Isabell Pettau, 23, und Anne Zoogbaum, 20, klären auf ihrem Youtube-Kanal „AnisasVlog“ junge Homosexuelle auf. Ihre Hoffnung: Die offene Präsentation von LGBTQI-Liebe im Internet trägt zu deren Normalisierung bei
Von Amelie Völker
Zwei braune Augenpaare sind auf den Zuschauer gerichtet. Leise Klaviermusik dient als Untermalung dieses Youtube-Videos. Isabell Pettau, 23, und Anne Zoogbaum, 20, sitzen vor einem weißen Vorhang mit Lichterkette. Im Hintergrund steht eine kleine gerahmte Schwarz-Weiß-Fotografie der beiden, auf der sie ihre Köpfe aneinanderschmiegen. Isabell, genannt Isa, ergreift das Wort: „Es gibt wahrscheinlich viele, die sagen werden, heutzutage ist es doch gar nicht mehr nötig, so ein Video zu drehen, und dass es alles schon normal sein sollte. Wir erleben aber leider auch immer wieder, dass es nun mal noch nicht als normal angesehen wird.“
Sie erzählt von Blicken oder Rufen auf der Straße, die ihnen gegolten haben. Mit Videos wie diesem wollen die beiden Münchnerinnen auf ihrem Kanal „AnisasVlog“ einerseits zur Normalisierung dessen beitragen, was sie sind: ein glückliches, völlig normales Pärchen. Andererseits wollen sie jungen homosexuellen Menschen Mut machen: „Wir wissen, wie es ist, in so einer Situation zu sein. Wenn man merkt, es verändert sich gerade etwas im Leben, und man weiß noch nicht richtig, wie man die Signale deuten soll“, sagt Anne. Auch um Teenagerschwärmereien geht es in diesem Video. Um die erste Beziehung. Und das Coming-out vor den Eltern und Freunden.
Isa und Anne sind seit mehr als einem Jahr ein Paar. Sie wirken, als wären sie viel länger zusammen. Sie gehen vertraut miteinander um, ihre Beziehung schaut gefestigt aus. Seit vergangenem September existiert „AnisasVlog“. Zusätzlich zu diesem Youtube-Kanal führten die beiden bis vor Kurzem auch eine Instagramseite mit mehr als 11 000 Followern. Diese haben sie kürzlich jedoch abgeschaltet. Zu viel Rummel. Zu viel Arbeit. Teilweise wurden sie von jungen Fans, die unbedingt ein Bild von den beiden ergattern wollten, nahezu gestalkt. Es existieren inzwischen sogar eine Handvoll Fanpages zu „AnisasVlog“ auf Instagram.
Es wird klar: Mit der Veröffentlichung ihrer Liebe stehen Isa und Anne als LGBTQI-Vorbilder für die neue Instagramgeneration. Viele junge Menschen meldeten sich über die Seite, baten um Rat, was das Thema Homosexualität angeht. Isa widmete sich geduldig jeder einzelnen Nachricht, nahm sich Zeit, beantwortete Fragen, schrieb lange Texte. Zum Beispiel einer jungen Fußballerin, die sich nicht traute, sich zu outen. „Sie hatte das Bedürfnis zu reden und das konnte sie mit mir tun“, sagt Isa. Doch irgendwann wird es den beiden zu viel. Sie entscheiden sich dazu, ihren Account abzuschalten. „Es ist nun mal auch ein extremer Druck, dem man da ausgesetzt ist“, sagt Anne, „du passt dein Leben komplett an Instagram an. Kaufst dir extra neue Kleidung, schminkst dich oder machst Fotoshootings.“
Trotzdem sehen Anne und Isa homosexuelle Influencer wie sich selbst vor allem als positiven Einfluss auf die heranwachsende Generation. Die offene Präsentation von LGBTQI-Liebe trage zu deren Normalisierung bei, sagt Isa. In einer Welt, die noch viel zu weit entfernt ist von einer Gleichberechtigung in diesem Bereich. In ihren Videos wirken Anne und Isa stets nahbar, natürlich und sympathisch. Ohne sich und ihre Liebe öffentlich zur Schau stellen zu wollen. Keine Küsse in den Videos, keine zu privaten Themen, um Tausende Clicks und Likes zu ergattern, wie es durchaus bei anderen Influencern zu beobachten ist. Sich in dieser Weise zu präsentieren, wäre für Anna und Isa unvorstellbar – ihre Pressefotos unterstützen diese Aussage nicht ganz: Sehr ästhetisch, sehr nah zeigt sich das Pärchen, vielleicht aber auch ein bisschen zu privat. Natürlich: In den Videos ist das anders. „Im Endeffekt sehen die Menschen 20 Prozent von unserem Leben und das ist kein Geheimnis“, sagt Isa. Videos, wie das über ihre Coming-out-Story, posten sie, um andere zu ermutigen. „Wir sind ja bewusst in die Öffentlichkeit getreten, um aufzuklären“, sagt Isa.
Isa und Anne sind selbsternannte „Digital Natives“. Sie kennen sich aus, was das Thema soziale Medien angeht. Schließlich machen sie sich gerade gemeinsam selbständig in einem Bereich, der für viele auf den ersten Blick noch immer fremd und überflüssig erscheint: Künstlermanagement für Influencer. Also für jene Internet-Berühmtheiten, die durch gezielte Produktplatzierungen auf ihren Accounts ihr Geld verdienen. Das eigene Profil löschen, aber für andere Internetstars arbeiten? Wie passt das zusammen? „Wir wollen etwas verändern und den sehr jungen Menschen in dieser Branche helfen, ohne sie falsch zu beraten“, sagt Isa. Heutzutage sei das ein Management-Job wie jeder andere. Statt Fernsehen sei insbesondere Instagram nun mal das neue Medium schlechthin für die jüngeren Generationen.
Isa und Anne führen zudem einen Online-Modeshop Namens lgbtpq-shop mit eigenen Kollektionen. Das P in dieser Abkürzung steht in diesem Fall für „pansexuell“: eine sexuelle Orientierung, bei der Personen in ihrem Begehren keine Vorauswahl nach Geschlecht beziehungsweise Geschlechtsidentität treffen. Auf ihren selbstentworfenen T-Shirts und Hoodies stehen Sprüche wie: „The future is gay“, „Oh Deer, I’m Queer“, oder „The world has bigger problems than boys who kiss boys and girls who kiss girls“. Anne trägt eines der eigenen Armbändchen in Regenbogenfarben am Handgelenk. Früher wurde über Homosexualität geschwiegen, heute wird dieses Thema an die Öffentlichkeit getragen. „Jetzt ziehen sich Menschen T-Shirts mit Regenbogenmotiven an, tragen Bändchen, zeigen sich“, sagt Anne, „ich denke, wir sind auf einem guten Weg.“
Foto: Meltem Salb