Sophie Schmitz und ihr Bruder Julian verdienen mit ihrer App nichts, sondern investieren alles für die Natur. Foto: privat

Erst shoppen, dann pflanzen

Wie Julian und Sophie Schmitz die Umwelt retten wollen.

Bereits 380 Bäume konnten Julian Schmitz, 20, und seine Schwester Sophie, 18, pflanzen. In nicht einmal zwei Monaten. Selbst Hand angelegt haben die beiden jedoch nicht. Dafür haben die Geschwister ihre eigene App entwickelt:

Treelia. Über diese können Nutzer durch Online-Shopping dazu beitragen, Bäume in Nepal, Haiti, Indonesien, Mosambik oder Kenia anzupflanzen. Das Ziel der Geschwister ist es, Umweltschutz mit ihrem Start-up möglichst einfach zu machen. Doch steht der Shopping-Spaß im Internet nicht in einem Widerspruch dazu? Das muss nicht zwingend so sein. Sagen zumindest Julian und Sophie.

Dass Sophie und Julian Geschwister sind, sieht man ihnen sofort an. Auch in ihrer Art ähneln sie sich sehr. Selbstbewusst, zielstrebig, charismatisch. Beide haben ein ansteckendes Lächeln. Geht es jedoch um den Schutz unserer Natur, werden Sophie und Julian ernst. Das Lächeln weicht dann einer Miene, die zwischen Betroffenheit und Ärger schwankt.

Seit Jahren beschäftigen sie sich mit Umweltschutz. Den Entschluss, selbst aktiv zu werden, fassten sie 2017 nach einem Familienurlaub auf Borneo, einer Insel in Südostasien. Dort konnten die Geschwister die massive Abholzung des Regenwaldes direkt miterleben. „Es waren dann teilweise bis zu 40 Kilometer nichts als Palmenplantagen – und am Ende kam dann ein winzig kleiner Fleck Regenwald. Das war schon erschreckend. Trotzdem hat uns das im Nachhinein einfach unglaublich motiviert“, sagt Julian. Die Worte sprudeln nur so aus ihm heraus, mit einer tiefen Stimme, aus der Unverständnis und Wut herauszuhören ist.

„Bäume pflanzen ist eine der effektivsten, wenn nicht sogar die effektivste Möglichkeit, CO² aus der Atmosphäre zu ziehen“, erklärt Julian. Das ist auch der Grund, warum sie so viele Bäume wie möglich pflanzen wollen.

Nur wie bewegt man die Menschen dazu, solche Projekte zu unterstützen? Sophie und Julian war klar: Je einfacher das Konzept, desto größer die Wirkung. „Wir haben das Ziel gehabt, Umweltschutz so einfach wie möglich zu gestalten. Es den Leuten einfach zu machen, etwas Gutes für die Umwelt zu tun. Und da haben wir unsere Möglichkeit gesehen“, sagt Julian. Aber woher das Geld nehmen, das später dann in die Wiederaufforstung investiert wird? Hier haben sich die beiden Studenten von der Vorgehensweise beim Cashback inspirieren lassen. Der kleine Unterschied: Die vollständige Provision geht an das Start-up. So bleibt das Pflanzen eines Baumes für den Nutzer kostenlos. „Das ist keine große Sache für einen Einzelnen, aber alle zusammen können etwas Großes erreichen“, sagt Sophie.

Seit Dezember ist die Treelia-App nun im Playstore zu finden. Das Konzept ist einfach: Man erstellt kostenlos einen Account und wählt über die Kategorie „Shops“ den Link zur Website aus, die man besuchen möchte. Bereits mehr als 1000 Unternehmen unterstützen das Münchner Start-up. Kauft man nun über Treelia ein, erhalten Julian und Sophie eine Provision. Mit diesen Spenden und in Zusammenarbeit mit dem Eden Reforestation Projects können die Geschwister Wiederaufforstungsprojekte rund um die Welt unterstützen.

Aber kann Online-Shopping tatsächlich gut für unsere Umwelt sein? Auch darüber haben sich Sophie und Julian informiert. Sie verweisen auf eine Studie, laut der Online-Shopping oftmals besser für die Umwelt sei, als in ein Shoppingcenter zu fahren. „Ein Kaufhaus braucht auch Unmengen an Strom, dann fährt man vielleicht noch mit dem Auto dahin. Es gibt viele verschiedene Aspekte die da zusammenlaufen. Außerdem wollen wir mit unserer App niemandem dazu motivieren, unverhältnismäßig viel online einzukaufen. Aber es ist tatsächlich so, dass die Logistik in den vergangenen Jahren soweit optimiert wurde, dass der CO²-Ausstoß massiv gesenkt werden konnte. Klar, wenn man mit dem Fahrrad zum nächsten kleinen Supermarkt fährt, ist das wahrscheinlich besser für die Umwelt. Aber man darf nicht unterschätzen, dass herkömmliches Einkaufen auch indirekt Co² produziert“, sagt Julian.

Neben der vollständigen Studie können auf ihrer Website auch Spendenbelege eingesehen werden. Das Versprechen: Mindestens 75 Prozent der Gewinne werden an Baumpflanzprojekte gespendet. Das erwähnen Julian und Sophie mehrmals. Schließlich sollen die Menschen sich darauf verlassen können, dass die Spenden auch da ankommen, wo sie sollen. Das restliche Geld legen sie zurück, um die Möglichkeit zu haben, auch andere Projekte zu unterstützen und die laufenden Kosten zu decken. An der App verdienen wollen die Studenten nichts.

Momentan arbeiten Sophie und Julian ausschließlich mit Eden Reforestation Projects zusammen. Die Non-Profit-Organisation kümmert sich um das Pflanzen der Bäume. Dafür stellt sie größtenteils Einheimische vor Ort ein. Die Geschwister haben sich für sie entschieden, da sie nachhaltig arbeitet, offen darlegt, wie mit den Spenden verfahren wird, und eng mit anderen seriösen Organisationen zusammenarbeitet. Laut Sophie könnten sie sich für die Zukunft auch vorstellen, mit mehreren Umweltorganisationen zu agieren. Außerdem wollen die beiden auch selbst einmal vor Ort sehen, was sie mit ihren Spenden so alles bewirkt haben. Das geht momentan natürlich nicht, ist aber fest geplant.

Und wer weiß, bis dahin könnte sich die Anzahl der gepflanzten Bäume bereits verzehnfacht haben. Denn die Kosten sind nicht sehr hoch – gerade einmal zwischen zehn und 30 Cent pro Setzling. Dabei filtert ein Baum pro Jahr schon etwa zehn Kilogramm CO² aus der Atmosphäre. Ein großes Ziel haben die Geschwister jedoch nicht: „Wir freuen uns über jeden einzelnen Baum. Wir haben auch nicht die Ressourcen, das ganz schnell auszubauen.“ Trotzdem hoffen die beiden natürlich, ihre Reichweite steigern zu können und mehr Leute zum Mitmachen zu bewegen. Denn zusammen könnte man nicht nur einen Baum, sondern einen ganzen Wald pflanzen.

Von Celine Weiser