Band der Woche: Wildes

Wenn Jana Hartmann und Jenny Tulipa nicht gerade an Autos herumschrauben oder sich um Denkmalpflege kümmern,  spielen sie unter dem Namen „Wildes“ Achtzigerjahre-Discopop mit abstrakten Texten und viel E-Gitarre.

Text: Viktoria Molnar

Film ab: Risse ziehen sich durch den ausgetrockneten Boden, zwei junge Frauen sitzen in weißen Hosenanzügen in ihren Liegestühlen. Die Sonne brennt auf die Haut. Dazu ein Sound aus Steel Drums und E-Gitarren. Schnitt: Wellenrauschen, eine Badeinsel gleitet über das Wasser. Sie ist knallgelb. Wieder die beiden Frauen. Sie tragen blau-rote Badeanzüge. Sitzen unter einem Südsee-Sonnenschirm. Man glaubt, die Sonnencreme riechen zu können. Die Frauen singen auf Deutsch. Nahaufnahme: Eine der beiden beißt in ihr vergoldetes Kaugummi-Eis. Kindheitserinnerungen kommen hoch. Adria, Urlaub. In ihrem Musikvideo zu „Badeinsel“ spielt die Band Wildes mit Stereotypen aus dem Badeurlaub.

Wildes, das sind Jana Hartmann und Jenny Tulipa. An Jennys Ohren baumeln schwarz-blaue Ohrringe im Retro-Look. Und auch ihr weißes Knopfkleid spricht für sich: „Das Design, die Musik und der Style der Achtzigerjahre taugt uns. Die Ästhetik damals war ganz anders.“ Dass sie tagtäglich an Autos herumschraubt und damit ihr Geld verdient, sieht man Jenny nicht an. „Nur meine großen Hände deuten darauf hin“, sagt sie und lacht. Den alten BMW, der im Video zu „Badeinsel“ vorkommt, hat sie gemeinsam mit ihrem Papa restauriert. „Ich finde es schön, Dinge mit der Hand zu schaffen und auch Altes zum Leben zu erwecken. Wenn bei alten Autos die Tür zu geht, dann macht das einen gewissen Sound, der von ganz anderem Wert zeugt.“

Jana sitzt neben ihr, die Haare zu einem lockeren Dutt zusammengebunden, Hornbrille auf der Nase. Genau so könnte sie auch in einem Berliner Architekturbüro sitzen. Auch sie hat eine Affinität dazu, alten Dingen ein neues Leben zu schenken: Sie arbeitet derzeit in Zürich in der Denkmalpflege. Für Wildes kommt sie jede Woche nach München.

Oft beginnt Jana das Texteschreiben genau dort, im Zug zwischen Zürich und München. Wenn sie sich dann mit Jenny trifft, setzen sie die Wörter gemeinsam in einen neuen Kontext. „Das kommt sehr intuitiv, wir versuchen unsere Beobachtungen und Erlebnisse zu teilen. Meist geht es um das menschliche Verhalten in der Gesellschaft“, sagt Jana. So schaffen sie abstrakte Texte, die Spielraum für Interpretationen bieten und die Fantasie anregen. Sie spielen mit den Worten und verstecken den eigentlichen Sinn hinter Unsinnigem – alles mit einem Augenzwinkern. „Wir finden Wiederholungen gut, die wir leicht verändern, um Raum zu schaffen“, sagt Jana. Manchmal sind es nur einzelne Wörter, die eine große Wirkung erzeugen. „Karambolage!“ sagt Jenny, „Karambolageee!“, wiederholt sie und zieht dabei das e lang wie im Französischen. „Und das kannst du dann ewig so weitermachen. So heißt übrigens unser neuer Song“, sagt sie und lacht.

Vor zwölf Jahren haben sie angefangen, Musik zu machen, mit E-Gitarren. Sie wollten immer schon Wilderes machen. Unangepasst, aber nicht erzwungen. Ihre Musik orientiert sich an ihren Persönlichkeiten: Jana, die etwas Bodenständigere, spielt die Rhythmusgitarre. Jenny, die Impulsive, spielt mit ihrer Gitarre die Soli. „Das ist einfach geil, du kannst einfach so Töne erzeugen: Nieuuuu, din din“, schrillt Jenny, kichert und macht dabei die Luftgitarre. „Und da kommt da plötzlich so ein Sound raus. Einfach geil!“. Elektrischer Disko-Poppunk mit Krautrock-Elementen, das ist ihre Musik. „Con Krauto“, erklärt Jana trocken. Sie schaut zu Jenny, beide prusten los. Sie kennen sich von Kindestagen an, das merkt man.

Auf der Bühne tragen sie das gleiche Outfit und stimmen alles farblich ab, auch das Bühnenbild gestalten sie selbst. Es muss alles ins Gesamtkonzept passen, sogar die Orte wählen sie danach aus: „Wie ein Kunstwerk, bei dem jede Komponente abgestimmt wird: der Ort, die Bühne, der Sound, die Outfits. Wir überlassen nichts dem Zufall“, sagt Jana. „Aber“, sagt Jenny, „never be too ernst.“

Foto: Wildes