Endlich selbständig: Das Modelabel der beiden Geschwister Sara, 25, und Anna Föhr, 28, steht für Stärke, Selbstbewusstsein und Mut. Die Euphorie der beiden Gründerinnen zeigt sich auch in sehr bunten Entwürfen
Von Serafina Ferizaj
Der Rock ist knallrot und aus künstlichem Leder. An den Seiten sind bunte Rüschen eingearbeitet. Als Sara Föhr den Rock betrachtet, muss sie schmunzeln. Einen Tag vor der Kollektionspräsentation hat sie die Rüschen jedes einzelnen Rocks von der horizontalen in die vertikale Struktur umgenäht. „In meinem Kopf sah das vorige Design so toll aus, doch als ich es sah, fand ich es schrecklich und musste es ändern.“ Sie trägt ein lilafarbenes Oberteil im Pastellton, dazu goldene Ketten, eine sportliche Hose mit einem grünen Streifen an der Seite und einem vierfarbigen Taillenbund. „Der Taillenbund ist von Boxern inspiriert, wie sie ihn in Kämpfen tragen und steht für Sister Laela.“ Sister Laela ist ein Modelabel der Geschwister Sara Föhr, 25, und Anna Föhr, 28, und steht für Stärke, Selbstbewusstsein und Mut. Und für einen Neuanfang.
Anna und Sara haben im März 2018 ihr Modelabel gegründet.
Für Sister Laela haben beide lukrative Jobs aufgegeben. Anna hat bei einer Werbeagentur gekündigt. Warum? Sie musste wegen ihres Blinddarms notoperiert werden und hätte fast nicht überlebt: „In dem Moment dachte ich mir, dass das nicht das Leben gewesen sein kann. Mir war klar, dass ich kündigen muss und mein eigenes Ding machen möchte“, sagt sie. Ihre Arbeit kam ihr nach dieser Erfahrung sinnlos vor. Sie ist nicht mehr gerne zur Arbeit gegangen: „Man kommt in einen Trott rein und lebt nach einem vorgefertigten Modell: Man studiert, dann arbeitet man und das war’s. Mir wurde klar, dass ich eigene Idee voranbringen möchte anstatt jeden Tag dasselbe zu machen.“
Sara hat ihr Praktikum als Schneiderin in London bei einer bekannten Modedesignerin geschmissen. Der Job hätte ihr womöglich mehr Erfolg als Modedesignerin bringen können, mehr Ansehen. Aber die Produktionsbedingungen waren schlecht: Die Räume waren im Winter nicht beheizt und sie musste zwölf Stunden lang täglich arbeiten. Auch unter den Mitarbeitern war die Stimmung schlecht: „Es wurde viel geschrien. Die Arbeit an sich, das Schneidern und Nähen hat mir zwar viel Spaß gemacht und ich habe viel gelernt, aber unter diesen Bedingungen wollte ich nicht arbeiten.“
Die Schwestern reisten zusammen nach Hawaii, um Abstand vom Stress und von der Krankheit zu bekommen. Dort vertraute sich Sara schließlich ihrer Schwester an, dass sie unglücklich in ihrer Arbeit ist. In diesem Moment kam beiden zum ersten Mal der Gedanke, ein eigenes Modelabel zu gründen. Doch es fehlte zunächst der Mut. Zu groß schien das Risiko zu sein, die Sicherheit aufgeben zu müssen. Aber der Wunsch wuchs. „Der Gedanke hat uns überwältigt und wir hatten ein klares Ziel vor Augen, wie unser Leben aussehen soll“, sagt Sara. „Es hat sich absolut richtig angefühlt.“ Beide kündigten.
Bereits während ihrer Reise haben die Schwestern den fiktiven Charakter Laela zum Leben erweckt. „Laela verkörpert ein Ideal. Man ist nicht die Person, wäre aber gerne so wie sie. Laela ist lebensfroh, mutig, aber auch diszipliniert Wir wären selbst gerne ein bisschen mehr wie Laela“, sagt Anna. Ihr Label heißt nun Laela – und schon unterwegs haben sie sich überlegt, wie die Kollektion ungefähr aussehen soll, welche Stoffe sie brauchen und wann sie ihre Kollektion präsentieren wollen.
Die Aufgabenbereiche der Schwestern sind klar festgelegt: Anna ist dafür zuständig, dass der Produktionsprozess reibungslos abläuft. Die Entwürfe übernimmt Sara. In Deutschland haben sie schließlich das Gewerbe angemeldet, ein eigenes Atelier gemietet und mit der Produktion losgelegt. In dem Moment, als sie entschieden haben, ihr sicheres Leben für die Selbständigkeit aufzugeben, kam schließlich die Euphorie: „Die Idee, ein eigenes Modelabel zu gründen, hat uns wahnsinnig positiv gestimmt. Das war der erste positive Gedanke seit Langem“, sagt Sara.
Diese Euphorie ist auch an der bunten Kleidung erkennbar, die sie entwerfen: Ein Pullover ist rot-pink und hat auffällig auslaufende Trompetenärmel. Die Jacke, eines der Key-Pieces, hat fünf knallige Farben. Für die Wattierung wurden anstelle von Daunen recycelte Plastikflaschen verwendet. Auch der knielange graue Hoodie mit den bunten Bändern fällt auf. Die zweite Kollektion soll ebenso bunt werden wie die erste: „Viele tragen schwarz, aber ich denke, dass die Leute mehr Farben tragen sollten. In London wird man für ein verrücktes Outfit gefeiert, in München dagegen kritisch betrachtet“, sagt Sara.
Die Freunde haben die Euphorie nicht immer geteilt „Es gab unterschiedliche Meinungen. Meine engeren Freunde haben meine Beweggründe verstanden und haben sich sehr für meine Entscheidung gefreut. Andere haben es nicht verstanden, wie man etwas Sicheres für etwas Ungewisses aufgeben kann“, sagt Anna.
Saras Freunde waren hingegen nicht überrascht: „Sie wussten, dass ich mich zu gegebener Zeit selbständig machen möchte. Sie fanden es mutig, aber auch spannend und aufregend.“ Ihre Eltern standen von Beginn an hinter den Geschwistern: „Natürlich wollten unsere Eltern wissen, wie wir uns das vorstellen und wie unser Businessplan aussieht. Sie haben uns aber in jeder Angelegenheit unterstützt“, sagt Anna. Finanziert haben sie sich ihr Label mit ihren Ersparnissen und indem sie versucht haben, ihre Ausgaben so gering wie möglich zu halten. Einfach war es nicht: „Wir haben uns am Anfang sehr eingeschränkt. Zum Beispiel musste ich wieder bei unseren Eltern einziehen, um Kosten zu sparen“, sagt Sara. Insgesamt planen die Geschwister eine Investition von etwa 250 000 Euro, bis das Label Gewinne macht.
Manchmal gab es auch Momente, in denen sie selbst hinterfragt haben, ob die Entscheidung wirklich die richtige war. Nach der großen Euphorie kamen erste Zweifel mit den ersten Herausforderungen: „Auf einmal trifft man völlig alleine große Entscheidungen. Der größte Zweifel ist die Angst davor, falsche Entscheidungen zu treffen und dass wir unseren Traum vom eigenen Label nicht verwirklichen können.“ Einmal verzögerte sich die Produktion, weil die Lieferung der Reißverschlüsse verspätet ankam. Und kurz vor der Modenschau verschwanden die Kisten mit ihren Kollektionen: „Einen Tag vorher sind sie schließlich aufgetaucht.“
Ihre größte Angst ist es, den Traum vom eigenen Label nicht verwirklichen zu können. Einen Plan B gibt es nicht. Aber: „Im Modebereich braucht es eine gewisse Zeit. Wir wussten, dass es anfangs schwer wird, bis das Label läuft“, sagt Anna. Bislang haben die beiden von den 400 produzierten Stücken mehr als ein Drittel verkauft. Sie sind im Soll. Und falls doch mal Zweifel aufkommen: Laela ist immer für sie da.
Foto: Maximilian Brucker