Pssst!

Von Laura Bergler, Hannah Kittel und Viktoria Molnar

Clubs und Bars in München haben ein Probelm: Oft beschweren sich Anwohner über Lärmbelästigungen. Jetzt liegt die Hoffnung bei einzelnen jungen Menschen. Sie sind die Retter der Nacht und arbeiten als Silencer. Ihre Aufgabe: bis früh am Morgen für Ruhe sorgen.

Das Münchner Nachtleben ist in Gefahr. Immer häufiger bekommen Clubs Ärger von Anwohnern, die sich in ihrer Abendruhe gestört fühlen und sich oft beschweren, dass sie nicht schlafen können. Manche Läden stehen vor dem Aus.Seit dem Rauchverbot stehen Menschen vor den Türen der Lokale, um dort in Gesellschaft und bei oft lauten Gesprächen zu rauchen. Aus dieser Not heraus ist in München vor ein paar Jahren ein neuer Job entstanden – der des Silencers, abgeleitet aus dem englischen Wort silence, also Ruhe. Die Aufgabe der Silencer ist es, die lärmenden Gäste zur Ruhe zu bringen und am besten eine Ansammlung von Menschen auf den Straßen direkt zu vermeiden. Wir haben mit sieben Silencern gesprochen:

1. Was sind deine drei
am häufigsten gesagten Sätze?
2. Hast du Verständnis
für die Anwohner?
3. Ist die Notwendigkeit
von Silencern in München
ein Phänomen?

SEBASTIAN FRANZ, 25, arbeitet seit Mai 2018 als Silencer im Goldenen Reiter und im Import Export. Schlaf hat für ihn den höchsten Stellenwert, weshalb er versucht, jede Nacht auf acht Stunden zu kommen.

1. „Was geht?“, „Psst!“ und „Seid bitte leise und geht rein!“

2. „Ja, in gewisser Weise schon, weil sie da wohnen und keine Lust darauf haben, dass es laut ist, weil es ihr Rückzugsort ist. Andererseits gibt es dort seit 15 Jahren Clubs. Die meisten, die dort leben, sind relativ jung, deshalb können sie sich das denken.“

3. „Ne, definitiv nicht. Es gibt überall dort Silencer, wo Clubs in der Nähe von Wohnhäusern sind. In Köln, Hamburg, Berlin habe ich auch schon Silencer gesehen.“

GIULIA GANSER, 21, arbeitet seit März 2018 als Silencerin im Café Kosmos am Hauptbahnhof. Sie selbst braucht genug Schlaf, um täglich im Unterricht gut aufzupassen.

1. „Runter vom Fahrradweg, das kann echt gefährlich sein!“, „Psst!“, „So, jetzt aber mal die Fresse halten!“ – aber das mit einem Lachen auf den Lippen.

2. „Absolut! Ich wohne selbst im Gärtnerplatzviertel und habe privat oft mit der Lautstärke auf der Straße zu kämpfen, wenn ich nachts schlafen möchte. Einmal habe ich sogar Wasser aus dem Fenster auf die lärmenden Gäste geschüttet, als ich es nicht mehr aushielt. Ich verstehe zu 100 Prozent, dass die Leute irgendwann einfach die Polizei anrufen, wenn sie sich nicht mehr zu helfen wissen. Besonders in den Sommermonaten kann man nicht mit offenem Fenster schlafen, weil sich das gesamte Nachtleben auf der Straße abspielt.“

3. „Auf jeden Fall! Meiner Meinung nach gibt es nirgendwo in Deutschland so viele Beschwerden wie hier, weil die Nachtruhe nicht eingehalten wird. Die Toleranzgrenze ist hier schon sehr niedrig. Auf der anderen Seite finde ich Sprüche wie „Dann sollen die Leute doch wegziehen, wenn es ihnen hier zu laut ist“ einfach frech. Die Bar-szene hat sich erst in den vergangenen Jahren so stark entwickelt.

KATHARINA ADELMANN, 25, arbeitet seit Januar 2017 als Silencerin. Angefangen hat sie im Awi und ist dann mit dem Team in den Goldenen Reiter in die Theklastraße umgezogen. Ihr Schlafrhythmus leidet oft sehr unter ihrem Job und den durchzechten Partynächten.

1. „Zum Rauchen bitte auf die andere Straßenseite!“, „Die Tür muss geschlossen sein!“, „Viel Spaß!“

2. „Wenig, vor allem in dieser Straße. Hier gab es nun mal schon in den Achtzigerjahren Clubs. Wir alle bemühen uns sehr darum, dass die Musik nicht zu laut ist. Vor allem unsere Chefs sind da sehr dahinter. Wir gehen immer auf die Anwohner ein und versuchen, nicht ignorant zu sein, sondern gesprächsbereit.“

3. „Ne. Ich habe aus Köln gehört, dass da in hippen Vierteln Bars auch Probleme mit den Anwohnern haben.“

JENS STAHLMANN, 30, arbeitet seit September 2018 als Silencer in der Fox Bar. Er braucht viel Schlaf, um tagsüber im Job fit zu sein.

1. „Hallo und schönen Abend!“, „Viel Spaß!“, „Denkt bitte an die Anwohner!“
2. „Absolut! Die meisten Anwohner kenne ich vom Vorbeigehen und wir grüßen uns oder nicken uns zu. Ich mache meinen Job sehr gewissenhaft und habe das Gefühl, dass die Nachbarn das auch zu schätzen wissen. Ich habe auch schon das Feedback bekommen, dass es mittlerweile viel ruhiger ist als früher. Das bestätigt meine Arbeit natürlich noch einmal.“

3. „Ich denke, München ist eine der ersten Städte in Deutschland, in der Silencer engagiert wurden. Mit der Zeit werden aber sicherlich mehr Großstädte an dieses Konzept anknüpfen, da vor allem die Innenstädte immer dichter besiedelt werden.“

TIMMY BAUER, 27, arbeitet seit Mai 2018 als Silencer in der 404 Page not found und im Komitee. Schlaf ist ihm sehr wichtig, muss aber nicht immer nur in der Nacht stattfinden.

1. „Ruuuuhig!“, „Contenance!“, „Bitte nehmt Rücksicht auf die Nachbarschaft!“

2. „Auf eine gewisse Art und Weise schon. Obwohl es meistens immer eine einzige Person ist, mit der es Ärger gibt. Ob das nun ein lärmender Gast an einem Abend ist oder ein Anwohner.“

3. „Ja ganz klar! Das hängt aber mit der Gentrifizierung zusammen. Die Wohnungen hier werden alle luxussaniert und werden dann natürlich auch von Leuten bewohnt, die einen gut bezahlten und zugleich stressigen Job haben. Da kann ich schon auch verstehen, dass die ihren Schlafen brauchen. Vor allem gibt es Bars ja hauptsächlich, um sich darin auf zu halten und nicht vor der Tür.“

SANDRINA WEISS, 27, arbeitet seit Mai 2013 als Silencerin im James T. Hunt. Sie braucht nur unter der Woche genügend Schlaf, am Wochenende reichen ihr kurze Nächte.

1. „Bitte das Getränk abstellen!“, „Wie viel Leute seid ihr?“, „Pssst!“

2. „Ich habe zu 100 Prozent Verständnis. Wir sind ja eine Bar und haben wirklich jeden Tag bis zwei Uhr offen. Die Anwohner zahlen Miete und wollen dann auch schlafen oder arbeiten können oder was auch immer sie da nachts treiben – und dafür habe ich vollstes Verständnis.“

3. „Ich glaube schon, dass es in München verstärkt ist. Generell habe ich das Gefühl, hier wohnen sehr viele gemütliche Menschen, die es auch gerne gemütlich haben wollen. Ich denke aber auch, dass Silencer hier in München eine besonders wichtige Aufgabe haben – auch im Hinblick darauf, dass man Getränke ja hier nach 23 Uhr nicht mehr mit raus nehmen darf. Dadurch, dass man als Silencer die erste Person ist, die man als ankommender Gast sieht, assoziiert man irgendwie mit diesem Menschen dann auch automatisch die Bar. Und auch wenn unser „Pssst“ mittlerweile zu einem Running Gag geworden ist, respektieren es die meisten dann doch und nehmen es ernst.“

SARAH BONAUER, 25, arbeitet seit September 2018 als Silencerin in der Frau Bartels Bar im Glockenbachviertel. Genügend Schlaf zu bekommen, wird absolut überbewertet, sagt sie.

1. „Gläser bitte drinnen lassen!“ – das sagt sie alle zwei Minuten, „Hey, könnt ihr bitte ein bisschen leiser sein!“, „Schönen Abend noch!“

2. „Ich habe auf jeden Fall Verständnis. Ich verstehe auch, dass es nervt, wenn es laut ist. Vor allem, wenn es dazu führt, dass man im Sommer nachts die Fenster überhaupt nicht offen haben kann. Andererseits denke ich, dass man, wenn man in der Stadt wohnt, vor allem in diesen Vierteln, eigentlich damit rechnen muss. Klar gibt es aber auch Leute, die da schon ewig wohnen und plötzlich macht dann da eine Bar oder ein Club auf – dann verstehe ich, dass sie sich aufregen.“

3. „Ich würde sagen: Ja, es ist schon ein kleines Münchner Klischee, es gehört zu München dazu. In anderen Städten sieht man nicht so häufig, dass die Leute draußen stehen und nicht mal laut lachen dürfen. Aber ich mag es irgendwie, das macht München irgendwie auch aus.“

Credit: Alessandra Schellnegger