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Doofe Pfiffe, pubertäre Jungs: Was Frauen an der TU erleben.

34 Prozent. Studiert man als Frau an der Technischen Universität München ist man Teil von 34 Prozent. Zum Vergleich: An der LMU sind im selben Studienjahr 60 Prozent weibliche Studierende eingeschrieben. Obwohl diese natürlich von Fakultät zu Fakultät variieren, sind junge Frauen an der TU München immer noch stark unterrepräsentiert. Da stellt sich die Frage: Wie fühlt sich das an? Was bedeutet es, in der Physikvorlesung neben lauter männlichen Kommilitonen zu sitzen?

“Egal, wohin man schaut: Es sind immer deutlich mehr Jungs als Mädchen. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass dadurch jemand ausgeschlossen würde. Ich jedenfalls habe mich nie unwohl gefühlt”, sagt Franziska Ochsenfarth, 23.

Sie trägt einen dunkelblauen TUM-Hoody. Seit ihrem ersten Semester engagiert sich die Maschinenbau-Studentin in ihrer Fachschaft, mittlerweile sitzt sie für den Asta – kurz für Allgemeiner Studentischer Ausschuss der TU München – als Vertreterin in Senat und Hochschulrat. Das Thema “Studentinnen an der TU” findet Franziska reizvoll, zumal für sie nach dem Abitur klar war, in welche Fachrichtung es gehen sollte, Geschlechterklischees hin oder her. “Mathe und Physik fand ich schon immer faszinierend. Wenn ich vor dem Studium darüber nachgedacht habe, ob es eine Rolle spielt, dass ich als Frau Maschinenwesen studiere, dann mehr so in Richtung: Ja, und? Darum kann ich’s ja trotzdem machen.”

Und doch erlebt sie es immer wieder, dass Leute staunend die Augenbrauen hochziehen, wenn sie von ihrem Studium erzählt. Für sie liegen die Ursachen hierfür klar in Gesellschaft und Erziehung. Bereits im Kindergarten würden die Mädchen doch in separaten Gruppen spielen; wollten sie an die Bauklötze, und die Jungs hätten etwas dagegen, dann sei das einfach so. Sie ist überzeugt: “Wer sich aber bis zur Oberstufe sein Interesse behält, nimmt den Schritt ins entsprechende Studium viel leichter. Die meisten Mädchen gehen aber deutlich früher verloren, da kann die Uni gar nicht viel machen.”

Ähnlich sieht das auch Ramona Wüst, 24. Sie hat gerade ihren Master in Umweltingenieurwesen begonnen und war im vergangenen Jahr Diversity-Beauftragte im Asta. “Solange Mädchen Barbies geschenkt bekommen, und die Jungs mit Baggern spielen, wird sich an den Geschlechterklischees nicht viel ändern”, sagt sie.

Beide wirken dabei wie viele taffe junge Frauen, deren Motto “Ärmel hoch und ran an die Aufgabe” lautet – bis sie an die gläserne Decke stoßen. “Ganz viele Frauen fühlen sich im Laufe ihres Studiums nicht benachteiligt. Bis sie dann an einen konkreten Punkt kommen, an dem es nicht mehr weitergeht, sie zum Beispiel einen Job nicht bekommen”, sagt Iris Stolz. Sie ist Referentin für Alumni- und Karrierefragen und auch Ansprechpartnerin bei Fragen zum Alumni-Netzwerk “Women of TUM”. Dieses wurde von TU-Absolventinnen zum internationalen Austausch ins Leben gerufen und verantwortet mittlerweile auch ein Mentoring-Programm für weibliche Studierende. Die Frauen sieht sie durchaus mit einer besonderen Aufgabe konfrontiert, schließlich seien diese stets in der Minderheit; das Selbstwertgefühl zu behalten oder gar weiterzuentwickeln, gestalte sich schwierig. Ziel von “Women of TUM” sei es darum auch, “Frauen an der TU sichtbarer zu machen”.

Doch im Gespräch mit den Studentinnen beschleicht einen das Gefühl, Frauen seien zuweilen an der Uni ein kleines bisschen zu sichtbar. Hohe Schuhe, die auf dem Fußboden klackern, fallen sofort auf. Kurze Röcke auch – und werden kommentiert. Ein bekanntes Problem ist etwa das “Auspfeifen im Hörsaal”, das vor allem an der Fakultät für Maschinenwesen, Frauenanteil aktuell bei 15 Prozent, zu Diskussionen führt. Kommen Studentinnen zu spät oder einfach nur durch die vordere Tür in den Vorlesungssaal, werden sie gelegentlich ausgepfiffen. Aber nicht so wie auf dem Fußballplatz, sondern mehr so “wie wenn Frauen an einer Baustelle vorbeilaufen”, sagt Helena Hashemi Farzaneh, stellvertretende Frauenbeauftragte an der Fakultät für Maschinenwesen. Obwohl dieses Verhalten die Studentinnen störe, bliebe eine entsprechend mahnende Reaktion zumeist aus. Zu einfach würden die “Pfeifer” in den Hunderten von Studenten untergehen, zu “verunsichert und vielleicht auch hilflos” zeigten sich Professoren und Dozenten. Deshalb wurde dieses Wintersemester erstmals die Kampagne “Pfiffe gibt es nur auf dem Spielfeld” lanciert.

Asta-Vertreterin Franziska rät zu Pragmatismus und schlägt den Eintritt über die hintere Türe des Vorlesungssaals vor – vielleicht seien weibliche Studierende im Alltag ihrer Kommilitonen einfach zu “ungewohnt”. Aber kann das wirklich die Lösung sein? Man bekommt den Eindruck, als sei solches Verhalten ein notwendiges Übel “Spätpubertierender”, das sich im besten Fall mit zunehmender Reife von selbst erledigt. Als wären junge Frauen exotische Raritäten aus einer fremden Galaxie, kürzlich erst entdeckt und nicht zuvor Spielkameradinnen oder Mitschülerinnen gewesen.

“Ich habe oft das Gefühl, dass viele Jungs hier immer noch nicht verstehen, dass solche Kommentare Frauen Angst machen. Gerade wenn zum Beispiel auf Uni-Partys Alkohol im Spiel ist, kommt dann ganz schnell mal ein Kommentar wie ,Stell dich nicht so an’, und die übrigen Jungs solidarisieren sich da gleich”, sagt Ramona. Dagegen helfe nur, dass offen über solche Themen gesprochen werde und die Organisatoren der TU-Partys etwa diese im Hinterkopf behalten.

So wie auf der diesjährigen Mai-TUM. Hier griffen die Veranstalter, allesamt Studierende, hart durch: Nach Beschwerden von Mädchen wurden die entsprechenden jungen Männer wegen unangemessenen Verhaltens durch die Security von der Veranstaltung entfernt. Das Amt für Diversityfragen im Asta ist aktuell jedoch unbesetzt, Ramona macht es nicht mehr und stellt fest: “Im Asta, da waren alle auch irgendwie so überarbeitet. Da hat dann irgendwie die Kraft gefehlt, weiter in meine Themen zu investieren.”

Text: Yvonne Gross

Foto: Privat