts auf ins Café Kosmos. Mal sehen, ob ich danach noch einen Abstecher in den Club Sauna mache.
Meinen Sonntag beginne ich wie immer mit einer Tasse Café. Ich bin ein Gewohnheitsmensch. Am Nachmittag zieht es mich dann doch zu einem Spaziergang auf die Theresienwiese, das Winter-Tollwood hat begonnen. Um 15.30 Uhr tritt die Gruppe Hexagon Percussions im Hexenkessel auf. Die Münchner machen Alltagsobjekte zu Instrumenten. Anschließend führt mich mein Spaziergang weiter ins San Paolo, eine Bar und Pizzeria, betrieben von drei Münchnern. „Wer rein kommt ist drinnen“ steht bei ihnen an der Wand, assoziiert aus der Serie Kir Royal, die früher mal ein Hit war, das passt perfekt zu meinem Motto: Eskapismus.
Am Montag findet im Gans Woanders das Kulturprogramm Winterrausch mit einem Livekonzert statt. Olivia Taipa, eine Singer-Songwriterin, schafft die perfekte Atmosphäre, um den Montag mit dem ersten Glühwein und vielleicht ein wenig Weihnachtsstimmung ausklingen zu lassen.
Ich fand Poetry-Slams immer schon beeindruckend, wie die Sprecher und Sprecherinnen mit den Worten spielen und diese zu humoristischen Geschichten werden lassen. Dienstag findet im Lost Weekend eine Open Mic Poetry Night statt. Der Eintritt ist frei und das Programm vielversprechend. Zudem lernt man im Lost Weekend immer besondere Menschen kennen, da es mitten im Universitätsviertel liegt und es hat eine angenehme Atmosphäre.
Mittwoch findet man mich in Monopol Kino. Dort wird der Dokumentarfilm „Thoughts about Dance“ mit dem Tanz Büro München aufgeführt. Gezeigt werden sieben filmische Kurzporträts junger Münchner Choreografinnen und Choreografen. Vielleicht bringen mich die Film-Ausschnitte dazu, in einen Tanzkurs zu gehen, wer weiß.
Psychedelik, Krautrock, Elektro und Jazz. Das sind Genres, die man zuerst nicht in Verbindung setzt. Das Connected Festival am Donnerstag in der Kranhalle vereint genau dies. Es gibt Konzerte aus der Münchner Szene von Karaba, Interstellare Kommunikation und Lee Harvey & The Oswalds. Da ich ein großer Alternative-Rock-Fan bin, werde ich dort meine Woche ausklingen lassen und ein wenig tanzen, um dem Alltag zu entfliehen.
Freitag dreht sich alles um Schallplatten. Es ist der 40. Geburtstag meines Lieblingsplattenladen im Glockenbachviertel. Optimal Records, der Laden hat seinen ganz eigenen Flair, die Tür ist vollgeklebt mit Stickern. Macht man sie auf, läuft man zunächst in die Tote Bags, die der Laden verkauft, hinein. Auf der einen Seite Bücher, auf der anderen Seite befinden sich Platten, an den Wänden hängen Poster von Fotografen. Hier habe ich schon oft die ein oder andere Besonderheit aus den vielen Vinylkisten gezogen. Oft lässt mich mein musikalisches Herz nicht los und ich sitze stundenlang vor meinem Plattenspieler und höre die Platten auf und ab. Der Laden feiert in den Münchner Kammerspielen ihren Geburtstag. Man kann Konzerte von F.S.K, What Are People For? und Naima Block miterleben.
Nach einer Woche Eskapismus reicht es mir auch wieder den Problemen der Welt aus dem Weg zu gehen. Zurück zu meinem Buch und einem guten warmen Tee.