Die Poetry Slammerin Thanushiyah Tharmadevan, 25, ist kürzlich von Heidelberg nach München gezogen. Im Interview erzählt sie von ihren Texten und den Vorteilen, die Umzüge und neue Städte mit sich bringen.
München – Unter den Namen „Thanu X“ tritt Thanushiyah Tharmadevan, 25, bei Poetry Slams auf. Ihre Texte handeln oft von Rassismuserfahrungen, ihrer eigenen Identität und dem Aufwachsen in der tamilischen Diaspora. Thanus Familie stammt aus Sri Lanka, geboren wurde sie in der Schweiz, studierte in Heidelberg und zog im Januar nach Obergiesing, um in München über die „globale Dimension des Völkermordes in Ruanda“ zu promovieren.
SZ: Was hat München, was Heidelberg nicht hat?
Thanushiyah Tharmadevan: Ein viel größeres Kulturangebot. Zudem sehr schöne Landschaften und es ist näher zur Schweiz.
Deine Slam-Texte thematisieren deine eigene Identität. Was glaubst du, wie wird sich München auf dich auswirken?
München ist eine diverse Stadt. Ich werde hier wohl weniger auffallen. Generell trägt auch ein Umzug dazu bei, dass man reflektiert und überlegt, wie man auf andere Menschen wirkt, wo man Anschluss findet, was man alles neu anfängt.
Du lebst jetzt noch nicht lange hier. Nimmst du wahr, dass Integration in München gut gelingt?
Ich nehme die Münchner als weltoffen wahr. Ein Beispiel: Bisher wurde wenig bis gar nicht die Frage gestellt, wo ich denn herkäme. Oftmals hat es gereicht, wenn ich gesagt habe: ‚Ich komme aus der Schweiz’. Und auch das wurde nicht in Frage gestellt. Das empfinde ich als angenehm.
KOMMEN & GEHEN
Mit jedem Menschen,
der zuzieht, verändert
sich die Stadt. Und auch mit
jedem Menschen, der
München verlässt, verliert
die Stadt ein Stück Identität
Wirst du München auch prägen? Und wenn ja, wie?
Ich hoffe doch. Ich möchte mit meinen Texten zur gesellschaftlichen Debatte zum Thema Rassismus und psychische Krankheiten beitragen, neue Perspektiven einbringen und – im Idealfall – mehr Verständnis und Solidarität wecken. Auch hoffe ich, durch meine Promotion das Thema „Afrikanische Geschichte“ an der Uni prominenter machen zu können.
Wie genau möchtest du auf der Bühne zu mehr Vielfalt beitragen?
Indem ich beispielsweise nicht nur über Rassismus gegen People of Color spreche, sondern auch beleuchte, wie Menschen mit Migrationshintergrund innerhalb der eigenen Diaspora diskriminiert werden. Ich spreche auch über Sexismus und trete für feministische Werte und Frauenrechte ein, gerade auch in nicht-westlichen Kulturen. Denn das kommt in den Debatten leider oft zu kurz.
Wie werden deine Texte in München aufgenommen?
Meine Texte wurden schon besser aufgenommen, aber auch schon schlechter. Bei Poetry Slams ist es immer unterschiedlich, ob Menschen auch politische oder eher persönliche, traurige und ernste Texte hören wollen. Davon ist stark abhängig, ob sie meine Texte gerne hören oder nicht.
Sind die Münchner Slammer eher unpolitisch oder politisch?
Ich würde sagen: Politische Texte stehen nicht im Vordergrund – zumindest bei den Veranstaltungen, bei denen ich bisher war. Sie werden aber durchaus geschätzt vom Publikum. Aber sie sind nicht so dominant wie anderswo.
Hat dein neuer Wohnort dich auch schon zu weiteren Texten inspiriert?
Ich hoffe, dass ich die Gelegenheit bekomme, mehr mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten, vielleicht auch Schreibworkshops zu geben und mich durch das Großstadt-Flair besser entfalten zu können.
Du beschäftigst dich viel mit Sprache. Drücken sich die Münchner auf eine andere Weise aus als Schweizer oder Heidelberger?
Das werde ich erst beantworten können, wenn ich mich mehr eingelebt habe. Mein erster Eindruck: Hier wird sehr offen und freundlich gesprochen, es wird viel geduzt und ist weniger formell.
Du hast geschrieben, dass du deine Texte auswendig lernst, sodass du beim Vortragen dem Publikum in die Augen blicken kannst. Wie schauen sie denn zurück?
Das ist sehr unterschiedlich. Meistens sehe ich in den Blicken und im Gesichtsausdruck, wenn Menschen besonders betroffen sind von meinem Slam-Text. Oft ist es ein Gefühl der Verbundenheit, des Sich-verstanden-Fühlens und der Zusammengehörigkeit.
Wo siehst du dich in einem Jahr?
Geografisch immer noch in München. Ich würde mich gerne besser vernetzt haben, etwa mit gemeinnützigen Organisationen. Ich würde gerne mehr Schreibworkshops für junge Menschen geben. Und hoffentlich mein zweites Buch fertig haben. Auch würde ich gerne an der Uni in der Lehre tätig sein.
Nennst du München schon dein Zuhause?
Ja, das ging schnell. Es liegt wohl an dem offenen Umgang mit mir – auch und vor allem in der Poetry-Slam-Szene. Dass ich sofort bei vielen Veranstaltungen eingeladen war, gab mir das Gefühl, dazuzugehören.
Interview: Max Fluder