Foto: Maximilian Heller
Foto: Maximilian Heller

Band der Woche: Mikroplastik

Was Genre-Grenzen angeht sind die Jungs von Mikroplastik experimentierfreudig: Ihr Sound ist irgendwo zwischen Dark Wave, Post Punk, Neue Deutsche Welle, Pop und EBM angesiedelt

Von Bela Baumann

Der Trick, musikalische Elemente aus anderen Genres in die eigene Musik zu verarbeiten, wurde schon oft angewendet – und das mit Erfolg. Man nehme Queens „Bohemian Rhapsody“: Rock mit einer Note Operngesang. Oder auch „Ghetto Gospel“ von Gangster-Rapper 2Pac, dessen fast schon kitschigen Refrain Elton John singt. Ohne die Versuche, über den Tellerrand des eigenen Genres hinauszuhören, hätten neuartigere Musikrichtungen wie Trap oder Neo-Soul nie Fuß fassen können.

Auch die Elektro-Band Mikroplastik ist experimentierfreudig, was Genre-Grenzen angeht. Ihr Sound ist eine Mixtur aus Dark Wave, Post Punk, Neue Deutsche Welle, Pop und EBM. Sie selbst beschreiben ihren Sound kurz und bündig mit „Mikrowave“.

Die Mikroplastik-Ära begann vor kaum mehr als neun Monaten – nur im musikalischen Sinne natürlich. Die beiden Bandgründer Nil Neumann und Bruno Haas waren Teilnehmer beim „IMAL“, einem Kunstförderprogramm für junge Menschen in München. Sie hatten dort die Idee, für das Projekt „Rage Against Plastik“ einen Track zu schreiben und zu produzieren. Bruno war eher für den Beat und Nil für den Text zuständig. Und so entstand der erste Song „Recycle mich“, der auf Soundcloud oder auch auf Youtube zu hören ist. Es folgten weitere Songs und erste Auftritte im Komitee und im Import Export. Piero Carrasco am Bass und der E-Gitarre und erst vor ein paar Wochen Dario Totora an den Synthesizern komplettierten die Band. Mittlerweile haben sie einen ganz eigenen Live-Sound, Mikrowave eben, und darauf kommt es ihnen an. Ihr jüngstes Konzert im Import Export war sehr eigenartig – aber im guten Sinne. Anfangs trugen sie netzartige Oberteile und Kopfhauben, die ein wenig an Pussy Riot erinnerten. Bald waren die Oberteile verschwunden, aber klar: Wenn man sich beim Singen so reinhängt, wird einem schnell mal zu warm.

Trotzdem kann man erkennen, dass Mikroplastik noch in der Findungsphase ist. „Wir wollen erst einmal selbst verstehen, welche Musik wir machen wollen“, sagt Nil. Ob sie große Botschaften versenden wollen, wissen sie nicht so genau. Einerseits nein, denn dem Publikum soll vor allem dieses gewisse Mikroplastik-Gefühl übermittelt werden, wozu zwar auch der Gesang, aber nicht unbedingt der Text relevant ist. Andererseits ja. Die Intention der Lyrics ist es, „mit wenigen Worten viel auszusagen, es aber nicht immer gleich auf den Punkt zu bringen“, sagt Nil, der fast alle Texte für die Band schreibt. Für ihn ist es so, wie wenn er als Kind englischsprachige Lieder gehört hat und sie mochte, obwohl er nichts vom Text verstand.

Da die Bandmitglieder keinen einheitlichen Musikgeschmack vertreten, gibt es auch keine konkreten Vorbilder, nach denen sie sich richten. Stark geprägt sind sie sicherlich von Größen wie She Past Away, Joy Division oder Bauhaus. Die Unterschiede im Musikgeschmack sind aber keineswegs ein Hindernis. Im Gegenteil, die Musik wird dadurch vielfältiger. Außerdem beflügeln die verschiedenen Einflüsse innerhalb der Gruppe die Kreativität, es wird dadurch viel kommuniziert. Dabei mangelt es auch an Kritik nicht, denn nur so können sie stetig an ihrem Sound feilen. Das Musikmachen und Texteschreiben ist für die Band, sagt zumindest Nil, „vielleicht sogar eine Art der Selbsttherapie“. Denn durch die Auseinandersetzung mit Themen wie etwa Armut in dem vor drei Monaten erschienenen Track „Cents“ verarbeiten sie Erfahrungen und Gedanken, die sie beschäftigen. Diese Beschäftigung mit sich selbst soll auch zum Leitfaden in ihrem geplanten Album „Identität“ werden.

Um Mikroplastik zu verstehen, muss man sie live sehen. Sie versuchen, nicht nur ein Konzert, sondern eine Show zu liefern. Ob das gelingt, liegt dann in der Hand des Publikums. Denn ihr Auftritt erfordert manchmal ein bisschen Pogo und Moshpit. „Unsere Gigs bestehen aus Musik und Theater im Verhältnis 50 zu 50. Na ja, vielleicht 70 zu 30“, sagt Nil.

Mikroplastik

Stil: Dark Wave, Post Punk
Besetzung: Nil Neumann (Gesang, Lyrics), Bruno Haas (Gesang, Beats), Piero Carrasco (Gitarre, Bass), Dario Totora (Synthesizer)
Aus: München
Seit: 2019
Instagram: vacantnils
Musik: www.soundcloud.com/mikroplastik