Alida Johannsen will mit der Initiative Enactus München und deren Projekt Greendesert in Kooperation mit lokalen Partnern betroffene Flächen in Kamerun wiederbegrünen, um Betroffenen eine neue Lebensgrundlage zu ermöglichen. Dazu werden u.a. in alten Kaffeesäcken (im Bild) Pflanzensamen in Randgebieten der Wüste ausgelegt. Foto:Alessandra Schellnegger

Für eine „grüne“ Wüste

Alida Johannsen bekämpft mit Kaffeesäcken die Versandung.

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Nachhaltig unter der Discokugel

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Den Vorwurf, nichts zu sagen zu haben, kann man der Gruppe rehab republic nicht machen. Mit Kleidertauschpartys und außergewöhnliche Partys möchten sie Themen wie Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz in die Mitte der Gesellschaft rücken. Zuletzt luden sie unter dem Namen „Clubmob“ ins Milla ein, um den gewaltigen Co2-Verbrauch in Diskotheken zu verringern.

Im Kino läuft zur Zeit „Wir sind die Neuen“ – eine Komödie, in der drei Alt-68er feststellen müssen, dass die jungen Menschen von heute für nichts mehr kämpfen außer für ihre Examen. „Es hat nie eine Generation gegeben, die über so viele Kommunikationsmittel verfügt und dabei nichts zu sagen hat“, behauptet der 60-jährige Alt-Hippie Johannes gegen Ende des Streifens. Aber stimmt das? Kreisen die jungen Leute von heute wirklich nur noch um sich selbst, interessieren sie sich nur für ihre eigene Karriere und haben ansonsten zu nichts eine Meinung?

Den Vorwurf, nichts zu sagen zu haben, kann man zumindest einer Gruppe junger Münchner nicht machen. Unter den Namen „rehab republic“ haben sich Studenten, junge Pädagogen, Medienschaffende, Informatiker, Philosophen und Wissenschaftler zusammengeschlossen, um die Themen Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz noch mehr in die Mitte der Gesellschaft zu rücken. Auch die Studentin Dorothea Kimmerle ist schon seit einiger Zeit ein engagiertes Mitglied bei rehab republic, da sie es zu „einseitig und langweilig“ findet, sich nur um ihr Studium zu kümmern. „Die Gleichgültigkeit der Leute macht mich traurig“, sagt sie, „ich mag Menschen, die eine Leidenschaft haben.“

Und so suchte die 25-Jährige in der Münchner Gesellschaft, wo „jeder in seiner kleinen Mühle vor sich hin arbeitet“, nach Personen, die mal „einen Leerlauf einlegen, um Sachen zu erkennen“. Dorothea schätzt „das Positive“ und die Effizienz an den Kampagnen von rehab republic, die sich nicht gegen, sondern für etwas einsetzen und radikale, aktivistische Umtriebe ausklammern. 

Die Macher von rehab republic sind keine realitätsfernen Idealisten, die sich in ihrem Selbstversorger-Bauernhof verschanzen. Sie rennen nicht mit erhobenem Zeigefinger durch die Straßen, sie hausen nicht in autonomen Kommunen, sie schreien keine Parolen auf Demos. Sie belohnen Fahrradfahrer, indem sie ihnen Äpfel schenken. Sie tanzen in einer Silent-Parade auf Münchner Plätzen und verteilen Kopfhörer, durch die Wortbeiträge nachhaltig lebender Menschen schallen. Sie veranstalten Kleidertauschmärkte. Und nicht zuletzt feiern sie außergewöhnliche Partys. Sie sind sich der Größe der Herausforderungen der jetzigen Generationen bewusst und möchten mit „kleinen Schritten“ in eine nachhaltige Zukunft gehen, „um schwere Krisen und Konflikte zu vermeiden“, und möglichst viele Menschen einbinden.

Erst kürzlich haben sie mit dem Jugendverband vom Bund Naturschutz den sogenannten „Clubmob“ (Fotos: rehab republic) organisiert. Um den gewaltigen jährlichen Kohlenstoffdioxid-Verbrauch eines Clubs zu senken, bietet die rehab republic den Münchner Clubbetreibern eine kostenlose Energieberatung an. Die Clubbetreiber versprechen im Gegenzug, mit den Einnahmen einer Clubnacht Energiesparmaßnahmen vorzunehmen. Und so stieg kürzlich in der Münchner „Milla“ eine große Party, die Tanzfläche füllte sich gegen Mitternacht mit Nachtschwärmern und die Menge wippte zu funkigen Beats. Doch über den Köpfen glänzte nicht nur die Discokugel. Hier flimmerten auch Schriftzüge, die ein Beamer an die Wand warf: „Wusstest du, dass ein mittelgroßer Club 90 Tonnen CO₂ im Jahr ausstößt? Das ist in etwa so viel, wie wenn du 25 mal von München nach Tokio und zurück fliegen würdest“, oder „wie wenn du 325 Tage im Jahr ununterbrochen heiß duschen würdest“. Und: „Um diese Menge an CO₂ zu absorbieren, müsstest du zehn Fußballfelder Wald pflanzen, nur kann man dann nicht mehr Fußballspielen“. Diese Zahlen und Fakten verdarben niemanden an diesem Abend im Milla die Laune. Im Gegenteil. Die Menge wusste, umso mehr sie feiern würde, desto mehr Geld käme in die Kasse für energieeffizientere Ton-, Licht- und Kühlungsanlagen.
 
Dorothea war zufrieden mit dem Abend, mit der Stimmung und damit, dass rehab republic mal wieder der Öffentlichkeit gezeigt hat, dass Energiesparen Spaß machen kann. Es war nicht schwer, die Club-Betreiber zu überzeugen, beim Clubmob mitzumachen. „Zum Glück ist es zur Zeit einigermaßen modern, nachhaltig zu sein“, sagt Dorothea und ergänzt schmunzelnd: „Wer weiß, vielleicht mobben wir irgendwann das P1.“

Bis dahin veranstalten sie allerdings noch eine Menge andere Aktionen. Bald gibt es eine „Turboschnibbelparty“, bei der rehab republic und die Initiative Foodsharing aussortiertes Obst und Gemüse aus Supermärkten holen, um es zu Partyfutter zu verarbeiten. Bei Live-Musik und Speed-Dating laden sie zum „Schnibbeln“, Essen und Tanzen ein. Während die Leute eine Gurke zerlegen, plaudern sie dann zum Beispiel über die Nahrungsmittelverschwendung, über die 80 Kilogramm Lebensmittel, die jeder Deutsche im Jahr im Durchschnitt in die Mülltonne wirft und dass „die Karotte sich ihr Ende sicher auch anders vorgestellt hat“. Auf jeden Fall aber wird mal wieder gefeiert – so, als gäbe es ein Morgen. Susanne Brandl