Tanz den Feminismus

Miriam Fendt, 22, versucht als DJ Miroslove die Indie-Party-Szene in München ein wenig offener zu machen. Sie legt nur Musik von Frauen auf, einen weiblichen Act nach dem anderen

Von Lena Bammert

Dass Konjunktive in der Musik funktionieren, ist spätestens seit „Wenn ich König von Deutschland wär“ bekannt. Miriam Fendt, 22, hat ihren eigenen musikalischen Konjunktiv vergangenen Sommer auf einer Party gefunden: „Wenn ich DJane wäre, würde ich nur Frauen auflegen.“ Der Satz ist im Gespräch mit Manuel Palacio, DJ der Münchner Indie-Veranstaltungsreihe „Fancy Footwork“, gefallen und war zu diesem Zeitpunkt noch etwas fehlerhaft formuliert: „Man musste mir erst einmal erklären, dass man nicht DJane sagt. Das ist eigentlich nur eine komische Form von Verniedlichung, weil Discjockey ein geschlechtsneutraler Begriff ist.

Ein paar Monate später und um einige DJ-Nachhilfestunden bei Manuel Palacio reicher, ist aus dem Konjunktiv Realität und aus Miriam Fendt DJ Miroslove geworden. Ihr erster Auftritt war im November in einem ehemaligen Bürogebäude in der Landsberger Straße, bei einer Indie-Veranstaltung in einem Zwischennutzungsprojekt namens „Kunstlabor“. Passenderweise, denn das Auflegen von rein weiblichen Acts kann in der von Männerbands dominierten Indie-Szene durchaus als künstlerisches Experiment bezeichnet werden. „Mir ist es wichtig, den Indie-Begriff als solchen aufzulockern, damit er eben nicht nur daraus besteht, den ganzen Abend Männer-Bands aus den Nullerjahren zu hören, die alle weiß sind und gleich klingen.“ Miriam legt stattdessen lieber Fever Ray, Christine and the Queens oder Princess Nokia auf, Künstlerinnen aus Schweden, Frankreich und mit puerto-ricanischen Wurzeln und mit Textzeilen wie „Free abortions, clean water, destroy nuclear, destroy boring.“

Das Experiment im Kunstlabor ist an diesem Abend geglückt, Miriam wird auf einer Silvesterparty von einem Mann angesprochen, der ihr erzählt, wie cool seine Tochter ihr Musik-Set fand. Während sie sich an diese Begegnung erinnert, lächelt sie. Das ist genau das, was sie erreichen möchte, wegen solcher Momente ist sie überhaupt erst DJ geworden: „Ich wünsche mir, dass Frauen auch Bock haben, auf eine Indie-Party zu kommen, dass die das als Ort sehen, an dem sie sich wohl fühlen.“ Ihr ist dieses Thema so wichtig, weil sie eben genau so eine Frau ist, die einfach richtig Bock auf Indie-Partys und Musik hat, dass sie kurz mal mitten im Satz zu reden aufhört und das Tanzen im Sitzen anfängt, weil im Hintergrund gerade ein Titel der Künstlerin Mavi Phoenix aufgelegt wird.

Ihr macht das Auflegen Spaß, ihr macht ihr Outfit – komplett weiß, perfekt leuchtend im Schwarzlicht der Clubs – Spaß, aber sie will sich dabei eben auch gut fühlen. Dazu gehört für sie nicht nur die tonale Repräsentation in Form von weiblichen Stimmen, sondern auch Texte, deren Inhalte alle genießen können, nicht nur weiße, heterosexuelle Männer. Dass Titel wie „Bitch“ von der Indie-Band Von Wegen Lisbeth erfolgreich sind, findet sie einfach unnötig, dann tanzt sie auch nicht mehr, sondern spricht ernst und nachdrücklich weiter: „Es kann einfach nicht mehr cool sein, einen Track zu hören, bei dem ein Schimpfwort für eine Frau in der Hook vorkommt, und das dann die Menschen im Partymodus auch noch mitschreien.“

Für Miriam ist Musik aber nicht nur privat wichtig, sie arbeitet auch als Musikjournalistin. Es kommt also schon einmal vor, dass sie sich Gedanken über die „Musiksozialisierung von Indie-Partygängern“ macht. Genau deswegen weiß sie aber auch, dass Veränderungen selten durch Zwänge und Vorgaben passieren. Auch, dass bestimmte Klassiker von männlichen Künstlern im Indie-Bereich existieren, die von den treuen Partygängern nun mal gehört werden wollen. Und diese Leute muss ein Party-Veranstalter auch bedienen. Aus diesem Grund geht sie einen kleinen Kompromiss ein: Jeden Donnerstag legt sie bei der Indie-Nacht „Indie Cat Club“ in der Prygoshin Bar am Hauptbahnhof nur noch 80 Prozent Frauen auf, achtet bei den männlichen Acts aber darauf, dass zumindest auch viele Künstler laufen, die eben nicht weiß sind.

Ihre Mixtapes, die sie auf Mixcloud hochlädt, bleiben vorerst aber weiterhin zu 100 Prozent mit Künstlerinnen bestückt. „Es ist nicht meine Absicht, irgendwem was aufzudrücken, aber wir leben in einer unfassbar vielseitigen Zeit, da muss Raum sein, den Blick für andere Indie-Facetten zu öffnen.“ Miriam steht auf und geht erst einmal tanzen. Dass es noch vor zehn Uhr abends ist und die Tanzfläche dementsprechend leer, ist ihr in diesem Moment egal. Schließlich läuft gute Musik.

Foto: Manuel Palacio