Was macht man, wenn man nicht mehr viel Zeit hat in München. Was bleibt von München, wenn man nach Berlin umzieht. Die Woche von Luca – wir wünschen Dir alles alles Liebe und viel Erfolg in der neuen Stadt.
Die letzte Woche München also. Zumindest für mich. Sie kommt nicht unerwartet. War bereits in Sicht, als noch die erste Woche war. Auch wenn sich zugegebenermaßen die Entfernung auf dem Weg doch vergrößerte. Nach dem Bachelor geht es in die nächstgrößere Stadt, habe ich immer gesagt. Zwei Jahre länger hat es mich dann an dieser vermeintlichen Zwischenstation gehalten. Insgesamt fünf. Im größten Dorf der Welt, so sagt man zumindest über München. Jeder kennt hier irgendwie jeden, und wenn man alles kennt, gibt es auch einiges, was man gernhat. Die Erinnerungen daran werden dann gerne mal ausgepackt, wenn die Kartons eingepackt werden.
Aber keine Sorge, der Kitsch wird sich in dieser Kolumne in Grenzen halten. Nostalgie ist nicht so mein Ding. Und weil ich eben nicht so gerne in Erinnerungen schwelge und das mit dem alles und jeden kennen in München eher ein Gefühl als Realität ist, geht es für mich heute Abend an einen Ort, den ich bisher noch nicht besucht habe. Davon gibt es auch nach fünf Jahren noch einige. Bei mir gehört da die Wiesn dazu (Fünf Jahre München, keine Sekunde Oktoberfest, darauf kann man stolz sein) und das selbstverwaltet Barrio Olga Benario. Dort findet heute ein Vortrag einer aktivistischen Person der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. Enteignen“ statt, zur Zukunft der Initiative, Erfolgen und Misserfolgen. Und angesichts der unmenschlichen Wohnungsmärkte in München und Berlin, die ich beide nun kenne, lohnt es sich mit den verschiedensten Lösungsansätzen auseinanderzusetzen.
Vom selbstverwalteten Raum geht es in den selbstorganisierten. Genauer: In den von der Junge-Leute-Seite organisierten. Am Samstag geht es bei der Fotoausstellung 10 im Quadrat im Farbenladen um die Frage, wie sich dem Sexismus in der Fotobranche entgegenwirken lassen kann. Veronika Tièschky, Autorin bei SZ-Junge-Leute, spricht von 17 Uhr an mit ihren Gästen über eine Branche, in der sich die Darstellung von Geschlechterrollen in den vergangenen Jahren stark verändert hat – und in der trotzdem noch nicht alles perfekt ist.
Apropos sprechen: Wer sich schon mal gewundert hat, wie die eigene Sprache für Menschen klingt, die sie nicht sprechen, kann das am Samstag gleich im Anschluss bei der Soundinstallation mit Performance „Klang der Sprachen 2008/2023“ im Habibi Kiosk erleben. „Alles, was Sie hören werden, ist absolut bedeutungslos“, heißt es da auf der Website. Ein Motiv, das ich diese Woche nochmal wiederfinden werde, aber dazu später mehr.
Zu Sonntagen passen Abschiede besonders gut. So eine melancholische Grundstimmung gehört irgendwie zu dieser Art Wochentag. Eine Woche geht zu Ende und an diesem Sonntag auch unsere Ausstellung. Nach einem Monat im Farbenladen, findet am Sonntag die Finissage statt. Für mich bedeutet dieser Tag aber nicht nur das Ende von 10 im Quadrat, sondern ich verabschiede mich auch von den allwöchentlichen Redaktionskonferenzen der Junge-Leute-Seite.
Montag ist Feiertag. Deshalb auch Katertag. Und das lässt sich am besten für Film nutzen. Die beste Adresse dafür in München: Das Werkstattkino. Das erste Mal habe ich dort beim Fetisch Film Festival einen Streifen laufen sehen. Anfang der Woche geht es wieder um Sex, Kink und auch Queerness. Der Film Piaffe wird gezeigt. Der schüchternen Protagonistin wächst ein Pferdeschweif. Sie beginnt ihre Sexualität zu entdecken – ganz ohne, dass tatsächlich Sex zu sehen ist.
Den Dienstag werde ich wohl zwischen Umzugskartons verbringen. Der Umzug steht ja in nur noch wenigen Tagen kann.
Am Mittwoch geht es für mich nochmal an einen dieser Orte, die zu besuchen ich mir immer vorgenommen, es aber nie geschafft habe. In Florida der Lothringer 13 geht es um Erinnerungskultur und Kunst. Zu Gast sind Ayşe Güvendiren und Madlyn Sauer. Das Thema: Die Idee des Aktionsbündnis „NSU-Komplex auflösen!“, die versprochene aber von Seiten der Justiz nie eingelöste lückenlose Aufklärung selbst in die Hand zu nehmen. Bei dem ersten dieser Tribunale „versammelten sich am Schauspiel Köln Überlebende, Betroffene und Verbündete aus unterschiedlichen Zusammenhängen und brachten nicht nur ihr Wissen, ihre Perspektiven und Forderungen mit, sondern nutzten den Raum auch für ihre Trauer, ihre Klagen und Erinnerungen.“
Und da ist er dann schon. Der erste Tag im Juni. Für mich der letzte in München. Nachdem ich also tagsüber meinen letzten Kram in Kisten verstaut haben werde, gehe ich am Donnerstag abends ins Import Export. Dort spielen gleich zwei Bands. Einmal die französische Underground Band Heimat. Und das Duo Hunger, dessen Musik sich durch „schreckliche Unfälle“ auszeichnet, die unumgehbar, dennoch willkommen sind, aber am Ende „schreckliche Unfälle bleiben“. Bei Hunger findet sich auch das Motiv des Bedeutungslosen wieder. Trash ist bei dieser Band nicht nur Deko, sondern Teil des tragenden Fundaments, heißt es auf der Website des Import Export. „Am Ende wird genau das zu höherem Unsinn veredelt.“ Und nachdem das ein ziemlich geiles Zitat ist, belasse ich es einfach dabei.
Luca Lang