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Wie ich der Mensch wurde, der ich nie sein wollte: Heute mit Alina

Mit dem Fahrrad auf der falschen Straßenseite fahren – ist das Freiheit oder Ignoranz? Unsere Autorin Alina ist sich da mittlerweile nicht mehr so sicher.

Ich erinnere mich noch ganz genau daran, wie ich mit 16 Jahren mit meinem Fahrrad auf einem Fahrradweg in der Rosenheimer Straße in die „falsche“ Richtung gefahren bin und ein älterer Herr mich angegrantelt hat: „He Madl, des geht fei so ned. Du misserts auf der andern Seite foahrn.“ Damals dachte ich mir: oh Mann, wie spießig, was ist das Problem dabei? Dass es gefährlich sein kann, vor allem auf engen Fahrradwegen, von denen es zuhauf in München gibt, hat mein 16-jähriges Ich natürlich nicht gedacht – sondern mein 16-jähriges Ich dachte sich: So möchte ich niemals werden.

Mein heutiges Ich denkt sich immer noch, dass ich nicht so werden möchte. Aber ich ertappe mich immer öfter dabei, wie es mich innerlich wahnsinnig macht, wenn mir ein Fahrradfahrer in der falschen Richtung entgegenkommt. Ich bin zwar noch nicht soweit, dass ich die Personen darauf anspreche oder sie sogar anbrülle, aber mein inneres Ich ist dazu durchaus in der Lage. Wenn mir jemand entgegenkommt, verkrampfe sich meine Hände rund um meinen Lenker und ich denke mir, echt jetzt? Und ganz so spießig wie damals finde ich es nicht – aber trotzdem finde ich es erschreckend, dass man sich so verändert und wird, wie man nie sein wollte. Manchmal fühle ich mich dann wie der alte Mann, der mich damals angeraunzt hat, nur dass ich es nicht laut ausspreche.

Das Ganze ist zum Glück nicht von jetzt auch gleich passiert, sondern entwickelte sich im Laufe der Jahre. Was mich selbst stutzig macht, dass ich 2016 ein Jahr in Barcelona gelebt habe und die Freiheit, mit dem Fahrrad egal in welche Richtung auf einem Fahrradweg oder auf dem Gehsteig zu fahren, sehr genossen habe. Bei meiner Rückkehr hat sich mein inneres Ich noch mehr als mein damals 16-jähriges Ich über die deutsche Spießigkeit auf Fahrradwegen aufgeregt – und ich wollte eines noch mal mehr: nie so altbacken werden und verkehrt fahrende Radler kritisieren. Und jetzt ist es soweit. Mich nerven die Fahrradfahrer, die in die falsche Richtung fahren, extrem. Ob es an einem neuen erwachsenen Ich liegt, das sich über die Gefahren zu viele Gedanken macht, weiß ich nicht ganz. Aber es nervt mich trotzdem und ich komme mir dann immer spießig und uralt vor. Also, das geht an alle Radler unter euch, hört auf, in die falsche Richtung auf Radwegen zu fahren, und ich kann mich weiterhin wie sechzehn fühlen.