Die Nuklearkatastrophe, die sich vor zwei Jahren in Japan ereignete, hat sich in einem Wort in unser Gedächtnis gebrannt: Fukushima. Auch in das der Halbjapanerin Mariko Minoguchi (Foto: Philipp Trauer), die deshalb für zwei Monate nach Japan reiste und einen bewegenden Film über das Leben nach Fukushima drehte.
Ein Kraftwerk an der Küste, aus dem riesige dunkle Wolken aufsteigen. Auf den Fotos sieht das Bauwerk fast so aus wie ein Spielzeug. Es sind diese Bilder aus Fukushima, Japan, die am 11. März 2011 um die Welt gehen. Sie dokumentieren den Beginn einer nuklearen Katastrophe. Jetzt, zwei Jahre nach dem Reaktorunfall, hat die Halbjapanerin Mariko Minoguchi, 24, einen Film über das Leben nach Fukushima gedreht. Die junge Frau aus München zeichnet Japan in leiseren Bildern, die nicht weniger berühren: Da ist zum Beispiel das Bild einer Mutter, die mit ihrem Teenager-Sohn noch immer in Fukushima City wohnt. Wie viele der Menschen in der Region ist sie zu arm, um wegzuziehen aus der strahlenbelasteten Stadt, und lebt dort nun in dem Wissen, dass ihr Kind wahrscheinlich eines Tages an den Folgen des Atomunglücks erkranken wird.
Acht Wochen lang bereist Mariko gemeinsam mit ihrem Vater dessen Heimatland, weil sie das Gefühl hat, dass sie Mitgefühl zeigen muss. Sie nimmt sich Zeit, um etwa 40 Interviews zu führen, hauptsächlich mit Ortsansässigen, die knapp außerhalb der „20-Kilometer-Zone“ leben, also dem Bereich, der von der Regierung evakuiert worden ist. Eigentlich, sagt die zierliche Mariko, sei sie gar keine Dokumentarfilmerin. Eigentlich möchte sie Spielfilmregisseurin werden.
Sie, die mit einem Mix aus beiden Kulturen hier in München aufwächst, erfindet von klein auf gerne Geschichten, bettelt ihre Eltern so lange an, bis sie ihr eine Kamera schenken, mit der sie kleine Familienfilmchen macht. Doch dass Filmemachen ein richtiger Job sein kann, versteht sie erst, als sie mit 16 ein Schnitt-Praktikum macht. Nach dem Abitur wird ihr Wunsch, Filme zu machen, durch Regie-Praktika und Assistenzen weiter verstärkt. Aber sie dreht auch erste eigene szenische Kurzfilme, durch die sie sich in München zunehmend einen Namen macht: Ihr bisher bekanntestes Werk „Karlstod“ läuft auf renommierten Festivals wie den Hofer Filmtagen oder dem Max-Ophüls-Preis – diesen Samstag ist die Filmpremiere an der HFF München gewesen.
„Karlstod“, das ist die Geschichte eines Paares, das Abschied voneinander nehmen muss, weil einer der Partner an Krebs leidet und bald sterben wird. „Trauer ist so eine unglaublich einsame Sache, weil man es so schwer teilen kann“, sagt Mariko, die sich nach dem Tod einer Freundin mit dem Abschiednehmen beschäftigt. „Gerade hier in Deutschland. In Japan haben viele einen Schrein für ihre verstorbenen Verwandten, da wird die Trauer viel präsenter gehalten. Hier darfst du zwar eine Zeit trauern, aber dann muss du auch irgendwann damit fertig sein.“
Im Film trauert der Schauspieler Matthias Brandt („Polizeiruf 110“) um seine todkranke Frau, den Mariko ebenso für das aus Fördergeldern finanzierte Projekt hat gewinnen können wie Juliane Köhler („Nirgendwo in Afrika“), die weibliche Hauptrolle. „Das Ungesagte wiegt hier viel schwerer als das Gesagte“, urteilt die deutsche Film- und Medienbewertung, von der Marikos Film das Prädikat „besonders wertvoll“ erhält. Es ist eine leise, bedrückende Erzählung, die Mariko hier auf 15 Minuten Länge realisiert hat.
Nun kommt also von ihr eine nicht weniger bedrückende Dokumentation über den Umgang der Japaner mit dem Unglück in Fukushima. „Eigentlich bin ich mit meinem Film ein bisschen gescheitert“, gibt sie zu. Und eigentlich sei sie mit der Hoffnung einer globaleren Erkenntnis über die Atomproblematik nach Japan gereist, vor allem in Hinblick darauf, wieso ein Land, das selbst Opfer von zwei Atombomben geworden ist, derart euphorisch den Bau von Kraftwerken auf der so erdbebengefährdeten Insel unterstützt hat. Schnell merkt sie, dass diese Frage viel zu komplex ist, um in einem Film eine eindeutige Antwort zu finden.
Was sie aber will: den Menschen und deren Lebensgefühl gerecht zu werden. „Die Leute waren so froh, dass jemand sich für die Problematik interessiert, ihnen zuhört“, erinnert sich Mariko. Sie weiß, dass diese Form der Öffentlichkeit in Japan keine Selbstverständlichkeit ist. Es macht sie wütend, wie in den dortigen Medien mit dem Unfall umgegangen wird. In ihren Augen sind gerade zu Beginn der Katastrophe zu viele Informationen gezielt zurück gehalten worden, angeblich um Panik zu vermeiden. Auch sei in Japan das Vertrauen in die Politik oft viel stärker als in Deutschland. „Wenn da die Regierung sagt, die Situation sei nicht so gefährlich, dann ist es natürlich eine schwierige Entscheidung, sein Zuhause zurückzulassen und seinen Job zu kündigen“, sagt Mariko.
Doch anders als ihre Interviewpartner ist Mariko nicht gezwungen, dort zu bleiben: Viele der Japaner sind besorgt, dass sie freiwillig in die Gefahrenzone reist, um einen Film zu drehen. Während sie so von diesen Befürchtungen erzählt, sitzt sie wieder in Deutschland, in einem Münchner Hinterhofhaus, das von Efeu umrankt wird. Hier, im schicken Nymphenburg, hat die unprätentiöse Frau mit dem Karohemd und den blauen Turnschuhen seit Kurzem das Büro ihrer Firma, denn das ist eigentlich ihre Welt.
Mit ihren Freunden Philipp Trauer und Trini Götze hat sie die Produktionsfirma Trimaphilm gegründet, die nach Kurzfilmen nun Marikos Langfilmdebüt realisieren möchte: eine Coming-of-Age-Geschichte für junges Publikum, die in der nahen Zukunft nach dem Untergang der Zivilisation spielen soll. „Es soll schon ein Überlebenskampf sein“, beschreibt Mariko ihre Vision, „aber es geht auch um so Sachen wie: das erste Mal verliebt zu sein.“ Für die Produktion der Geschichte bekommt das Team Unterstützung von Produzent Thomas Wöbke, der Filme wie „Crazy“ gemacht hat. Bis zum Dreh dauert es aber noch – die Finanzierung gestaltet sich schwierig.
Genug Zeit, um weiter an ihrer Fukushima-Doku zu arbeiten, die noch in der Postproduktion ist. Vieles in Fukushima hat sie emotional so sehr berührt, dass sie noch gar nicht weiß, wie sie das im Film genau erzählen soll und was mit der Doku passiert, wenn sie fertig ist. Was sie möchte: Ein großes Publikum mit ihren Bildern erreichen. Bilder, wie das eines verwaisten Landstrichs. Bilder, die so sehr nach Filmkulisse aussehen, dass sie fast die Vorarbeit zu ihrem geplanten Spielfilm sein könnten, wenn man es nicht besser wüsste.