Band der Woche: Lilié

Soul und Jazz-Pop im Retro-Look! Trotz ihres Musikstudiums produziert Sang Ganyonga das erste Album ihres Solo-Projekts Lilié im Independent-Stil und nimmt es mit ihrer Band in nur drei Tagen auf. Die Erfahrung, die Sang in früheren Produktionen sammeln konnte, hört man natürlich trotzdem.

Es ist ein Qualitätsmerkmal mit gleichzeitiger Abwertung. Denn von Backgroundsängern wird einerseits eine außerordentliche Musikalität verlangt, sollen die Stars und deren spezifische Stimmen doch durch den zusätzlichen Gesang bereichert werden. Der Backgroundsänger selbst aber muss dazu eine unspektakuläre Vorstellung vom eigenen Künstlerego haben. In der Oscar-prämierten Doku „20 feet from Stardom“ kamen diese oft mit atemberaubenden Stimmen ausgestatteten, aber seltsam namenlosen Backgroundsängerinnen der großen US-Stars zu Wort: ein Blick auf Künstler, die die Blicke eben gerade nicht auf sich ziehen sollen. Ähnliches geschieht nun in München – wenn auch nicht in filmischer Form. Die gebürtige Kamerunerin Sang Ganyonga, die bisher hauptsächlich Backgroundsängerin war, geht nun die filmtitelgebenden 20 Fuß vom hinteren Bühnenrand nach vorne an die Bühnenrampe und veröffentlicht ihr erstes Album. 

Sang nennt sich als Musikerin Lilié. Mit Mitte 20 hat sie ihr Studium an der Musikhochschule Nürnberg beendet und ist vor etwa einem Jahr nach München gezogen. Hier hat sie sich Musiker gesucht und nun ihr erstes Album selbst produziert. Und darauf findet sich die seltene Mischung aus einem Indie-Geist, der sich auf eine etwas vergangene Art des Mainstream-Pops bezieht, diesen aber mit charmantem Understatement umdeutet. Andersherum passiert so etwas ja viel häufiger: Dass sich große Produktionen Indie-Phänomene und deren Ästhetik krallen, ist ein normaler Weg. Doch angesichts Sangs bisheriger künstlerischer Erfahrung ist es auch nur konsequent, dass sie diesen Weg spiegelverkehrt geht. 

Denn große Popproduktionen kennt Sang bereits. DJs brauchen Singstimmen, um ihre Musik menschlicher und damit zugänglicher werden zu lassen. Und 2015 hat Sang für das DJ-Produzenten-Duo Tryst gesungen, veröffentlicht wurde diese Zusammenarbeit auf einem der Business-Riesen. Doch nach vielen Produktionen ist es für Sang nun Zeit geworden, ihre eigene Musik zu machen: „Vor einem Jahr habe ich mir meine Band-Jungs zusammengesucht und bin direkt mit ihnen ins Studio gestapft“, erzählt sie. „Wir haben das Album innerhalb von drei Tagen eingespielt.“ Schnell, rotzig und spontan – wie man das eigentlich aus dem Punk kennt. Doch Sang, die Jazz-Gesang akademisch gelernt hat, legt auf diesem Album strukturell eine Indie-Produktion hin, die Soul, R ’n’ B und Jazz-Pop für den unabhängigen Popmarkt neu definiert. Ihre Stimme klingt so professionell, wie es sein muss mit ihrer Ausbildung und Erfahrung. Ihre Songs sind mit Orgel, Schlagzeug, Gitarren, sanften Rhythmen, weichen Bässen und jazzig-souligen Gesangslinien einerseits die perfekte Lounge-Musik. Aber andererseits lebt diese Musik, die Lilié nun unter dem Albumtitel „Close Enough“ veröffentlichen wird, viel eigenwilliger als die Retorten-Produktionen des Mainstreams.

Das zeigt sich auch an ihren Fotos: Eine Ästhetik, die an Soul- und R ’n’ B-Produktionen der Neunzigerjahre erinnert. Das ist auch ihr erster musikalischer Einfluss: „Ich bin in Kamerun geboren und aufgewachsen“, erzählt sie, „dort hatte ich ein tolles Kindermädchen, das mit mir alle Michael-Jackson-Songs schmetterte, während sie mir die Haare machte.“ Mit sieben Jahren hat Sang dann einen Kindergesangswettbewerb gewonnen, von da an habe sie nur noch Sängerin werden wollen. Und nun baut Sang aus der Pop-Erfahrung ihrer Jugend ihre eigene Version von Soul-Pop. Selbst, in Do-it-Yourself-Manier und über Crowdfunding finanziert, aber mit Mainstream-geschulten musikalischen Fähigkeiten. Das Album stellt sie am Freitag, 15. Juli, im Milla vor.  

Stil: Soul/Jazz-Pop
Besetzung: Sang Ganyonga (Gesang, Songwriting), unterstützt von verschiedenen Musikern
Aus: München
Seit: 2016
Internet: www.liliemusik.com

Von: Rita Argauer

Foto: Silvia Wawarta