Flamingo aus Müll

Clara Bütow fährt mit ihrer „Traveling Trash Tour“ durch Europa.

Clara Bütow hat genug. Genug vom vielen Plastikmüll, der zu oft in der Umwelt landet. Mit ihrer „Traveling Trash Tour“ will die 24-jährige Münchnerin auf dieses Problem hinweisen und Lösungsansätze bieten. Vom 2. September bis zum 16. Oktober radelt sie deshalb mit einer Müllskulptur von Paris über Belgien und die Niederlande nach Berlin. Unterwegs gibt es zusätzlich verschiedene Veranstaltungen zum Thema Plastik und Müll.

SZ: Clara, du hast im Juni dein Studium in Internationalen Beziehungen und Business in Madrid abgeschlossen. Die Radtour folgt kurz darauf. Ein großes Projekt.
Clara Bütow: Die Idee zur „Traveling Trash Tour“ hatte ich schon seit Ende vergangenen Jahres. Konkret wurde es dann direkt nach meinem Studium, als ich eine Absage für eine Stelle in meiner Traumfirma, einem Hersteller von Outdoor-Bekleidung, erhielt. Deren Konzept von Business, Nachhaltigkeit und Aktivitäten für die Umwelt haben mich schon vor Jahren überzeugt.

Das heißt, dass du dich schon länger für Nachhaltigkeit und Umwelt interessierst?
Die Welt retten, fand ich schon immer spannend. Mit 16 war ich ein Jahr in Brasilien und habe mich dort auch sozial engagiert. Im Studium interessierten mich dann die Firmen, die sich für Nachhaltigkeit und die Umwelt einsetzen. Im Juni 2017 bin ich „Makesense“ beigetreten, einer weltweiten Organisation, die soziale Probleme zu lösen versucht. Vor einem Jahr habe ich auch mit meinem eigenen Podcast „Impact Revolution“ begonnen. Die Interviews mit Umweltaktivisten oder sozial engagierten Personen sollen zeigen, dass jeder mit den Auswirkungen seiner Handlungen die Chance hat, etwas Positives für ein nachhaltiges Leben zu schaffen. Plastik kam dabei oft in negativer Weise vor.

Waren diese Interviews der Grund für dein Interesse an Plastik?
Ich interviewte die Gründerin eines verpackungsfreien Supermarkts in München. Das war im November 2017. Sie hat sich gefragt, was sie auf der Welt hinterlassen will, und ist zu dem Schluss gekommen: zero waste. Das hat mich nachdenklich gemacht. Am selben Abend habe ich beschlossen, den nächsten Monat komplett plastikfrei zu leben. Danach habe ich gemerkt: Plastik ist mein Thema.

Und wie kam der Müllaspekt dazu?
Durch zwei Interviews mit Umweltaktivisten. Der eine hat mit seinem selbstgebauten Fahrrad-Tretboot Plastik aus der Themse in London gefischt. Dadurch kam ich auch auf die Idee mit der Radtour. Der andere hat einen Monat lang seinen in dieser Zeit produzierten Müll als Anzug am Körper getragen. Am Ende sah er aus wie ein Astronaut. Dabei zu erkennen, wie die Natur durch den von Menschen produzierten Plastikmüll kaputt gemacht wird, war ein Schock. Momentan schwimmen um die 51 Billionen Plastikteilchen in den Ozeanen. Das sind 500 Mal mehr Teile als es Sterne im Universum gibt. Ich wollte nicht länger nur zuschauen, sondern auch aktiv etwas machen.

Daher die „Traveling Trash Tour“. Welche Vorbereitungen waren dafür nötig?
Ich musste eine Route finden. Sie sollte durch europäische Länder führen, die sich für Nachhaltigkeit einsetzen. Frankreich, Belgien, die Niederlande und Deutschland waren da schnell gefunden. Es sollten möglichst viele Städte miteinbezogen werden, damit viele Menschen auf das Projekt aufmerksam werden. So ergab sich eine 1500 Kilometer lange Strecke mit Halt in 15 Städten von Paris über Brüssel, Amsterdam bis nach Berlin. Bei der Vorbereitung haben mir Freunde und Freiwillige geholfen.

Eine beachtliche Strecke. Radelst nur du?
Jeder, der Lust hat oder das Projekt unterstützten möchte, kann mitradeln. Streckenweise haben sich schon Leute angemeldet. 50 Kilometer will ich im Schnitt täglich schaffen. Dafür habe ich zuvor Fitnesstraining gemacht. Denn ich habe noch Gepäck und die Statue auf einem Anhänger im Schlepptau. In den Städten gibt es dann Pausen. Zeitlich ist genug Puffer eingeplant, da mache ich mir keine Sorgen.

Was genau hat es mit der Statue auf sich?
Die Statue habe ich in Paris aus Müll von der Straße oder von Recyclingfirmen zusammengebaut. Deshalb bin ich schon früher angereist. Die Skulptur stellt einen 1,80 Meter hohen Flamingo dar und wiegt knapp 15 Kilo. Das entspricht der Hälfte des Gewichts von Plastikmüll, den ein Europäer im Jahresdurchschnitt produziert. Der Flamingo ist momentan ein Trendtier und überall zu sehen. Die Leute lieben dieses Tier. Die Statue soll das Problem des Plastikmülls auf humorvolle und leicht verständliche Art sichtbar machen. Sie soll die Menschen zum Fragen und Denken anregen, wenn ich an ihnen vorbeifahre.

Wie finanziert sich die Tour?
Ich habe eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, die die Kosten von 5000 Euro tragen soll. Momentan sind schon knapp 3700 Euro zusammengekommen. Das Geld ist in mein neues Rad geflossen, wird aber auch für Kost und Logis verwendet. Ich versuche, bei Freunden zu übernachten. Ansonsten mache ich Couchsurfing oder zelte. Auch Material für die Events werden von dem Geld bezahlt.
Events?
In jeder Stadt sind ein oder mehrere Events geplant. Zum Beispiel Müllsammeln mit den Menschen vor Ort, Veranstaltungen zu Kreislaufwirtschaft und Plastik-Alternativen. Es ist alles öffentlich. Jeder kann mitmachen. Die Events organisiere ich gemeinsam mit lokalen Initiativen, Unternehmen und Weltverbesserern. Einige kannte ich im Vorfeld schon über „Makesense“, andere habe ich vor der Tour bei einer einmonatigen Reise ausfindig gemacht.

„Mein Ziel ist es,
mit der Radtour
eine Million Menschen
zu erreichen.“

Was erhoffst du dir von der Aktion?
Mein Ziel ist es, mit der Radtour eine Million Menschen zu erreichen, die ihren Plastikkonsum dadurch überdenken. Ein Austauschforum wäre super, um Lösungen für das Plastikproblem nach außen zu tragen. Ich will zudem ein Portfolio für jeden Interessierten mit allen lokalen Initiativen, Unternehmen und Weltverbesserern der Tour zusammenstellen, mit deren Ideen und Lösungsvorschlägen.

Was ist nach der Tour geplant?
Von der Tour will ich einen Dokumentarfilm machen. Die Filmausrüstung habe ich beim Radeln dabei. Und wer weiß, vielleicht finde ich unterwegs ein cooles Unternehmen, bei dem ich einsteigen könnte.

Interview: Lea Binzer

Foto: privat