Quoten-Poesie

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Felicia Brembeck, 20, steht bei Poetry Slams oft als einzige Frau auf der Bühne. Sie schreibt Texte über ihren Glauben und muslimische Kopftuchträgerinnen. Jetzt will sie Mädchen beim Einstieg in die Szene helfen

Erotik-Slam in Augsburg. Die Bühne liegt in rotes Licht getaucht. Felicia Brembeck steigt aufs Podium. Sie trägt ein eng anliegendes schwarzes Kleid und eine dunkle Netzstrumpfhose. Bis dahin nicht ungewöhnlich. Ihre Slam-Kollegen sind vorher am Mikrofon schon zur Sache gekommen: derbe Sprüche, anzügliche Witze, zotige Geschichten. Doch Fee, so heißt sie auf der Bühne, macht es anders. Die junge Münchnerin trägt einen Text über Vergewaltigung vor – und setzt noch eine Abtreibung drauf.

Wie ernst ihre Texte sind, merkt man Fee, 20 (Foto: Jeannette Kummer), gar nicht an. Sie hat ein ansteckendes Lachen. Und eigentlich einen bühnenwirksamen Sinn für Humor. Auf Partys von ihrem Theologiestudium zu erzählen – das käme „einem Outing gleich, eine Nacht mit Sigmar Gabriel verbringen zu wollen“, heißt es in einem ihrer Texte. „Ich entdecke in letzter Zeit immer mehr, dass ich auch humorvoll schreiben kann“, sagt sie. Entschuldigend. So, als ob das eigentlich überhaupt nicht zu ihr passe.

Eine typische Poetin ist Fee nicht. Wenn der Schnaps nach Poetry Slams in Strömen fließt, lehnt sie höflich ab. Nein danke, sie trinke keinen Alkohol. Und sie trägt statt Schlabberhosen und Sneakers auch mal Glitzerpulli und Blumenohrringe. Fee, blond und adrett, hat etwas Niedliches an sich (Foto: Marvin Ruppert). Als sie am Anfang ihrer Slam-Karriere noch nervös ins Mikrofon stammelte, da fanden das die Leute einfach süß, glaubt sie. Und von einem Hip-Hop-Tanzkurs schickte sie die Lehrerin nach zwei Stunden mit den Worten nach Hause: „Magst du nicht lieber Ballett machen?“ 

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Aber wenn Fee auf der Bühne steht, ist das Niedliche verschwunden. Keine Spur von Piepsstimme. Fee spricht laut, klar, durchdringend. Ihre Wortbilder: kraftvoll. Nervös ist sie kaum mehr, sagt sie. Die zwei, drei Auftritte die Woche merkt man ihr an. Nur im Münchner Substanz kommt das Herzklopfen wieder. Hier hat sie in der 12. Klasse den Poetry Slam kennengelernt. „Das hat mich damals total verzaubert.“ Vorher hatte sie schnulzige Gedichte geschrieben. Jetzt lernte sie in Workshops das Poetry-Handwerk. Bald traute sich Fee auf die Bühne – verpatzte den ersten Slam, nur um den zweiten zu gewinnen.

Den Platz vor dem Mikrofon hat sie mittlerweile für sich erobert. Selbstverständlich ist das nicht: Poetry Slam ist schließlich immer noch größtenteils eine Männerdomäne. „Generell treten mehr Männer als Frauen auf“, bestätigt Ko Bylanzky, der die Slams im Substanz organisiert. Zu feministischen Schlachtrufen veranlasst das Fee aber nicht. Gedichte schreiben, über Gefühle reden, all das sei viel zu lange als unmännlich abgetan worden. „Ich finde es positiv, dass es im Slam männliche Rollenvorbilder gibt“, sagt sie. Trotzdem: An vielen Slam-Abenden ist Fee die einzige Frau – als Quotenfrau, wie sie mutmaßt. Ihre Weiblichkeit bringt ihr allein optisch oft einen Vorteil ein, gesteht sie freimütig. Aber auch viele dumme Komplimente: „Wow, für ’ne Frau bist du wirklich gut.“ Fee rollt mit den Augen.

Um Frauen den Einstieg in den Slam zu erleichtern, bastelt die junge Münchnerin gemeinsam mit Slam-Freunden an einer Website. „Slam Alphas“ will Newcomerinnen in Porträts vorstellen. „Wenn jemand einen Poetry Slam organisiert und überlegt, wen er einladen könnte, dann fällt ihm meistens eher ein Mann ein als eine Frau“, sagt Fee. Die neue Plattform richtet sich daher vor allem an Veranstalter. Gerade sie sollen draufkommen, dass es ja doch einige spannende Slammerinnen gibt. Und dass man die mal einladen könnte.

Damit es ihnen vielleicht auch mal so geht wie Fee. Sie feiert auf Slam-Bühnen ihre Erfolge. 2013 hat sie die deutschsprachigen U 20-Meisterschaften gewonnen, seitdem flattern oft Einladungen von Slam-Clubs ins Postfach. Für Engagements mit Gagen bis zu tausend Euro reist Fee durch Deutschland. Bescheiden geblieben ist sie trotzdem. Über ihre Titel sagt sie, fast wie um sich zu rechtfertigen: „Das hat viel mit Glück zu tun, mit den richtigen Umständen.“ Der Text muss zur Stimmung des Publikums passen, richtig platziert sein, um gut wirken zu können, den Nerv der Veranstalter treffen. „Es liegt nicht an uns, ob wir gewinnen, sondern am Publikum!“

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Und die Zuschauer klatschen die junge Münchnerin oft ins Finale (Foto: Inken Weber). Obwohl sie ihr Publikum mit harter Kost versorgt: Themen, die nicht zum Schenkelklopfen sind, sondern eher zum betretenen Innehalten, Mitfühlen, Aufgewühlt-Sein. Das muss nicht immer etwas so Schockierendes sein wie sexuelle Gewalt. Häufig kommt die Inspiration für neue Texte auch aus Fees Lebenswirklichkeit. „Aber man darf sich halt auch nicht nackt machen auf der Bühne“, sagt sie. Nicht alles, was ihr privat am Herzen liegt, ist auch für ein großes Publikum relevant. Persönliches macht sie daher gerne diffus, verkleidet es in Kunstform. Als eine langjährige Freundschaft in die Brüche ging, schrieb sie sich Wut und Trauer in einer Nacht von der Seele. Herausgekommen ist einer ihrer erfolgreichsten Texte, mit dem sie oft aufgetreten ist, Preise gewonnen hat. „Der Müllschlucker“ – das ist sie selbst, die bereitwillig für einen Freund da ist, wenn es ihm schlecht geht. Und irgendwann versteht, dass er nur das Dunkle, Traurige bei ihr ablädt wie auf einer Müllhalde. „Es war ein negatives Erlebnis und ich hab was Positives draus gemacht“, sagt Fee und zögert kurz. „Kunst.“

Kunst als Therapie, ja, aber nicht nur. Als gläubige Christin ist Fee schon auf einem interreligiösen Slam aufgetreten – gemeinsam mit jüdischen und muslimischen Poeten. „Das hat viele Vorurteile bei mir aufgelöst“, sagt sie. Etwa über muslimische Kopftuchträgerinnen. „Das sind Leute, über die ganz viel geredet wird, aber mit denen wenig gesprochen wird.“ Ihnen will Fee in ihren Texten Gehör verschaffen: Wie ist es, wegen eines Kopftuchs unter Generalverdacht gestellt zu werden? Anderen eine Stimme zu verleihen, ist ein gewagter Anspruch – und ein wenig stereotyp. Fee nimmt dem Klischee mit einem Witz die Schwere. „So viele Leute sind gezwungen, mir zuzuhören!“

Irgendwann wird Fee freiwillig von der Slam-Bühne treten. Sie will nicht Poetin werden, sondern Opernsängerin. Über den Kinderopernchor der Staatsoper, in dem sie früher sang, ist sie längst hinausgewachsen. Mittlerweile tritt sie mit Kirchenmusik auf – mit Arien manchmal sogar im Rokoko-Kostüm. Gesang schlägt Dichtkunst – vor allem, weil die Stimme bei Auftritten in verrauchen Slam-Bars gefährlich heiser wird. „Das kann man sich im Gesang nicht leisten“, sagt Fee pragmatisch.