Feminismus in der Halfpipe

Celina Lucas, 24, hat eine Girls-Skate-Crew gegründet.

Von Max Fluder

Für manche geht es beim Skaten um den Sport und um den Nervenkitzel, für andere ist es die besondere Skater-Kultur, die den Reiz ausmacht. Für Celina Lucas, 24, ist das alles auch so, allerdings fügt sie dem ganzen Thema noch eine weitere Dimension hinzu: die politische. Am Abend eines wolkenverhangenen Tages, „perfektes Skatewetter“, sitzt sie nach der Arbeit noch in einem Café an der Dachauer Straße und erzählt von der Münchner Skate-Szene. Ohne Skateboard, in weißem Shirt mit rotem Aufdruck: „Fight for Freedom“.

Zusammen mit Julia Vogt, Kathrin Bichler, Vanessa Konte, Kaltrina Rexhaj und Phuong Anh Ta, alle zwischen Anfang und Mitte 20, hat sie eine Münchner Girls-Skate-Crew gegründet. Oft fahren noch mehr mit, sie skaten auch mit männlichen Skatern zusammen. Aber bei den sechs handelt es sich sozusagen um den Kern. Inoffiziell werden sie Skate Hoes genannt, dazu später mehr. Die Idee ist simpel: Frauen und Mädchen ermutigen, zum Skateboard zu greifen und einfach loszulegen.
Als 2015 der erste Girls-Skate-Jam in München stattfand, war Celina dabei, schaute aber nur zu. Der Austragungsort war der Münchner Skatepark „Im Gefilde“, eine graue Betonlandschaft im Osten von Neuperlach. Celina hatte gerade mit dem Skaten angefangen und war voller Ehrfurcht vor den Teilnehmerinnen: „Ich dachte, da kann ich nie mitfahren“, sagt sie heute. Und dann? „Ein Jahr drauf habe ich den Jam mitorganisiert.“ Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Am vergangenen Wochenende radelte sie durch die Stadt und brachte Plakate für den nächsten Girls-Skate-Jam Mitte August an.

Celinas Geschichte ist vermutlich exemplarisch für viele Skaterinnen: „Als ich schon sehr jung war, wollte ich skaten, habe es dann aber nicht gemacht, weil ich ein Mädchen war“, sagt sie. Deshalb sei sie erst einmal aufs Snowboarden ausgewichen. Als sie dann viel später doch noch mit dem Skaten anfing, besuchte sie die Skateparks immer schon um neun Uhr in der Früh. Eine Zeit, zu der niemand sie beobachten, niemand über sie urteilen konnte. Sie erzählt davon ohne Scham; im Gegenteil, sie wirkt präsent und selbstbewusst, die beiden Arme über dem Tisch verschränkt.

Durch Zufall hat sie dann Phuong auf einem Skateplatz kennengelernt. Sie wurden einander von einem anderen Skater vorgestellt, die beiden galten wohl als die „einzigen Mädchen am Skaten“. Sie schmunzelt: „Seitdem sind immer mehr Mädchen dazugekommen. Wir haben aber auch jede angelabert, die zum Skateplatz kam.“ Viele hatten wohl ähnliche Bedenken gehabt, wie sie Celina am Anfang hatte. Skaten sei kein Sport, den man alleine lerne, sagt sie. Es brauche vor allem Motivation und jemanden, der einem Neues zeigt, anspornt und dabei ist. Bedingungen also, die sich mit einer Girls-Skate-Crew erfüllen lassen. Momentan treffen sie sich allerdings selten, alle zwei Wochen vielleicht. Ihre Stimme trübt sich: Das Leben außerhalb der Rampen und Skate-Pipes komme dazwischen. „Natürlich ist es am coolsten, wenn wir alle zusammen sind“, sagt sie. Und: „Was am Anfang nur miteinander skaten war, hat sich zu einer Freundschaft entwickelt, die übers Skaten hinausgeht.“

Celina kommt auf den Girls-Skate-Jam zu sprechen, gerade geht viel ihrer Energie in die Vorbereitung für das Event. Während sie davon erzählt, stützt sie den Kopf auf ihre Hände, wirkt erschöpft von der Organisationsarbeit, aber zugleich glücklich. Für sie ist das Event eine Chance, Skaterinnen zu ermutigen und sie von ihren Zweifeln zu befreien. Neben dem klassischen Wettbewerbsformat gibt es auch Preise für den größten Fortschritt, den eine Teilnehmerin erzielt. Ein Coaching wird es ebenfalls geben. „Beim Skaten existiert so ein Mythos: Wie soll ich das bloß erreichen? Man muss sich nur mal trauen“, sagt Celina.

Wenn Celina von ihren Runden auf dem Plaza erzählt, dann ist sie in einer anderen Welt – zumindest sprachlich. Für Laien klingt es wie eine Wissenschaft, wenn sie über Tricks an der Rampe redet. Jedes zweite Wort eine Skater-Fachvokabel, natürlich dem Englischen entnommen. Ihre Hände bewegt sie mit, um die Board-Position zu mimen. Ihr Blick durch die große Brille mit durchsichtigem Rahmen ist aber auf ihr Gegenüber fixiert. Ist etwas unverständlich, erfordert zu viel Skaterwissen, dann kommt sie lächelnd zu Hilfe. Lieblingsplaza, der Begriff für Skatepark im Jargon, ist der Wacker in der Nähe vom Harras.

Fotos: Privat