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Von Freitag bis Freitag München: Unterwegs mit Wolfgang

Unser Autor Wolfgang hat Panik. Ist er wirklich schon dafür bereit, dass der Sommer zu Ende geht? In der kommenden Woche will er aufholen, was er glaubt verpasst zu haben. Mit dabei: Konzerte, Gartenpartys, Straßenfeste und ein persönlicher Geheimtipp.

Von Wolfgang Westermeier.

Der Sommer bäumt sich ein letztes Mal auf, ein warmes Lüftchen treibt die Menschen aus ihren Wohnungen in die Cafés, Restaurants, Biergärten und Stadtparks. An der Isar holen sie sich noch eine flussgekühlte Halbe (warum auch nicht?), während sich der Rest der Gruppe mit den Wespen um das Picknick schlägert. Herrlich. Oder? Nein. Nein? NEIN! Ich weiß, dass mir die spätsommerliche Wunderbarkeit Seufzer der Entzückung entlocken sollte, aber bei mir löst sie nur ein Gefühl aus: Blanke Panik.

Torschlusspanik, um genau zu sein. Habe ich diesen Sommer genug Espressi an italienischen Tankstellen getrunken? Sonnenwarme Pfirsiche gepflückt und sie direkt in den Mund geschoben? Unter dem Nachthimmel getanzt, bis dieser gräulich und die Glieder müde waren? Nein, natürlich nicht. Es war ja Corona. Was in normalen Jahren schon schlimm ist, ist dieses Jahr der Horror. Der Sommer 2020 fühlt sich an wie ein typischer Berghain-Abend: Ewiges Warten, Nervosität, zwischendurch Hoffnung, nur um am Ende zu hören, dass es diesmal leider nichts wird. Dann die langsam durchsickernde Erkenntnis, dass es das auch war, mit diesem Abend, diesem Sommer.

Aber was soll das Gejammer, noch ist er ja nicht vorbei. Also kommt mit in meine Spätsommer-Panik-Woche, in der ich alles aufzuholen versuche, was bisher zu kurz gekommen ist. Immer mit Maske, versteht sich.

Noch bis einschließlich Sonntag findet die dritte Ausgabe von „Various Others“ statt, eine internationale Ausstellung, die von einer Vereinigung von zahlreichen Galerien, Museen, Kollektiven und Off-Spaces organisiert wird. Weil das Beste an diesen Kunstveranstaltungen zweifelsfrei die Afterpartys sind, gehe ich am Freitag auf die Garden Party der Villa Stuck. Ich freue mich über dickrandige Kastenbrillen, schamlose Selfie-Sessions und den Wein, der dort (meistens) flaschenweise angeboten wird.

Am Samstag schlendere ich zunächst über das Straßenfest auf der Leopoldstraße und beschwere mich lautstark darüber, wie schlecht das Straßenfest auf der Leopoldstraße ist. Habe ich dieses Jahr schließlich auch noch nicht gemacht. Aber mal im Ernst: Könnte man die kommerziellen Wurstbuden und Eso-Infostände nicht mal mit etwas Ansprechendem ersetzen? Am Ende der Ludwigstraße bin ich dann an meinem eigentlichen Ziel angelangt, dem „Urban Wine Garden“ im Alten Hof. Unter dem Motto „Eat, Drink & Dance“ eate („leckeres Streetfood“), drinke („Sundowner“) und dance (Robin Schulz?) ich mit meinen Freunden, bis wir genug haben und zum „Secret Garden Summer Closing“ rüberwechseln. Irgendwann sind meine Freunde weg, die mich peinlich finden, weil ich ständig davon rede, dass heute der summer geclosed wird. Nachdem ich meine Freunde wiedergefunden habe (sie haben sich im „Secret Backyard Garden“ vor mir versteckt) geht‘s mit dem Fahrrad nach Hause. Ich freue mich über den Fahrtwind, der meine sonnen- und alkoholgewärmten Backen kühlt. Vielleicht zum letzten Mal dieses Jahr?

Nach dem exzessiven Summer Closing der letzten Nacht möchte ich am Sonntag dem Sommer tatsächlich auf Wiedersehen sagen. Vielleicht bei gutem Essen (Pommes mit Rosmarin) und guter Musik (OneOfYou)? Eventuell sogar in einem „geheimen“ Garten? Ich gehe also ins Gans am Wasser und singe ein kleines Loblied auf die Gebrüder Hahn, die diese Stadt ein Stück lebenswerter machen. Wie es wohl wäre, wenn sie das Straßenfest auf der Leopoldstraße übernehmen würden?

Die Kulturveranstaltungen hatten es diesen Sommer auch nicht einfach und tatsächlich war ich in den letzten Monaten bei keiner einzigen Theateraufführung oder dergleichen. Umso mehr freut es mich, dass ich am Montag auf ein Parkhausdeck am Stachus gehe, wo eine Mezzosopranistin, ein Pianist und eine Klangkünstlerin Beethovens „An die ferne Geliebte“ aufführen. Die Performance ist Teil von Hidalgo, einem jungen Münchner Klassikfestival, das über mehrere Tage verteilt aufwändig inszenierte Konzerte veranstaltet.

Am Dienstag hole ich mir noch mal die volle Ladung Sommer-Fernweh und suche die Alte Utting auf, wo an diesem Abend ein Shanty Chor von Reisen nach Rio und Hawaii singt. „Down by the sea, where the watermellons grow …“

Etwas, das dieses Jahr viel zu kurz gekommen ist: Konzerte. Wie gut, dass am Mittwoch im Olympiastadion Mailänder, Victoryaz und Cadet Carter auftreten. Victoryaz durfte ich bereits einmal live erleben, auf dem Konzert zur Wahl der SZ Junge Leute Band des Jahres. Damals war ich hingerissen von ihrer Stimme, außerdem freue ich mich darüber, zwei neue Bands kennenzulernen.

Am Donnerstag nehme ich euch mit an einen Ort, den ich die ganze Zeit geheim gehalten habe. Nach Pasing. In das Hüpfburgenland an der Blumenauer Straße. Dort ist der Eintritt für Erwachsene jeden Donnerstag von 14 bis 15 Uhr frei. Jetzt, wo ich den Sommer über meinen Spaß dort hatte, dürft ihr auch mal hüpfen.

Wisst ihr, was am Freitag ist? Der 18. September. Und wisst ihr auch, was am nächsten Tag gewesen wäre? Richtig, Wiesnanstich. Ich weiß, dass es in München zum guten Ton gehört, sich über kotzende Australier und den Trachtenfasching aufzuregen. Aber jetzt, wo der ganze Trubel ausbleibt, geht sie uns, Hand auf’s Herz, ja doch ab. Um mich dieses Jahr wenigstens einmal in Lederhosen peinlich aufzuführen, suche ich deshalb an diesem Abend trotzdem die Theresienwiese auf – genauer, den Tanzmeister Magnus Kaindl, der zum „kontaktlosen bayrischen Tanzen“ lädt. Wenn ich mich richtig erinnere, hat das „bayerische Tanzen“ bei mir immer sehr gut geklappt, aber da waren auch ein paar Maß im Spiel. Mal sehen, wie es diesmal wird, in diesem seltsamen Sommer 2020.