Auch das ist München

Wer im Internet nach #munich sucht, findet Hochglanzbilder, die Blogger oder Touristen hochladen. Es gibt allerdings auch den anderen Blick auf die Stadt.  Junge Menschen erklären der Uni-Mensa ihre Liebe, zeigen Tiefgaragen-Highlights oder Perlen aus Pasing

NOTICING MUNICH

(c) Jan Rauschning-Vits
(c) Jan Rauschning-Vits, @fjoendir_elboerk

München ist nicht so voll damit wie andere Großstädte, aber immerhin, es gibt sie: kreative Sticker, kluge, an die Wand gesprayte Sprüche und humorvolle Notizen. Und es gibt auch jemanden, der sie sammelt. Jan Rauschning-Vits postet unter „Noticing Munich“ seit 2017 die besten Sprüche, die er findet oder zugeschickt bekommt. Knapp 170 Fotos sind schon hochgeladen, fernab von den Bildern mit Sprüchen gibt es auch vereinzelt welche von Rädern, die entweder aus der Isar gefischt oder unkonventionell behandelt wurden. 5750 Abonnenten hat Jan damit auf Instagram. „Nur Zeug, das ich auf den Straßen Münchens gefunden habe“, beschreibt er seine Bilder. „Da stelle ich mir immer den kreativen Menschen vor, der in einen unbeobachteten Moment einen kleinen Gruß hinterlassen hat. Das ist auch meine Motivation: ‚kleine Geistesblitze‘ groß rausbringen.“ Nebenbei – oder besser, beruflich – ist Jan Barkeeper im Goldenen Reiter. Max Fluder

MUNICORN_LIFE

(c) Annette Hengsberger
(c) Annette Hengsberger

Es posiert vorm Rathaus oder auf dem Oktoberfest: Unter dem Namen „municorn_life“ stellt Annette Hengsberger, 28, Fotos von einem kleinen Einhorn aus Stoff online. Ihre Bilder wirken wie eine Persiflage auf die Fotos jener Touristen, die sich für Social Media vor den Münchner Sehenswürdigkeiten ablichten. „Ich finde die Selbstdarstellung auf Instagram sehr schwierig“, sagt Annette, die rund 350 Follower hat, „man sieht immer dieselben Posen vor denselben Gebäuden“. Ganz wie sein „Vorbild“, der Stoffhase Felix aus der gleichnamigen Kinderbuchreihe, ist das Municorn inzwischen auch selbst als Tourist unterwegs – etwa in Rom und in Städten der USA. Carolina Herberling

LMU MENSALOVE

(c) LMU Mensalove

Endlose Stunden in der Bibliothek, ein Seminar folgt dem anderen und gedanklich hat man die Uni längst schon verlassen. Für viele Studierende wird die Mensa im Uni-Stress zum zweiten Zuhause. Für Sophia Hösi und Jule Haug, beide 25 Jahre alt, wurde aus dieser Zweckgemeinschaft sogar Liebe. Über ihren Instagram Account @lmumensalove teilen sie ihr Mittagessen mittlerweile mit 248 Followern. Mit dem Foodporn aus den Mensen der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität wollen die beiden zeigen, dass „München nicht immer Chichi sein muss, es kann auch Mensa“. Zu sehen gibt es da dann Kantinen-Klassiker wie die Tiefkühl-Frühlingsrolle, fragwürdige Kreationen wie Sauerkraut-Gratin oder, den neusten Trend aus der Uni-Küche, Spätzle mit Remoulade. „Wir mussten wahnsinnig darüber lachen, was man da manchmal so vor sich hat“ – und schon war die Idee für den gemeinsamen
Instagram-Account geboren. LMU Mensa Love – eine Liebeserklärung an die Uni-Realität! Laura Wiedemann

GEILE TIEFGARAGEN EINFAHRTEN

(c)instagram.com/geile_tiefgaragen_einfahrten

Warum eigentlich Fotos von Stränden und Essen, wenn es doch so viel mehr gibt. Tiefgarageneinfahrten zum Beispiel. Der Account „Geile Tiefgaragen Einfahrten“ zeigt genau diese aus München und der Welt. Fanpost wird hier übrigens dankend angenommen und gepostet. Mit mehr als tausend Followern kann das Profil so manchen selbstverschriebenen Bloggern oder Influencern schon fast Konkurrenz machen. Und zwar ganz ohne Werbung oder Produktplatzierung – einzig und allein mit etwas Beton und Asphalt. Garageneinfahrten von Wohnblöcken, Einfahrten mit gelben Streifen am Rand, kurvige Einfahren, bunte Einfahrten – es gibt alles. Die Person hinter dem Profil möchte allerdings anonym bleiben. „Tiefgarageneinfahrten sind nötige Dinge, die man nicht speziell gestaltet. Es sind Nicht-Orte. Orte, die man nicht wahrnimmt. Es gibt aber immer wieder Ausnahmen“, heißt es in einem Statement des Machers oder der Macherin. „Es ist ein Ort des Gebens und des Nehmens. Ein Eintritts- und Austrittsort, aber weniger für Menschen, sondern für Menschen in Dingen: in Autos.“ Ornella Cosenza

MUNCHENSTRASSENNO.1ST

(c) Patryk Kiwus

Eine weiße Eins auf himmelblauem Hintergrund. Manchmal auch eine Zwei. Oder eine 30. Der Instagramaccount „munchen-strassenno.1st“ von Patryk Kiwus, 28, widmet sich dem Vorhaben, „jede erste Hausnummer aller Straßen in München“ zu porträtieren. „Ich wollte etwas erschaffen, was noch niemand gemacht hat“, sagt Patryk. Mit seinem knallroten Fahrrad, das auf vielen seiner Bilder mit in Szene gesetzt wird, erkundet er München. Stets auf der Suche nach der weißen Eins. Er geht dabei alphabetisch vor, momentan ist er bei B wie Brucknerstraße. Die Frage ist natürlich: Warum braucht es einen solchen Account? Alle Bilder sind ähnlich, es gibt keine großen Überraschungen. Außer vielleicht, dass die Münchner Straße „An der Salzbrücke“ in Oberföhring tatsächlich erst mit der Hausnummer 30 beginnt. Folgen lohnt sich trotzdem. Denn im ganzen Foodblogger- und Influencer-Wahnsinn kann es auch mal äußerst meditativ sein, auf simple, ordentliche Münchner Hausnummern in weiß-blau zu schauen.  Amelie Völker

_THE_ONE_YEAR_

Viele sehen auf dem Weg zur Arbeit, zur Schule oder in der eigenen Nachbarschaft Tag für Tag dieselben Orte. So oft, bis sie diese gar nicht mehr bewusst wahrgenommen werden. Die anonym betriebene Seite _the_one_year_ setzt diesem Phänomen seit Mai dieses Jahres ein Tagebuch eines oft passierten Münchner Ortes entgegen. Sympathisch wird der Selfie-Kultur auf Instagram der Blick nach außen entgegengesetzt: Hier erscheint meditativ jeden Tag ein Schnappschuss des Eingangs zum Spielzeugmuseum am Marienplatz. Und der Menschen, die ihn bevölkern. Immer aus der gleichen Perspektive, ob bei Regen, bei Sonnenschein, von Touristen überfüllt oder nachts und leergefegt. Das ist bildgewordene Entschleunigung. Beim Betrachten stellt sich heraus: So viel verändert sich gar nicht, es sind die kleinen Dinge. Etwa die teilweise verwirrten Blicke der Menschen im Bild. Knapp 140 solcher Fotos sind es bisher, 365 sollen es werden.  Eva Klotz

PASINGER PERLEN

München gilt als Stadt der Reichen und Schönen, die gerne herzeigen, was sie haben. Ist man aber auf der Suche nach einer richtigen Perle, dann sollte man in den Münchner Westen blicken. Genauer auf den Instagram-Account Pasingerperlen. Dort ist der „daily hot shit“ aus Pasing und Umgebung zu sehen. Das kann mal ein elektrischer Rollstuhl im Louis-Vuitton-Design sein, die Beach Bar auf dem Weihnachtsmarkt, der nächtliche Passant mit dem Schriftzug „Support your local bad bitch“ oder der Rollstuhlfahrer in der 50er-Zone. Auf diesem Account wird hochgeladen, was in Pasing vor die Linse läuft – beziehungsweise fährt. Das erfreut mittlerweile fast 1000 Abonnenten bei knapp 130 Beiträgen. Denn auch in München gibt es noch richtige Perlen. Larissa Kahr

TASTY.CITY

(c) instagram.com/tasty.city

Müll? Gehört in die Mülltonne. Essensreste? Erst recht. Doch dass es dort längst nicht alles Übriggebliebene hinschafft, beweist der Instagram-Account tasty.city, mit knapp 40 Abonnenten bei 24 Beiträgen. Die Aufnahmen zeigen, wie erfinderisch manche Münchner sind, wenn es um das Entsorgen der Mahlzeit oder des Snacks geht. So findet eine Banane ihre letzten Ruhestätte auf einer Ampelschaltung, das rohe Hackfleisch auf dem Kiesweg und zwei Scheiben Brot hinter den Stahlträgern eines Parkhauses. Dazu runden passende Hashtags wie #cleaneating für eine weggeworfene Pizza oder #hintergittern für das abgelegte Brot die Beiträge ab. Larissa Kahr