Foto: Massimiliano Saltori

Auf den Spuren der Ladiner

In der Reihe „Unikate“ stellen wir in loser Folge Studentinnen und Studenten vor, die spannende Abschlussarbeiten geschrieben haben. Diesmal: Tim Walter erforscht die fast vergessene Sprache der Ladiner.

„Aus meiner damaligen Sicht war es so unvorstellbar, dass es in Sichtweite der Brennerautobahn eine eigene Sprache geben soll, die weder Deutsch noch Italienisch ist. Da wollte ich hin und hören, wie das klingt“, sagt Tim Walter, 25. Also fuhr er erst aus reiner Neugierde in die Region. Und dann, um für seine Masterarbeit mit dem Titel „Language Planning & Policy – The Case of Ladin“ zu forschen. Ladinisch, das umfasst die Gebiete von Südtirol, Trentino und der Provinz Belluno. In jedem der Täler zeigt die gemeinsame Sprache kleine Abweichungen. Überall hört sie sich etwas anders an. Nur noch wenige Menschen dort beherrschen das Ladinische überhaupt.

Nachdem Tim sehr gastfreundlich in dieser Region aufgenommen wurde, zeigten die Menschen ihm Wege über die Täler hinweg. Er lernte die Ladiner kennen, wollte mit ihnen sprechen. Es gibt da zum Beispiel eine talübergreifende Wochenzeitung, die Usc di Ladins, die in sieben verschiedenen Talvarianten verfasst ist. Und irgendwann saß Tim im Büro des Chefredakteurs, hinter dem in einem ganzen Regal Wörterbücher der verschiedenen Talstandards des Ladinischen standen. Spätestens dann wollte Tim wissen, wie es zu so einer Situation kommt und warum es etwa keinen gemeinsamen ladinischen Duden gibt.

Tim studiert Cultural and Cognitive Linguistics an der LMU. Fast anderthalb Jahre forschte er zu Sprachplanung und -politik im Gebiet des Dolomitenladinischen. Zwischen 20 000 und 30 000 Menschen sprechen die direkt vom Lateinischen abstammende Sprache heute noch. Die meisten Ladiner sind mehrsprachig und sprechen fließend Deutsch und Italienisch. Tim selbst spricht auch beide Sprachen, wobei er auch immer mehr einzelne Dialekte des Ladinischen versteht – nur sprechen könne er sie nicht, sagt er.

„Die Geschichte des Ladinischen war oft von Aberkennung der eigenen Identität geprägt,“ sagt Tim. „Und ökonomisch galten die Täler lange als Armenhaus, was sich durch den Tourismus-Boom aber später ins komplette Gegenteil gekehrt hat,“ erzählt Tim weiter. Allerdings ergab das auch neue Probleme für die ladinische Sprache und Identität: Sie drohte, verloren zu gehen. Auch diese Faktoren untersucht er. „Für viele Ladiner ist das heute kein Widerspruch: ein guter Gastgeber zu sein, der sich – auch sprachlich – auf seine Gäste einstellt. Heute wird es als Chance begriffen, dem Gast die kulturelle Eigenheit der Heimat näherzubringen“, sagt Tim. Genau mit dieser Offenheit sind die Ladiner Tim auch begegnet.

Von Alina Venzl