Machbarschaft-Teammeeting / Foto: privat

Neuland: Auf gute Machbarschaft & Zusammen allein

Auf gute Machbarschaft

Marc Sommer, 20, Wirtschaftsinformatikstudent an der TUM, wollte in dieser Ausnahmesituation etwas Gutes schaffen. Deswegen programmierte er vor zwei Wochen beim #WirVersusVirus Hackathon der Bundesregierung mit. Zusammen mit seinen 20 Teammitgliedern entwickelte er Machbarschaft, eine Plattform für Solidaritätsangebote, die durch die Verbindung von Telefonservice, einem Bot und einer App Menschen ohne Internetzugang etwa bei Einkäufen helfen soll: „Ältere Menschen ohne Internet brauchen uns in Zeiten von Corona mehr denn je.“ Die kostenlose und automatisierte Telefon-Hotline kann jederzeit unter 040/299960980 erreicht werden, ein Bot zeichnet die Anfragen auf, diese werden verarbeitet und als Aufträge an die App und dort verifizierte Helfende gesendet. Hotline und Webseite machbarschaft.jetzt existieren bereits, die App ist in Arbeit. Mittlerweile hat die Bundesregierung bekanntgegeben, welche Projekte weiterhin unterstützt und gefördert werden sollen, von 1500 Projekten wurden demnach 20 ausgewählt. Machbarschaft ist eines davon. Lena Bammert

Zusammen allein

Junge Münchner Musiker haben es derzeit schwer, wie alle anderen Künstler auch. Viele Bands aus München mussten ihre Live-Auftritte absagen. Doch die Münchner Musikszene trifft sich weiterhin mit ihrem Publikum: In Sozialen Netzwerken, etwa Instagram. Dort finden Konzerte im Livestream statt, wie kürzlich von Musikerin Elena Rud, den Kytes, Henny Herz, The Whiskey Foundation und anderen. Das Publikum kann die Konzerte vom Sofa aus verfolgen, es wird jedoch auch selbst aktiv. Lisa Seebauer, 27, leitet einmal im Monat die offene Singgruppe Singbar in der Goethestraße, momentan findet das Singen virtuell statt: „Jetzt ist es wichtig, dass alle positiver gestimmt sind. Singen macht nicht nur glücklich, sondern stärkt das Immunsystem und das Gemeinschaftsgefühl.“ Am Ende fühlen sich zusammen dann alle etwas weniger allein. Ornella Cosenza

 

#meTU

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Doofe Pfiffe, pubertäre Jungs: Was Frauen an der TU erleben.

34 Prozent. Studiert man als Frau an der Technischen Universität München ist man Teil von 34 Prozent. Zum Vergleich: An der LMU sind im selben Studienjahr 60 Prozent weibliche Studierende eingeschrieben. Obwohl diese natürlich von Fakultät zu Fakultät variieren, sind junge Frauen an der TU München immer noch stark unterrepräsentiert. Da stellt sich die Frage: Wie fühlt sich das an? Was bedeutet es, in der Physikvorlesung neben lauter männlichen Kommilitonen zu sitzen?

“Egal, wohin man schaut: Es sind immer deutlich mehr Jungs als Mädchen. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass dadurch jemand ausgeschlossen würde. Ich jedenfalls habe mich nie unwohl gefühlt”, sagt Franziska Ochsenfarth, 23.

Sie trägt einen dunkelblauen TUM-Hoody. Seit ihrem ersten Semester engagiert sich die Maschinenbau-Studentin in ihrer Fachschaft, mittlerweile sitzt sie für den Asta – kurz für Allgemeiner Studentischer Ausschuss der TU München – als Vertreterin in Senat und Hochschulrat. Das Thema “Studentinnen an der TU” findet Franziska reizvoll, zumal für sie nach dem Abitur klar war, in welche Fachrichtung es gehen sollte, Geschlechterklischees hin oder her. “Mathe und Physik fand ich schon immer faszinierend. Wenn ich vor dem Studium darüber nachgedacht habe, ob es eine Rolle spielt, dass ich als Frau Maschinenwesen studiere, dann mehr so in Richtung: Ja, und? Darum kann ich’s ja trotzdem machen.”

Und doch erlebt sie es immer wieder, dass Leute staunend die Augenbrauen hochziehen, wenn sie von ihrem Studium erzählt. Für sie liegen die Ursachen hierfür klar in Gesellschaft und Erziehung. Bereits im Kindergarten würden die Mädchen doch in separaten Gruppen spielen; wollten sie an die Bauklötze, und die Jungs hätten etwas dagegen, dann sei das einfach so. Sie ist überzeugt: “Wer sich aber bis zur Oberstufe sein Interesse behält, nimmt den Schritt ins entsprechende Studium viel leichter. Die meisten Mädchen gehen aber deutlich früher verloren, da kann die Uni gar nicht viel machen.”

Ähnlich sieht das auch Ramona Wüst, 24. Sie hat gerade ihren Master in Umweltingenieurwesen begonnen und war im vergangenen Jahr Diversity-Beauftragte im Asta. “Solange Mädchen Barbies geschenkt bekommen, und die Jungs mit Baggern spielen, wird sich an den Geschlechterklischees nicht viel ändern”, sagt sie.

Beide wirken dabei wie viele taffe junge Frauen, deren Motto “Ärmel hoch und ran an die Aufgabe” lautet – bis sie an die gläserne Decke stoßen. “Ganz viele Frauen fühlen sich im Laufe ihres Studiums nicht benachteiligt. Bis sie dann an einen konkreten Punkt kommen, an dem es nicht mehr weitergeht, sie zum Beispiel einen Job nicht bekommen”, sagt Iris Stolz. Sie ist Referentin für Alumni- und Karrierefragen und auch Ansprechpartnerin bei Fragen zum Alumni-Netzwerk “Women of TUM”. Dieses wurde von TU-Absolventinnen zum internationalen Austausch ins Leben gerufen und verantwortet mittlerweile auch ein Mentoring-Programm für weibliche Studierende. Die Frauen sieht sie durchaus mit einer besonderen Aufgabe konfrontiert, schließlich seien diese stets in der Minderheit; das Selbstwertgefühl zu behalten oder gar weiterzuentwickeln, gestalte sich schwierig. Ziel von “Women of TUM” sei es darum auch, “Frauen an der TU sichtbarer zu machen”.

Doch im Gespräch mit den Studentinnen beschleicht einen das Gefühl, Frauen seien zuweilen an der Uni ein kleines bisschen zu sichtbar. Hohe Schuhe, die auf dem Fußboden klackern, fallen sofort auf. Kurze Röcke auch – und werden kommentiert. Ein bekanntes Problem ist etwa das “Auspfeifen im Hörsaal”, das vor allem an der Fakultät für Maschinenwesen, Frauenanteil aktuell bei 15 Prozent, zu Diskussionen führt. Kommen Studentinnen zu spät oder einfach nur durch die vordere Tür in den Vorlesungssaal, werden sie gelegentlich ausgepfiffen. Aber nicht so wie auf dem Fußballplatz, sondern mehr so “wie wenn Frauen an einer Baustelle vorbeilaufen”, sagt Helena Hashemi Farzaneh, stellvertretende Frauenbeauftragte an der Fakultät für Maschinenwesen. Obwohl dieses Verhalten die Studentinnen störe, bliebe eine entsprechend mahnende Reaktion zumeist aus. Zu einfach würden die “Pfeifer” in den Hunderten von Studenten untergehen, zu “verunsichert und vielleicht auch hilflos” zeigten sich Professoren und Dozenten. Deshalb wurde dieses Wintersemester erstmals die Kampagne “Pfiffe gibt es nur auf dem Spielfeld” lanciert.

Asta-Vertreterin Franziska rät zu Pragmatismus und schlägt den Eintritt über die hintere Türe des Vorlesungssaals vor – vielleicht seien weibliche Studierende im Alltag ihrer Kommilitonen einfach zu “ungewohnt”. Aber kann das wirklich die Lösung sein? Man bekommt den Eindruck, als sei solches Verhalten ein notwendiges Übel “Spätpubertierender”, das sich im besten Fall mit zunehmender Reife von selbst erledigt. Als wären junge Frauen exotische Raritäten aus einer fremden Galaxie, kürzlich erst entdeckt und nicht zuvor Spielkameradinnen oder Mitschülerinnen gewesen.

“Ich habe oft das Gefühl, dass viele Jungs hier immer noch nicht verstehen, dass solche Kommentare Frauen Angst machen. Gerade wenn zum Beispiel auf Uni-Partys Alkohol im Spiel ist, kommt dann ganz schnell mal ein Kommentar wie ,Stell dich nicht so an’, und die übrigen Jungs solidarisieren sich da gleich”, sagt Ramona. Dagegen helfe nur, dass offen über solche Themen gesprochen werde und die Organisatoren der TU-Partys etwa diese im Hinterkopf behalten.

So wie auf der diesjährigen Mai-TUM. Hier griffen die Veranstalter, allesamt Studierende, hart durch: Nach Beschwerden von Mädchen wurden die entsprechenden jungen Männer wegen unangemessenen Verhaltens durch die Security von der Veranstaltung entfernt. Das Amt für Diversityfragen im Asta ist aktuell jedoch unbesetzt, Ramona macht es nicht mehr und stellt fest: “Im Asta, da waren alle auch irgendwie so überarbeitet. Da hat dann irgendwie die Kraft gefehlt, weiter in meine Themen zu investieren.”

Text: Yvonne Gross

Foto: Privat

Weg mit den Klischees

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Eine Webserie als Imagewerbung: Sebastian Stojetz, 28, dreht in Kooperation mit der TU und der HFF München die Reihe “TUM – Täglich unter Männern”. Der Plot: Eine Frau will an der Technischen Universität studieren.

Es ist die Stunde der Wahrheit. Den Schauspielern liegen die Drehbücher vor, alle sitzen zusammen und beginnen die Szenen zu lesen. Dann ist Sebastian Stojetz, 28, am glücklichsten. “Das ist wie eine Droge”, erzählt er über den Moment, wenn die Figuren und die Geschichte, die er sich monatelang ausgedacht hat, durch die Stimmen der Schauspieler zum Leben erweckt werden. Der junge Regisseur und Drehbuchautor feiert gleich dreifache Premiere. Er hat gerade als erster die Förderung des Film-Fernseh-Fonds Bayern in der Kategorie Webserie erhalten – und das in Höhe von 50 000 Euro. Das Projekt ist die erste Kooperation zwischen der Technischer Universität (TU) München und der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF). Und es ist Sebastians erster eigener Film als Regisseur.

Unter dem Arbeitstitel “TUM – Täglich unter Männern” hat er in Kooperation mit der TU und der HFF München eine Geschichte entwickelt über das Studium an der Technischen Universität als Frau. Es geht um die taffe Juli, die wegen ihres Wunschs, Elektrotechnik zu studieren, von ihrem Freund verlassen wird. Humorvoll erzählen die Drehbuchautoren Sebastian Stojetz und Madeleine Fricke von dem Konflikt ihrer Protagonistin, trotz Hindernissen zu ihrem Traum zu stehen – und ihr Traum ist eben ein technisches Studium.

Die Webserie, also kurze Filmsequenzen, sind das Format der Zukunft. Das sagt zumindest Sebastian. Schon jetzt sehen immer mehr junge Menschen Serien. Für ihn ist das Format interessant, da es noch alle Freiheiten offenlässt. Die Länge der Folgen, der Handlungsaufbau und -ablauf, alles ist flexibel. Er kann experimentieren.

Angestoßen hat das Projekt der damalige TUM-Vizepräsident für Diversity und Talent Management, Klaus Diepold. Als Verantwortlicher für das Thema Gendergerechtigkeit wollte er, dass endlich Schluss ist mit dem Klischee, Frauen seien für technische Studiengänge nicht geeignet. “Es stört mich schon lange, dass in Fernsehen und Werbung Frauen nur bestimmte stereotype Rollen zugewiesen bekommen”, sagt Diepold. Deswegen habe er versucht, Filmschaffende davon zu überzeugen, mal ein Projekt über Ingenieure mit starken Frauen in Hauptrollen zu verwirklichen. Damit sei er auf Granit gestoßen. “Da habe ich mir gedacht, das machen wir jetzt einfach selbst”, sagt Diepold. “Es ist an der Zeit, dass auch im Film dargestellt wird, was schon lange Realität ist: starke Frauen in den Ingenieurwissenschaften.”

An der HFF hat Sebastian Stojetz von 2009 bis 2014 Drehbuch und Dramaturgie studiert. Als Dramaturg arbeitet er bei den Bavaria Filmstudios, seine Drehbücher waren schon Grundlage zahlreicher Filmproduktionen. In seinem neuesten Projekt ist er als Regisseur und Drehbuchautor involviert. Die Tätigkeit als Regisseur habe ihn völlig begeistert. “Da habe ich schon Blut geleckt”, sagt er mit einem Augenzwinkern. Denn nur so kann er eine Idee in ein Gesamtkunstwerk nach seinen Vorstellungen verwandeln.

Vor allem das Paket aus talentierten und engagierten Beteiligten vor und hinter der Kamera, dem aktuellen Thema und dem Auswertungspotenzial haben den Vergabeausschuss des Film Fernsehfonds Bayern überzeugt. “Dass wir diese Förderung vom Film-Fernseh-Fonds bekommen haben, war der Wahnsinn”, sagt Sebastian. Damit konnte er das Projekt so professionell aufziehen, wie er es sich gewünscht hat. Mit richtiger Kinovisualität und nicht nur von einer Spiegelreflex gedreht.

Helena Hofer, eine gute Freundin von Sebastian, hat mit ihrer Produktionsfirma Cocofilms die Produktion geleitet. Um alle anderen Dinge, wie etwa das Casting, hat sich Sebastian selbst gekümmert. Die Hauptrolle spielt Alina Stiegler. Auch der Kabarettist Maxi Schafroth ist mit von der Partie. Maria Furtwängler, die sich selbst mit ihrer Stiftung für die Gleichberechtigung von Frauen einsetzt, ist die Idealbesetzung für die Rolle der Professorin für Regelungstechnik an der TU und als starke Frau das Vorbild der Protagonistin.

“Ich war schon immer ein Geschichtenerzähler”, sagt Sebastian. Während der Schulzeit habe er bereits kleine Prosa geschrieben. Nach dem Abi, während einer Interrail-Tour durch Europa, hat er mit einem Freund Ideen für zwei Theaterstücke gehabt. “Ich mag es am liebsten, Geschichten in dieser Dialogform zu erzählen”, sagt er. Danach ein Jahr der Orientierung. Studium der Komparatistik und Jura, journalistische Tätigkeit, eine Tour mit seiner Indie-Alternative Band durch Frankreich. “Aber ich wollte Geschichten erzählen, ich wollte selbst etwas tun und nicht nur wie in der Schule Dinge beigebracht bekommen”, sagt er. Dann kam die Zusage von der HFF.

Die Webserie um die Frau in der Männerwelt ist jetzt abgedreht und soll Anfang des kommenden Jahres in fünf Folgen à acht Minuten erscheinen. Klaus Diepold kann es kaum erwarten, erste Szenen fertig geschnitten zu sehen, nachdem er das Projekt nun schon seit fünf Jahren verfolgt. Tobias Grabmeier, ein Student von ihm, hat den Kontakt zu der Coco-Films Produzentin Helena Hufnagel und Sebastian Stojetz hergestellt. Die Kooperation mit der HFF ergab sich durch Zufall, als die heutige Präsidentin der HFF Bettina Reitz als Kuratorin der TU in einer Besprechung von dem Projekt informiert wurde. “Das war ein langwieriger Prozess mit vielen kleinen Impulsen, bis wir da angekommen sind, wo wir heute stehen”, sagt Diepold.

Gedreht wurde ausschließlich an Originalschauplätzen: Vorlesungssaal, Mensa, Bibliothek. Alle Szenerien entsprechen denen des echten Studentenlebens an der TUM. Den Filmemachern ist aber wichtig, dass ihre Webserie
über die TUM hinausgeht, dass sie sich überall für Genderförderung in
naturwissenschaftlichen Studiengängen einsetzen.

Mitten im Unialltag zu drehen, führt zudem zu lustigen Zwischenfällen. Beim Dreh in der TU Bibliothek bei vollem Betrieb durften selbst die Schauspieler nur miteinander flüstern, bis Stojetz in voller Konzentration und mit den Kopfhörern auf laut: “Und bitte!”, durch die gesamte Bibliothek rief. Bei einem Dreh Anfang November konnten die TU-Studenten als Komparsen auch selbst Teil der Serie werden. Für die erste Folge wurde eine Schlange Studenten, die auf ihre Student-Cards warten, nachgestellt. Mit 50 Leuten zu drehen, sei schon sehr aufwendig gewesen. “Die Schlange war uns deshalb so wichtig, da wir die verschiedenen Studi-Gruppen charakteristisch überspitzt zeigen wollten”, sagt Stojetz.

Aber was halten die Studierenden der TUM von der Idee? “In meinem Master in Kerntechnik und Astrophysik sind wir etwa fünf Prozent Frauen”, sagt Karina Bernert, 22, “da gibt es also eindeutig ein ungleiches Verhältnis. Ich habe mich nicht zurückhalten lassen und auch noch nie als Frau in den Naturwissenschaften einen Unterschied erlebt. Ich finde es wichtig, dass andere Mädchen dazu ermuntert werden. Dafür ist die Webserie ein gutes Zeichen, das die Uni sendet.” Leon Stütz, 24, macht seinen Master in Maschinenbau und Management an der TUM und schätzt den Frauenanteil auf unter zehn Prozent. Er gibt zu bedenken: “Ich glaube nicht, dass so eine Serie bei einem Mädchen in der elften Klasse, die sich vorher noch nie für Technik interessiert hat, plötzlich den Wunsch weckt, sich doch für Elektrotechnik einzuschreiben. Trotzdem ist eine Serie, die solche Klischees aufbricht, ein wichtiger erster Schritt.”

Heute ist Sebastian seinem Ziel, Menschen mit seinen Geschichten zu unterhalten, schon zum Greifen nahe. “Irgendwann will ich im Kino den Leuten von der ersten Reihe aus zusehen, wie sie zu meinen Filmen lachen. Das ist mein Traum”, sagt er. Am meisten faszinieren ihn die Charaktere, die für etwas brennen, in einem Thema “richtig nerdy” sind, seien es nun die Fußballergebnisse oder Elektrotechnik. So wie er selbst, mit seinem Talent zu schreiben und dem Traum, in der Filmwelt zu arbeiten. In seinem nächsten Projekt geht es dann um einen Mann, der sich in eine reine Frauendomäne vorwagt: Er will Hebamme werden.

Text: Anne Gerstenberg

Foto: Joshua Park

Von Freitag bis Freitag: Unterwegs mit Max

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Jazz, Tag der offenen Tür an der TU und Comics – abwechslungsreicher könnte man die Woche nicht gestalten. Abgerundet wird das Ganze am Freitag dann mit einem echten Highlight, auf das so manch Münchner schon seit Wochen hinfiebert.

Endlich Freitag – für mich schon
verlängertes Wochenende, da mein Uni-Stundenplan mich an diesem Wochentag
glücklicherweise freigestellt hat. Ausschlafen ist heute auch bitter nötig,
denn der Freitagabend wird anstrengend. Für mich als Jazzliebhaber ist das dreitägige Jazzfest München Pflicht,
das schon am Donnerstag begonnen hat. Heute gibt es dort erst zeitgenössischen
Jazz mit den Wanja Slavin Lotus Eaters und darauf orientalische Grooves mit
Majid Bekkas und Biboul Darouiche. Weil ich nach dieser Jazz-Infusion total
beschwingt und alles andere als müde bin, zieht es mich weiter in den Neuraum.
Als totales Kontrastprogramm legt dort das australische DJane-Duo Nervo energetische Dancebeats
auf.

Trotz durchgetanzter Nacht kämpfe ich mich am Samstagmorgen
aus dem Bett, denn heute ist der Tag der offenen Tür am
Forschungscampus der TU München in Garching. Für mich ein Muss, war es doch
ebendieser Tag vor ein paar Jahren, der mich zum Studium an der TUM bewegt hat.
Und autonom fahrende Autos, die Forschungs-Neutronenquelle oder das Innere des
Leibniz-Rechenzentrums mit dem Supercomputer SuperMUC sind damals wie heute ein
Faszinosum. Dann aber schleunigst ab in die Heimat. Würde ich dort nicht selbst
mit einer Bigband auftreten, wäre ich wohl einen weiteren Tag Gast auf dem
Jazzfest. Verpassen werde ich da unter anderem das U.M.P.A. Jazz Orchestra der
Hochschule für Musik und Theater.

So schnell wie ich am Samstag nach Hause
gefahren bin, muss ich am Sonntag auch schon wieder zurück. Denn schon
morgens beginnt der 117. Film- und Comicmarkt München.
Und vielleicht lässt sich da ja die ein oder andere einzigartige DVD abstauben.
Am Abend wartet dann noch ein echtes Highlight, denn die Schottenrocker von Biffy Clyro geben
sich im Zenith die Ehre. Für mich definitiv ein Höhepunkt des Konzertjahres,
haben diese sich doch schon auf Rock im Park so grandios warmgespielt.

Nach diesem ereignisreichen Wochenende bin ich
ganz froh, am Montag in den Uni- und Arbeitsalltag zurückzukehren.
Abends gönne ich mir dann etwas anpruchsvollere Kultur und gehe in die Münchner
Kammerspiele, wo Autor Christian Kracht aus
seinem mit dem Hermann-Hesse-Preis ausgezeichneten Werk “Die Toten” liest.

Am Dienstagabend muss ich wieder selbst
ran, Generalprobe mit der Band steht an. Deshalb bin ich auch etwas weniger
frustriert, dass die heutige Ausgabe des Isar Slams, Münchens größtem Poetry
Slam, bereits ausverkauft ist. Ansonsten hätte ich mich wohl vor das Ampere
gestellt und auf einen spontanen Ticketkauf gehofft.

Die kleine Pause tut mir aber auch ganz gut,
denn am Mittwoch gibt’s wieder volles Programm. Zunächst sprechen an der
LMU Journalistin Stefanie Lohaus und Soziologe Andreas Kemper über Frauen und Geschlechterbilder bei AfD und Pegida.
An der anschließenden Diskussion werde ich wohl nicht mehr bis zum Schluss
teilnehmen können, denn ich muss gleich weiter ins CINEMA zur Vorpremiere von “Doctor Strange”. Auf
den bereits vierzehnten Film aus dem Marvel-Universum freue ich mich besonders
wegen Benedict Cumberbatch in der Hauptrolle und den beeindruckenden
Spezialeffekten.

Meine Woche lasse ich mit zwei
Konzertabenden ausklingen. Am Donnerstag will ich ein weiteres Mal meinen
Jazzhunger stillen und gehe ins Sophia’s zu “Sophia’s goes Jazz”. Dort
tritt der großartige Münchner Sänger Adriano Prestel mit seiner Band auf.

Am Freitag ist wie immer Jamsession in
der Glockenbachwerkstatt, bei der ich ein recht häufiger Gast bin. Doch auch
diesen Freitag hält mich ein anderes Event von der Session fern. Die KYTES machen auf ihrer Tour zum
neuen Album “Heads and Tales” Station in der Muffathalle. Das darf ich mir auf
keinen Fall entgehen lassen. Weil ich nach dem Konzert mit Sicherheit noch
nicht genug haben werde, plane ich auch bereits die KYTES Aftershowparty ein.
Und damit steht auch fest: am Samstag mache ich erst mal nichts – außer
Schlafen.

Von: Maximilian Mumme

Foto: Serafina
Ferizaj

Beten und Business

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Beten mit Tablet – Zièd Bahrouni, 26, und sein Team entwickeln im Garchinger Technologie- und Gründerzentrum einen „intelligenten Gebetsteppich“. Die Bewegungsabläufe der islamischen Gebete sind kompliziert – eine Erfindung von Zièd und seinem Team soll das Lernen vereinfachen – der Auftrag kommt von einem omanischen Islamlehrer

Von Philipp Kreiter

Ein Männchen kniet in einer Moschee. Es trägt traditionelle islamische Gewänder und betet. Macht es Fehler beim Beten, beginnt es auf dem Bildschirm zu blinken. Doch gerade eben ist sein Ellenbogen zu weit oben gewesen und nichts ist passiert. Keine Fehlermeldung. Zièd Bahrouni, 26, schüttelt unzufrieden den Kopf. Er bricht den Test ab – das wird noch nicht reichen, um die anspruchsvollen Kunden aus dem Oman zu überzeugen. Bis der „intelligente Gebetsteppich“ das kann, was er können muss, werden noch viele Arbeitsstunden und weiteres Programmieren nötig sein.

Zièd trägt einen eleganten Pullover. Er ist braun gebrannt. Das Projekt begeistert ihn. Wenn er darüber spricht, fällt nicht auf, dass Deutsch nicht seine Muttersprache ist. Vor dreieinhalb Jahren hat Zièd mit einigen Kommilitonen die Motius GmbH gegründet. Noch heute sitzt sie neben vielen anderen studentischen Projekten im Garchinger Technologie- und Gründerzentrum direkt am Campus der Technischen Universität München. Das Konzept war aber von Anfang an ein besonderes: Denn neben Aufträgen von deutschen Unternehmen, wie etwa BMW oder Bosch, hat sich das Start-up noch ein zweites Standbein aufgebaut. Schon bei der Gründung der Münchner Niederlassung wurde auch eine Dependance im Oman aufgebaut.

Die Wahl des Landes ist kein Zufall. Zièd ist im Oman geboren und in Tunesien aufgewachsen, er kennt den Nahen Osten und die Golfregion. Das war auch der entscheidende Vorteil, als das staatliche omanische „Research Council“ das Projekt zur Entwicklung eines intelligenten Gebetsteppichs ausschrieb. Zièd und sein Team stachen die deutlich etablierteren Mitbewerber aus, „weil wir einerseits ein deutsches Unternehmen sind, aber andererseits auch einen arabischen Teil haben. Und diese Mischung hat das Research Council dann überzeugt.“

Schon bei der Gründung der
Münchner Niederlassung wurde
auch eine Dependance im Oman aufgebaut. 

Die Idee zu dem „intelligenten Gebetsteppich“ stammt von einem omanischen Ausbilder von Islamlehrern. Ihm war zunehmend aufgefallen, dass die Schüler sich im Religionsunterricht langweilten und wenig Interesse zeigten. Aber die islamischen Gebete müssen trotzdem erlernt werden – und das kann wegen ihrer Komplexität sehr mühselig sein. Mit einem spielerischen Ansatz wollte er entgegensteuern. Er reichte das Projekt beim Research Council ein. Dessen Agenda ist es, ambitionierte omanische Gründer zu unterstützen. Und weil die technologischen Voraussetzungen im Oman noch nicht auf dem gleichen Stand wie in Deutschland sind, beauftragten sie Zièd und sein Team damit, einen Prototypen zu erstellen.

Zurück ins Gründerzentrum nach Garching: Auf dem Boden des Konferenzraums ist ein Gebetsteppich ausgebreitet, davor stehen ein Tablet und ein Bewegungssensor. Mit Hilfe dieser Ausrüstung werden die Bewegungen des Betenden direkt auf das Tablet übertragen. Sobald die Körperhaltung oder eine Bewegung nicht exakt gestimmt hat, wird der Schüler korrigiert. „Wenn ein Schüler alles korrekt macht, bekommt er Sterne, mit denen er Erfolge freischalten kann“, erklärt Maximilian Tharr, 24 . Zusammen mit Markus Kremer, 19, hat er die notwendige Software entwickelt. Es ist von besonderer Wichtigkeit, dass die Gesten, die der Betende macht, hundertprozentig genau erkannt werden. Diese schwierige Aufgabe fällt Matej Toplak, 24, zu. Er ist der Teamleiter.

„Wenn ein Schüler alles korrekt macht,
bekommt er Sterne, mit denen er Erfolge
freischalten kann“, erklärt Maximilian Tharr, 24

Besonders die islamischen Gebräuche und die Symbolik müssen exakt eingehalten werden. Unter anderem deshalb hat Zièd den Tunesier Hamza Mattoussi, 25, ins Team geholt. Er übernimmt auch die Kommunikation mit den omanischen Auftraggebern. Und die gestaltet sich nicht immer einfach: erst vergangenes Wochenende haben sie plötzlich die Implementierung von Lehrvideos gefordert. „Das ist eigentlich – wenn überhaupt – erst für eine deutlich spätere Phase ausgemacht“, sagt Zièd. Er weiß, dass die arabische Geschäftsmentalität eine andere ist und dass es manchmal wichtig ist, klar Kante zu zeigen – auch um sich den Respekt und das Vertrauen der Auftraggeber zu bewahren.

Aber braucht die Welt Erfindungen wie diese? Wie sinnvoll ist ein „intelligenter Gebetsteppich“ für den Islamunterricht eigentlich? Daniel Potthast vom Institut für den Nahen und Mittleren Osten der Ludwig-Maximilians-Universität München findet das Konzept interessant: „Die Vorgaben und Bewegungsabläufe der islamischen Gebete sind sehr kompliziert und sehr mühsam zu erlernen. Das spielerisch zu machen, ist bestimmt ein sinnvoller Ansatz.“ Eine Gefahr durch frühkindliche Indoktrination sieht er nicht, denn im Oman dominiert eine moderate Ausrichtung des Islam. Außerdem seien diese Gebete absolut essenziell für den Glauben, sie müssten also sowieso erlernt werden.

Bis der Teppich im Unterricht
eingesetzt werden kann,
dauert es noch ein bisschen

Aber bis der „intelligente Gebetsteppich“ im Unterricht eingesetzt werden kann, dauert es noch ein bisschen. Das Team hat die zweite Projektphase abgeschlossen, zwei weitere sollen noch folgen. Sie haben noch sehr viel Arbeit vor sich, unter anderem die geforderte Spracherkennung macht ihnen zu schaffen. Wenn der Prototyp fertig ist und die Auftraggeber zufrieden sind, werden Zièd und sein Team raus aus diesem Geschäft sein. Mögliche Millionen kassiert dann der omanische Gründer. Er versucht dann auf Basis dieses Prototyps ein erfolgreiches Business aufzubauen.

Foto: Robert Haas