Foto Dieter Schnöpf

„Ich möchte kein Comedian-Gott sein“

Vor neun Jahren kam Hani Who, 23, aus Afghanistan nach Deutschland – heute unterhält er das Münchner Publikum

Von Max Fluder

Eine Brille rahmt Hani Whos Blick auf die Menschen vor ihm. Im Alltag mag er so noch das Geschehen vor sich mitbekommen, aber auf der Bühne hat dann auch die Sehhilfe ihren Effekt verloren. Zu grell ist das Scheinwerferlicht, um noch einzelne Personen ausmachen zu können. Wenn er denn überhaupt nach ihnen Ausschau hält: „Das Publikum hat das Gefühl, dass ich sie ansehe. Aber ich bin in meiner eigenen Welt.“ Der Fokus liegt dann ganz auf seinen Worten, seiner Stimme und seinen Pointen.

Dass Hani Who heute auf Münchner Bühnen seine Comedy-Shows aufführt, ist nicht selbstverständlich. Der 23-Jährige heißt
gar nicht Hani, sondern Hamid Nikpai. Und Hani kommt nicht aus München, sondern aus Oberammergau. Auch das ist wieder nur die halbe Wahrheit. Denn erst 2010 ist Hani in Bayern angekommen und musste sein Leben ausgehend von einer Flüchtlingsunterkunft neu ausrichten. Seine Familie blieb in Afghanistan zurück, engen Kontakt haben sie immer noch: „Ich skype mit Ihnen, wir telefonieren oft.“

Der Comedian kennt den Mittleren Osten und Europa, er kennt das Leben in der Stadt und auf dem Land. Ein Bild von Deutschland habe sich der Jugendliche schon vor seiner Ankunft gemacht, aber vor allem die Kleinigkeiten im Umgang fielen im auf: „getrennt zu zahlen, ein anderes Verständnis vom Teilen“. Aufhalten ließ sich Hani von der neuen Umgebung nicht. Im Gegenteil: „Ich war jung, ich war offen, ich war abenteuerlustig. Es war für mich einfach Neuland.“ Er nutzte die Chance, sich mit seiner Kultur, seiner Religion und seiner Herkunft zu beschäftigen. Ein Selbstfindungsprozess.

Ein Freund aus der Flüchtlingsunterkunft lud ihn 2012 ein, beim Oberammergauer Passionstheater mitzuspielen. Zuerst war er als Statist tätig, später auch als Teil des Chors in Nabucco. In seiner alten Heimat werde die Kunst nicht so wertgeschätzt wie hier, sagt er. Umso wichtiger war es für ihn, als Heranwachsender auch das Theater für sich entdecken zu können. Hat ihm dabei das Deutschlernen auf die Bühne geholfen? Oder hat er über die Auftritte Deutsch gelernt? „Weder noch“, sagt er. „Die beiden ergänzen sich mittlerweile.“ Seine Bühnenpräsenz habe sich mit der Zeit ergeben.

Die Sprache bleibt dennoch zentral für Hani. Sie wird zum Thema bei seinen Comedy-Auftritten, sie wird zu seinem Orientierungspunkt. Seine Texte sind darauf aus, dass die Zuhörer über die Eigenheiten der Sprache und das Lernen der Sprache lachen. Sprichwörter werden in ihre zumeist absurden Einzelteile zerlegt. Das alles mit einer gewissen Selbstironie und einer Spur Sarkasmus. Hani könnte sich seine Herkunft zu eigen machen und seine Show um Stereotypen herum aufbauen. Er verzichtet darauf: „Wenn du nicht so angesehen werden willst, wieso präsentierst du dich dann so?“ Es liege an den Komikern selbst, solche Vorurteile zu entkräften.
Comedy ist nicht sein einziger Zugang zur Sprache. Auch über die Musik ist Hani ihr verbunden. Seit 2013 ist er Sänger und Songwriter bei der Band AAVAA und textet zweisprachig; auf Deutsch und auf Englisch. Persönlich bevorzugt er Deutsch: „Ich kann mich einfach vielfältiger ausdrücken. Ich kann mit den Wörtern spielen wie bei Comedy.“ Andere Künstler sagten ihm, sie würden nur auf Englisch schreiben. Für Hani ist das zu anonym. Er möchte beim Publikum und im Publikum sein. „Sie sollen nicht nur verstehen, was ich sage. Sie sollen fühlen, was ich fühle.“ Eine Herausforderung bleibt: Deutsch zu singen, sei eine Gratwanderung zwischen Kitsch und Kunst.

Der Name der Band, AAVAA, stammt aus dem Persischen. Das Wort ist mehrdeutig und eine mögliche Übersetzung wäre „Stimme“. Schwieriger noch, als die verschiedenen Wortbedeutungen zu erklären, ist der Umgang mit den verschiedenen Gesellschaftsvorstellungen. Hani versucht, Verständnis füreinander zu vermitteln und Vorurteile abzubauen: „Meine Aufgabe als jemand, der die beiden Welten versteht, ist es, aufzuklären, weshalb es zu Missverständnissen kommt. Der Humor ist da ein gutes Mittel.“ Als Jugendlicher in eine völlig andere Welt gekommen zu sein, habe ihn mit einem kritischen Blick ausgestattet. Auf die neue und auf die alte Heimat.
So einfach das auch klingt: Seine Grenzen als Comedian musste Hani erst ausloten. Nicht jede Nummer kann aufgeführt werden. Angefeindet wurde er zwar noch nie, nach kruden Nazi-Vergleichen stand er aber schon vor einem stillen Raum. Auch Witze über Ostdeutsche riefen Protest hervor. Umso wichtiger sei es, sich ständig zu hinterfragen. Dass Hani reflektiert nachdenkt, merkt man schnell. Für eine Kurzbeschreibung in drei Wörtern überlegt er auch nach 40 Minuten Gespräch noch, was er am besten sagen würde. Kurz vor seinen Auftritten hat er keine Angst, niemandem zum Lachen zu bringen. Er malt sich eher aus, wie das Publikum anfängt zu lachen.

Seine Familie in Afghanistan weiß, dass er als Comedian aktiv ist. Der Vater ist nicht begeistert und hätte es lieber, wenn sein Sohn etwas Anständiges machen würde. „Wie bei den Älteren hier in Deutschland. Nur noch ein bisschen stärker ausgeprägt.“
Hani ist ehrlich. Mit seinem Dasein als Comedian in München hat er noch kein stabiles Einkommen, deshalb arbeitet er als Erzieher. Aber die Szene in der Stadt sei jung und entwickele sich. Dazu trägt er auch selbst bei. Gemeinsam mit Nick Schmid veranstaltet er jeden Montagabend einen offenen Comedy-Abend im Club „Für Freunde“.

Auch wenn Hani jetzt in München wohnt, will er 2020 kurz nach Oberammergau zurück, um an den Passionsfestspielen teilzunehmen. Er gibt aber auch zu: „Mir fehlen die Berge; die frische Luft.“ Ein weiterer Plan für die Zukunft: ein eigenes 90-Minuten-Programm, das er in München aufführen möchte. Noch gibt es dafür nicht den richtigen Ort.
Seine Träume sind größer. Mit genügend Mitteln würde er beim Bau einer Schule in Afghanistan helfen. Mit eigenem pädagogischem Konzept. Besonders Mädchen sollen so Zugang zu Bildung erhalten und er könnte sein Wissen aus dem Studium der Kindheitspädagogik anwenden. Schon jetzt unterstützt er bereits bestehende Projekte. Eine Bekannte von ihm reist im März in die Nähe von Kabul, um mit anzupacken. Seine Shows sollen zum Engagement ermutigen. Hani selbst sagt: „Ich möchte kein Comedian-Gott sein, sondern den Menschen etwas mitgeben.“

Foto: Dieter Schnöpf