(c) Tim Petersen

Band der Woche: Kid The Child

Das Münchner Quartett ist noch genauso jung wie sein Name – und spielt eine Mischung aus Pop-Rock und Indie mit hohem Wiedererkennungswert

Von Amelie Völker

Da ist ein Beat, ein Riff, aber kaum Melodie. Beim Anhören der aktuellen populären Musik wird deutlich: Die Melodie der Singstimme wird erheblich reduziert. Oftmals jedoch nicht unbedingt zum Negativen. Denn dadurch entsteht Platz für andere Elemente wie Instrumentierung, Harmonie und Rhythmus. Die Melodie wird den Beats überlassen.

So auch bei der Münchner Band Kid The Child, bestehend aus Lenny Peteanu, 20, Chris Dutertry, 19, Ida Kandler, 20 und Tim Bühring, 20. In ihren Songs lassen sie eingängige Melodien und einen tanzbaren Rhythmus durch ihre Instrumente entstehen. Dabei ist Lennys Stimme jedoch nicht ansatzweise nur schönes Beiwerk, sondern im Gegenteil: eine der Besonderheiten von Kid The Child. Der Sänger hat ein kräftiges, basslastiges Timbre mit Wiedererkennungswert, das in den Tonlagen wenig variiert, dafür atmosphärisch und gefühlvoll wirkt.

Gerade haben sie ihre Debüt-Single „When Time Goes Blind“ als „erstes Lebenszeichen“ veröffentlicht, um sich vorzustellen. Der Song ist ein eingängiges Hybrid aus Pop und Rock. Schon der Einstieg ist prägnant: Ein harmonischer Sound mit starken Riffs, poppig und tanzbar. Zunächst rein instrumental, 30 Sekunden, für einen radiotauglichen Popsong fast eine Ewigkeit. Dann folgt Lennys Part, der einen gewissen Kontrast entfacht: tief und rau ist seine Stimme, ohne große Tonlagenwechsel, die Worte zieht er lang. Dieser Kontrast bewirkt eine gewisse Entschleunigung, was den Song erst individuell und außergewöhnlich macht und weshalb man ihn später überhaupt in Erinnerung behält. Es entstehe, so sagt das zumindest Lenny, „eine gewisse Monotonie, die sich in ein breites Instrumentarium eindeckt. Denn irgendwas braucht der Hörer ja, an dem er sich festhalten kann.“

Nach und nach veröffentlicht die Band momentan ihre Singles für ihre EP. Am 25. Oktober soll die zweite Single „Under Orient Sun“ erscheinen. Einen Plattenvertrag hat die junge Band nicht, dafür haben Lenny und Chris vor kurzem arg selbstbewusst und erfolgssicher ihr eigenes Label namens „Queensbay Records“ gegründet, mit dem sie Kid The Child – also sich selbst – vertreten. „Als junge Band hast du erst einmal nichts zu sagen“, sagt Lenny, „deshalb haben wir uns gedacht, machen wir doch unser eigenes Label, auch wenn das einen ziemlichen Aufwand bedeutet.“

Ida, Tim und Lenny machen schon seit Schulzeiten zusammen Musik. Ende 2017 komplementierte Chris die Band. Jedes Bandmitglied bringt unterschiedliche Musikrichtungen mit ein. Chris’ Lieblingsband ist AC/DC. Lenny steht mehr auf Singer-Songwriter wie Milky Chance oder Faber. So kommt es, dass sich auch bei Kid The Child nicht auf ein Musikgenre festgelegt wird. Vielmehr werden auf der Debüt-EP, die Anfang 2020 erscheinen soll, verschiedenste musikalische Stile zu hören sein. „Ich komme meistens mit meinen Singer-Songwriter-Schnulz-Songs daher und dann schmeißt Chris den Verzerrer an und bringt den Rock mit rein“, sagt Lenny. So entsteht eine weite Fächerung: Pop, Rock, Indie, Alternative, aber auch Blueselemente sind zu erkennen. Kein Song klingt wie der andere. „Das war uns auch von vorneherein wichtig“, sagt Chris, „wir wollten mit jedem Song das machen, was jeweils am besten passt, ohne ihn in ein gewisses Genre zu zwängen.“

Aber verliert eine Band, die bekannt werden will, nicht ihre eindeutigen Merkmale, wenn keine gewisse Genre-Treue erkennbar ist? „Klar haben wir uns schon gefragt, ob unsere Musik zu divers ist“, sagt Lenny, „aber der Wiedererkennungswert einer Band kann schließlich auch unabhängig vom Genre entstehen.“ Was Kid The Child angeht, hat Lennys Stimme hierbei sicherlich den größten Anteil.