Die Indie-Combo “Barking Orders In German” hat sich erst während der Corona-Pandemie gegründet. Einen normalen Band-Alltag wünschen sich die Musiker nicht. Warum?

München Lebt. Menschen und mehr.
Die Indie-Combo “Barking Orders In German” hat sich erst während der Corona-Pandemie gegründet. Einen normalen Band-Alltag wünschen sich die Musiker nicht. Warum?
Mal Hip-Hop, mal Pop: Der junge Künstler “Mol” mag sich noch auf kein Genre festlegen, auch in den Songtexten wechselt er zwischen Deutsch und Englisch
Mal melancholisch, mal rockig: Die Melodien der vier Musiker sind abwechslungsreich
Stand Up Stacy hießen mal “The Sexattacks”. Seitdem sie ihren alten Namen abgelegt haben, haben sie sich neu erfunden
Das Münchner Quartett ist noch genauso jung wie sein Name – und spielt eine Mischung aus Pop-Rock und Indie mit hohem Wiedererkennungswert
Der Rockmusiker Julius Höhlich bezeichnet sich als “musikalischer Zeitreisender” und möchte da anknüpfen, wo Bruce Springsteen und Nirvana aufgehört haben. Seine rauchige Stimme pflegt er mit Ingwer-Honig-Tee
München ist voller Musiker – und viele von ihnen sind Teil von mehr als nur einer Band, organisieren eigene Veranstaltungsreihen oder spielen in Musicals. Fünf von ihnen sind hier im Porträt
Julia Milena Scheeser ist Synchronsängerin im neuen Aladdin-Film – und singt nebenbei in einer Rockband
Wo sind eigentlich meine langen Hosen und meine langärmligen Oberteile? Der Sommer scheint sich langsam zu verabschieden. Nachdem München im August manchmal wie leer gefegt aussah und es auch irgendwie dort, wo normalerweise so viele Menschen abhängen, herrlich ruhig war, kommt nun langsam aber sicher wieder mehr Bewegung in die Stadt.
Weiterlesen “Von Freitag bis Freitag: Unterwegs mit Ornella”
In den Songs von Die Prokrastination geht es um aktuelle Themen wie albern betitelte Trends oder Hipster. Verpackt sind die Themen in liebreizenden Poprock-Klängen. Insgesamt erzeugt die Musik eine Euphorie zum Mitsingen.
Der Vorwurf der Ichbezogenheit ist Künstlerpersönlichkeiten gegenüber schnell ausgesprochen. Und auch wenn man immer vorsichtig sein sollte mit schnellen Urteilen, ist das in vielen Fällen wohl gar nicht so falsch. Denn um sich auf eine Bühne zu stellen und a priori davon auszugehen, dass die Menschheit um die eigenen in Kunst gegossenen Ansichten wissen möchte, das setzt eine Persönlichkeit voraus, die diesen Gedanken mit sich vereinbaren kann. Ein bisschen lässt sich so etwas auch an den Texten der Künstler nachverfolgen. Etwa Patrick Wagner, einst Sänger der deutschen Noise-Rock-Pioniere Surrogat. Der machte seine Ichbezogenheit offensiv zum großen Thema seiner Kunst.
Und selbst jetzt, gute 20 Jahre nach Surrogat, wenn Wagner mit seiner neuen Formation Gewalt auftritt und in seinen Texten plötzlich erstaunlich oft das Wort „Du“ vorkommt, wird man das Gefühl nicht los, dieses Du richtet sich wieder an ihn selbst. Er hat seine groß aufgebaute Persönlichkeit quasi aufgespalten und begibt sich künstlerisch in den Dialog mit sich selbst.
Auch in den Texten der Münchner Band Die Prokrastination kommt im Song „Mainstream“ ein ausgesprochen starkes „Du“ vor. Diesem wird zu schmissigen Poprock-Klängen dabei langweilige Mittelmäßigkeit vorgeworfen – und zwar ziemlich drastisch und unmissverständlich aus der Warte des unkonventionellen Künstlers heraus. Wäre das nicht in so ausgesprochen liebreizende und bekömmliche Musik verpackt, wäre das von Surrogat gar nicht so weit entfernt. Doch musikalisch ist der Gegensatz groß, in dem sich das Quartett um Sängerin und Gitarristin Katharina „Katha“ Gulde ästhetisch bewegt. Sie beschweren sich über zwischenmenschliche Unverlässlichkeit („Happy End“), über eine Social-Media-getrimmte Menschheit, die albern betitelten Trends, die man eigentlich unter anderem Namen schon kennt, hinterherrennt („Bikram Yoga“), oder nehmen verspielt die Vorurteile und Blaupausen vermeintlich urbaner Hipsterness auseinander („Sorry Baby“). Die Musik dazu aber besteht aus beschwingten und leicht verzerrten Dur-Akkorden und erzeugt eine allgemeine Mitsing-Euphorie.
„Punk kann als Ausdruck von intensiven Gefühlen, als wütende Stimme, als rebellischer Gegenpol zu festgefahrenen Strukturen auch 2018 aktuell und inspirierend sein“, erklären sie, doch: Punk könne auch schnell „veraltet oder satirisch wirken, wenn er zu plakativ gelebt wird“. Deshalb versuche man mit Die Prokrastination mehr eine innere Haltung zu finden als „typische Punk-Attitüden nach außen zu tragen“. Der Mittelweg, auf den sich die Band, die seit eineinhalb Jahren zusammenspielt, damit begibt, ist aber auch kein leichter. Denn die eigene Antihaltung zerbricht bisweilen an der Zugänglichkeit der Musik. Andererseits sind das gut geschriebene Songs, die wohl ein ungleich größeres Publikum erreichen könnten als etwa Patrick Wagner mit Gewalt und deren Anti-Musik-Attitüde. Von der Gefahr zu einer so plakativ rockistischen Anbiederung zu werden, wie das etwa Jennifer Rostock sind, ist Die Prokrastination jedoch noch ein gutes Stück entfernt. Schon allein, weil in der Musik Indie-Geist und feine Intellektualität mitschwingen, die allzu große Stadion-Poprock-Gesten unterbinden. Die ist zwar nicht ganz so sperrig-studentisch, wie das bei Marv Paul, der früheren Band von Bassisten Gregor
Poglitsch, der Fall war. Im Moment hält sich die Balance zwischen Zugänglichkeit und Kritik bei Die Prokrastination aber sehr gut. Gerade arbeiten sie an einem ersten Album.
Stil: Pop/Rock
Besetzung: Katharina Gulde (Gesang, Gitarre), Michael Kara (Gitarre, Gesang), Raphael Brunner (Schlagzeug), Gregor Poglitsch (Bass)
Aus: München
Seit: 2016
Internet: www.facebook.com/dieprokrastination
Text: Rita Argauer
Foto: Christin Büttner