Band der Woche: Beta

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Eine klassische Indie-Bandbesetzung aus
Gitarre, Bass, Elektronik und Schlagzeug begegnet rotzigem Rap: „Ich hab’ lieber kein Style als Dein’ Style“ hilft da nur bedingt beim Genreverständnis zu Beta. Ist aber auch Wurscht, denn die Musik ist einfach lässig und macht Spaß.

Es ist schon erstaunlich, bei welch homogener Attitüde die Popmusik mittlerweile gelandet ist. Nicht im musikalischen Sinn, da gibt es verschiedenste Ausprägungen. Doch in gewisser Weise herrscht spartenübergreifend ein beinahe irritierender Konsens, bloß nicht zu sehr anzuecken. Schon bei Bands, die auf Underground-Niveau anfangen, zeigt sich eine derartige Angepasstheit. Indie bedeutet nicht mehr unabhängig, sondern steht für freundliche Wesen, die hübsche und bisweilen eben auch ziemliche glatte Musik spielen, die der Elterngeneration genauso gefällt wie den Gleichaltrigen. Wenn sich dann erst eine Plattenfirma einschaltet, werden oft letzte Brüchigkeiten geglättet. Anschaulich zeigt sich das bei der Karriere der Münchner Band Exclusive. Die begannen als Indie-Band, die erfolgreich die Codes der älteren Generation reproduzierte, fanden dann aber auf dem Album „Nachtmensch“ zu einem überraschend eigenständigen und nicht immer ganz konformem Ausdruck. Es klopfte das große Label an, auf dem Nachfolge-Album versuchten sie Rebellionsgestus und Mainstreamproduktion zu vereinen, was ästhetisch in einem seltsam glatten Zwischenstatus hängen blieb.

Den Rebellionsgestus suchen sich nun Exclusive-Schlagzeuger Christian Rehländer und deren Bassist Markus Sebastian Harbauer in einer neuen Combo: die herrlich störrische Hip-Hop-Band Beta. Eine Bandbesetzung aus Gitarre, Bass, Elektronik und Schlagzeug trifft dabei auf den Aggro-Berlin-sozialisierten Rapper Sebastian Grünwald. Funk-Licks, dröhnende Elektro-Bässe und Gitarren-Soli sind genauso Teil des Konzepts wie Raps und die dem Hip-Hop so eigene Überheblichkeit: „Ich hab’ lieber kein Style als Dein’ Style“, lautet die erste Punchline, mit der das Quartett aufbricht und die konsensverwöhnte Münchner Szene ein bisschen aufwirbelt. Mit der Szene wollen sie aber sowieso nicht viel am Hut haben: „Wir schreiben uns keiner spezifischen Szene zu und versuchen uns auch nicht krampfhaft in einer Szene zu etablieren“, sagen sie und positionieren sich anschließend erfrischend gegen die Lobhudelei, die in manchen Kreisen eben sämtliche Kreativität erstickt, weil man die Dinge nur noch so macht, dass sie den anderen gefallen könnten: „Wir halten nicht viel von einem Freundeskreis, der sich nur deshalb abfeiert, weil er in die selben Bars geht oder die gleiche Musik hört oder macht. Das ist wack.“ Eine klare Ansage.

Auch in ihren Zielen zeigen sie sich differenzierter als manch eine Band, die ein klares Marketing-Konzept verfolgt. Anstatt sich leicht einordnen zu lassen und sich eine Attitüde vorzugeben, der potenzielle Fans dann folgen könnten, provozieren sie lieber ein bisschen: „Übertriebene Ernsthaftigkeit macht dich unflexibel“, sagen sie und erklären, dass sie sich lieber nicht festlegen, sondern sich Raum lassen, in dem sie auch mal versagen können. Doch eine solche Haltung verleiht der Musik die nötigen Furchen, die sie interessant macht. Die musikalische Herangehensweise, einen Rapper in Bandgefüge zu packen, ist dabei an sich nicht neu: Ende der Neunzigerjahre fanden sich Rapper in sämtlichen Crossover-Geschichten, angefangen bei den Beastie Boys oder in Genres wie Nu-Metal. Doch Beta sind weit entfernt von einer Retro-Band. Ihre Musik entspringt der Gegenwart; das ist auch etwas, was sie abhebt. Denn Retro-Ästhetik ist genauer betrachtet auch nur die Suche nach einem Generationen-überspannenden Konsens.

Beta hingegen arbeitet gerade an ihrem Debüt-Album und präsentiert sich am Donnerstag, 7. Dezember, in dieser Besetzung das erste Mal live im Münchner Club Rumours.  

Stil: Rap/Elektro/Funk
Besetzung: Sebastian Grünwald (Raps), Markus Sebastian Harbauer (Bass, Produktion), Daniel Kohn (Gitarre), Christian Rehländer (Schlagzeug)
Aus: München
Seit: 2016
Internet: www.facebook.com/betamuenchen


Text: Rita Argauer


Foto: privat

250 Zeichen Wut: Vorweihnachtsstress

Vorweihnachtsstress ist nur der verzweifelte Versuch einer Erklärung, warum man
schon das ganze Jahr seinen Aufgaben nicht hinterherkommt. Doch sind die übehaupt so
wichtig? 

Zu viele Aufgaben, zu wenig Zeit. Nie kriegt man alles erledigt. Es hilft kein Post-It, keine To-Do-Listen-App,
kein Zeitmanagementscoaching. Da fragt man sich: Gibt es nicht wichtigere Dinge
im Leben als das tägliche Halten des eigenen Stresslevels?

Hauptsache authentisch


Mit dem eigenen Handy live von einem Event streamen: Die Münchner
TU-Studenten Jakob Bodenmüller, Glenn Glashagen, Leon Szeli und Lucas
Jacobson haben die App Higgs entwickelt.

Damit kann der Zuschauer mit dem Handy von einem Event selbst livestreamen, sofern der Veranstalter einen Vertrag mit der App hat. Für den Nutzer ist die App kostenlos. Noch wird Higgs größtenteils von Unternehmen verwendet. Das Ziel ist jedoch, dass junge Menschen Videos von einem Konzert oder einer Party hochladen können.

SZ: Verwackelte Partyvideos als Geschäftsidee – wie kommt man denn auf so etwas?

Jakob Bodenmüller: Wir sind oft selbst auf Konzerten unterwegs und wollten eine Möglichkeit schaffen, authentisch von einem Event zu berichten.

Was heißt authentisch?

Bei einem Event, bei dem Livestreaming betrieben wird, muss man oft teure Gebühren zahlen. Und der Zuschauer sieht nur das, was ihm die Sender zeigen, nicht jedoch, was tatsächlich auf einem Event passiert. Das wollen wir ändern. Wir ermöglichen somit kostengünstiges Livestreaming.  

Und was heißt das konkret?

Liveübertragungen sind ja zur Zeit der Trend im Bereich Social Media auf Plattformen wie YouTube, Facebook oder Twitter. Das ist natürlich sehr interessant, gerade für Veranstalter. Liveübertragung via Facebook ist allerdings nicht so optimal, weil man beispielsweise kein Logo einfügen kann. Ein Kamerateam ist allerdings zu teuer und für Social Media nicht gemacht, da sich die Leute die Videos auf ihrem Smartphone anschauen.

So weit ist alles bekannt. Was ist das Besondere an Eurer App? 

Wir versuchen eine Lösung zu finden, indem man mit dem Smartphone ganz einfaches Livestreaming erstellen kann.

Es ist auch von verschiedenen Perspektiven die Rede. Wie funktioniert das?

Mit einer einzigen Perspektive kannst du kein Event abdecken. Mit unserer App kann man mehrere Kameraperspektiven in einem Livestream verbinden. Somit kann man von mehreren Stages auf Festivals oder unterschiedliche Perspektiven eines Konzerts live übertragen.

Aber inwiefern ist denn „Higgs“ in Zeiten von Instagram und Snapchat noch revolutionär?

Snapchat macht ja gar nichts live, sondern zeigt, was in den vergangenen Stunden passiert ist. Facebook kann auch Live-Videos machen, diese richten sich jedoch an Privatnutzer, wenn man beispielsweise daheim hockt und sich ein Video anschauen möchte. Für die Eventmanager ist das allerdings keine Lösung. Sie möchten mit den Videos auch ihre Veranstaltungen bewerben.

Wie lange bleiben denn die Videos sichtbar?

Nach der Liveübertragungen bleiben die Videos archiviert und weiterhin sichtbar. Der Veranstalter kann dann selbst entscheiden, ob die Videos rausgenommen werden oder nicht.

Wieso sollten sich die Zuschauer verwackelte Handyvideos anschauen? Beziehungsweise wieso sollte der Veranstaltungsmanager dafür zahlen wollen, wenn es nur verwackelte Handyvideos gibt?

Wie man bei den Live-Videos von Instagram oder Facebook sehen kann, hat sich die Qualität der Smartphones in den vergangenen Jahren erheblich verbessert, sodass die Videos meist sehr gut sind. Auch kann man Stative aufstellen, sodass die Videos dann nicht verwackelt sind. Außerdem wollen wir authentisches Livestreaming. Da gehören diese unperfekten Dinge eben dazu. Man merkt ja auch, dass Instagram oder Facebook sehr erfolgreich damit sind und die Leute es immer wieder gerne nutzen und sich das vor allem auch anschauen.

Denkt ihr nicht, dass es eine schlechte PR für den Veranstalter ist, wenn Videos von betrunkenen Leuten oder Nacktflitzern auftauchen?

Klar besteht stets die Gefahr, dass unvorhergesehene Dinge passieren können, das kommt durchaus vor. Du kannst schließlich nichts nachbearbeiten, sondern in dem Moment muss alles funktionieren. Aber das macht den Reiz der Live-Videos aus: das Unvorhergesehene. Und genau das macht den Bericht eines Events erst authentisch, weil man es nicht mehr verändern oder faken kann.

Interview

: Serafina
Ferizaj

Foto: Higgs

Traunstein, du musst nicht traurig sein

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Wiederkehrende Gesichter,
Nebelmaschinen und eine Trompete. Beim Sound of Traunstein Now stellen sich
fünf Bands aus Oberbayern dem Münchner Publikum. Und beweisen, dass es
musikalisch überhaupt kein qualitatives Stadt-Land-Gefälle gibt.

Die roten Schuhe gleiten
über den dreckigen Boden der Kranhalle. Mal nach rechts, dann wieder einige Schritte
vorwärts, zur Bühne hin. Die dazugehörenden Beine, verpackt in
bordeaux-farbenen Jeans, sind seltsam verschlungen. Der junge Mann, vielleicht
Ende Zwanzig, vielleicht Anfang Dreißig, tanzt, tänzelt leichtfüßig. Seine Arme
bewegen sich wild im Rhythmus von Fendt’s „slowmotion pop“, die Bewegung hat
etwas von Mick Jagger. Der einsame Tänzer steht bezeichnend für die Kurve die
das Sound of Traunstein Now mit dem Auftritt von Fendt nimmt. Es wird ruhiger,
selbstbewusster. Aber auch düsterer, vielleicht sogar etwas traurig.

Mit Fendt, The Marble Man
und Allaend North werden die Künstler älter, einige spielen für zwei
verschiedene Bands, und auch das Publikum verändert sich. Die erste Reihe tanzt
nicht mehr wild, sondern eben in sich gekehrt. Oder setzt sich ganz hin, hört
zu. Zwischen Noise und Melancholie werden mit Fendt und Sänger Fricko Friese
die Solos länger, die Beschäftigung mit den Zuschauern kürzer. Die fühlen sich
dennoch abgeholt, ob einsame Tänzer oder gemeinsame Lauscher.

Auch dass The Marble Man
nach anderthalb Jahren ohne Live-Konzert nichts verloren hat, daran hat niemand
gezweifelt. Experimente sind immer noch gerne gesehen, sei es eine E-Gitarre
mit Bogen spielen oder ein Schlagzeug zu zweit. Mit sehr präsentem Keyboard und
einer melodischen Note, die gut tut, nimmt man das Tempo aus dem Abend. Die
Kranhalle wird zum Gegenstück zur Hansa39. Das Selbstbewusstsein in den eigenen
Sound ist in jeder Note zu spüren, und das Publikum weiß die Erfahrung und
Reife zu schätzen.

Gut tut auch, dass mit
Allaend North zum Abschluss des Sound of Traunstein Now die erste Künstlerin
auftritt – bis kurz vor 0 Uhr war die Moderatorin als einzige Frau auf der
Bühne. Anna’s (The Unused Word) enorm kraftvolle, tiefe Stimme dringt durch das
Feierwerk und füllt die Halle ein letztes Mal. Spannende Drumsolos und die
Vielseitigkeit der beiden Sänger bleiben in Erinnerung, genau wie der barfüßige
Kontrabassspieler und die ungeschickten Songansagen. Doch auch die Traurigkeit,
die sich durch die Auftritte von The Marble Man und Allaend North gezogen hat,
bleibt hängen. Ist es Traunstein, das diese Noten aus den Künstlern zieht? Oder
liegt es an der Generation, die das „new weird bavaria“ geprägt hat?

Zu Beginn des Festivals
im Münchner Feierwerk ist von Traurigkeit zumindest nichts zu spüren. Color
Comic und Heischneida, beide junge Bands, beide sehr verschieden, wollen sich
eher dem Publikum ankündigen. Nur zwei Songs braucht der Schlagzeuger von Color
Comic, dann fliegen die ersten Drumsticks. Sie bleiben auf der Bühne liegen.
Das mitgereiste Traunsteiner Publikum, so scheint es, johlt auf. Die
Dschungel-Drums sind gemütlich und sehr gut, der Insel-Indie-Sound sehr
melodisch. Dem Auftritt fehlt etwas die Energie, auch wenn sich Gitarrist,
Drummer und Frontmann (mit Marco-Wanda-ähnlichen Moves) reichlich Mühe geben.
Es ist aber auch nicht leicht direkt vor einem geladenen Bündel Oberbayern
aufzutreten.

Denn mit Heischneida
kommt der Abend richtig in Fahrt. Dank ausufernder Nebelmaschine sieht man
davon erstmal nichts, hört aber reichlich. Ob Rocknummer oder Ska, die sechs
Jungs heizen dem Publikum im Handumdrehen ein. Mitmachaktion, Trompetensolo,
dann wird Akustikgitarre gegen Akkordeon getauscht. Selten hat eine Band die
Kranhalle so vielseitig, und doch so kraftvoll, zum Tanzen, Hüpfen, Mitsingen
gebracht. Auch die jüngeren Traunsteiner Bands beweisen, dass sie sich vor
München nicht verstecken müssen. Wer zwischen Songs dann noch mit
oberbayrischem Slang so zum Lachen bringt wie der mächtig vollbärtige Wenz
Karger, hat alles dabei. Dass sie die Traunsteiner Melancholie trotzdem auch
draufhaben, beweist Heischneida mit ihrer Abschlussnummer. „Magdalena“
durchbricht die gute Laune und die Band beweist ganz viel Gefühl. Und die
Trompete, diese wunderbar präsente Trompete, trägt den Widerspruch von Energie
und Melancholie durch den ganzen Abend.

Text und Foto: Matthias Kirsch