Neuland: LVNG

Die Band “The Living” aus dem Münchner Umland nennt sich ab sofort LVNG und muss feststellen, dass so eine Namensänderung doch einiges an Aufwand mit sich bringt.

Die Band The Living vollzieht aktuell einen digitalen Tapetenwechsel, zumindest was den Bandnamen betrifft. Denn von „The Living“ kann eigentlich keine Rede mehr sein, die jungen Musiker nennen sich stattdessen nun LVNG –kurz, knackig und ohne Vokale, aber bei gleicher Besetzung. Über die Motivation dahinter sagt Sänger Karlo: „Wir haben schon lange mit dieser Schreibweise gespielt. Mit der neuen EP machen wir jetzt den Schritt in eine elektronischere Richtung und möchten dafür alles mal schöner und runder gestalten.“ Das erforderte allerdings Vorbereitung: Einen Monat Vorlauf hatte LVNG etwa für das Umbenennen ihrer Profile in den sozialen Medien eingeplant. Gerade die Umstellung auf Facebook erwies sich als aufwendig. Dort musste die Namensänderung erst offiziell beantragt und dann genehmigt werden. Auf den einschlägigen Streaming- und Verkaufsseiten haben sie sogar komplett neue Profile angelegt, sodass sich die bisherige Musik noch unter dem alten Namen findet. Einige Fans sind skeptisch, doch Karlo ist überzeugt: „Mit dem, was wir jetzt rausbringen, werden wir die Leute nicht enttäuschen.“ 

Text: Yvonne Gross

Foto: Privat

#meTU

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Doofe Pfiffe, pubertäre Jungs: Was Frauen an der TU erleben.

34 Prozent. Studiert man als Frau an der Technischen Universität München ist man Teil von 34 Prozent. Zum Vergleich: An der LMU sind im selben Studienjahr 60 Prozent weibliche Studierende eingeschrieben. Obwohl diese natürlich von Fakultät zu Fakultät variieren, sind junge Frauen an der TU München immer noch stark unterrepräsentiert. Da stellt sich die Frage: Wie fühlt sich das an? Was bedeutet es, in der Physikvorlesung neben lauter männlichen Kommilitonen zu sitzen?

“Egal, wohin man schaut: Es sind immer deutlich mehr Jungs als Mädchen. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass dadurch jemand ausgeschlossen würde. Ich jedenfalls habe mich nie unwohl gefühlt”, sagt Franziska Ochsenfarth, 23.

Sie trägt einen dunkelblauen TUM-Hoody. Seit ihrem ersten Semester engagiert sich die Maschinenbau-Studentin in ihrer Fachschaft, mittlerweile sitzt sie für den Asta – kurz für Allgemeiner Studentischer Ausschuss der TU München – als Vertreterin in Senat und Hochschulrat. Das Thema “Studentinnen an der TU” findet Franziska reizvoll, zumal für sie nach dem Abitur klar war, in welche Fachrichtung es gehen sollte, Geschlechterklischees hin oder her. “Mathe und Physik fand ich schon immer faszinierend. Wenn ich vor dem Studium darüber nachgedacht habe, ob es eine Rolle spielt, dass ich als Frau Maschinenwesen studiere, dann mehr so in Richtung: Ja, und? Darum kann ich’s ja trotzdem machen.”

Und doch erlebt sie es immer wieder, dass Leute staunend die Augenbrauen hochziehen, wenn sie von ihrem Studium erzählt. Für sie liegen die Ursachen hierfür klar in Gesellschaft und Erziehung. Bereits im Kindergarten würden die Mädchen doch in separaten Gruppen spielen; wollten sie an die Bauklötze, und die Jungs hätten etwas dagegen, dann sei das einfach so. Sie ist überzeugt: “Wer sich aber bis zur Oberstufe sein Interesse behält, nimmt den Schritt ins entsprechende Studium viel leichter. Die meisten Mädchen gehen aber deutlich früher verloren, da kann die Uni gar nicht viel machen.”

Ähnlich sieht das auch Ramona Wüst, 24. Sie hat gerade ihren Master in Umweltingenieurwesen begonnen und war im vergangenen Jahr Diversity-Beauftragte im Asta. “Solange Mädchen Barbies geschenkt bekommen, und die Jungs mit Baggern spielen, wird sich an den Geschlechterklischees nicht viel ändern”, sagt sie.

Beide wirken dabei wie viele taffe junge Frauen, deren Motto “Ärmel hoch und ran an die Aufgabe” lautet – bis sie an die gläserne Decke stoßen. “Ganz viele Frauen fühlen sich im Laufe ihres Studiums nicht benachteiligt. Bis sie dann an einen konkreten Punkt kommen, an dem es nicht mehr weitergeht, sie zum Beispiel einen Job nicht bekommen”, sagt Iris Stolz. Sie ist Referentin für Alumni- und Karrierefragen und auch Ansprechpartnerin bei Fragen zum Alumni-Netzwerk “Women of TUM”. Dieses wurde von TU-Absolventinnen zum internationalen Austausch ins Leben gerufen und verantwortet mittlerweile auch ein Mentoring-Programm für weibliche Studierende. Die Frauen sieht sie durchaus mit einer besonderen Aufgabe konfrontiert, schließlich seien diese stets in der Minderheit; das Selbstwertgefühl zu behalten oder gar weiterzuentwickeln, gestalte sich schwierig. Ziel von “Women of TUM” sei es darum auch, “Frauen an der TU sichtbarer zu machen”.

Doch im Gespräch mit den Studentinnen beschleicht einen das Gefühl, Frauen seien zuweilen an der Uni ein kleines bisschen zu sichtbar. Hohe Schuhe, die auf dem Fußboden klackern, fallen sofort auf. Kurze Röcke auch – und werden kommentiert. Ein bekanntes Problem ist etwa das “Auspfeifen im Hörsaal”, das vor allem an der Fakultät für Maschinenwesen, Frauenanteil aktuell bei 15 Prozent, zu Diskussionen führt. Kommen Studentinnen zu spät oder einfach nur durch die vordere Tür in den Vorlesungssaal, werden sie gelegentlich ausgepfiffen. Aber nicht so wie auf dem Fußballplatz, sondern mehr so “wie wenn Frauen an einer Baustelle vorbeilaufen”, sagt Helena Hashemi Farzaneh, stellvertretende Frauenbeauftragte an der Fakultät für Maschinenwesen. Obwohl dieses Verhalten die Studentinnen störe, bliebe eine entsprechend mahnende Reaktion zumeist aus. Zu einfach würden die “Pfeifer” in den Hunderten von Studenten untergehen, zu “verunsichert und vielleicht auch hilflos” zeigten sich Professoren und Dozenten. Deshalb wurde dieses Wintersemester erstmals die Kampagne “Pfiffe gibt es nur auf dem Spielfeld” lanciert.

Asta-Vertreterin Franziska rät zu Pragmatismus und schlägt den Eintritt über die hintere Türe des Vorlesungssaals vor – vielleicht seien weibliche Studierende im Alltag ihrer Kommilitonen einfach zu “ungewohnt”. Aber kann das wirklich die Lösung sein? Man bekommt den Eindruck, als sei solches Verhalten ein notwendiges Übel “Spätpubertierender”, das sich im besten Fall mit zunehmender Reife von selbst erledigt. Als wären junge Frauen exotische Raritäten aus einer fremden Galaxie, kürzlich erst entdeckt und nicht zuvor Spielkameradinnen oder Mitschülerinnen gewesen.

“Ich habe oft das Gefühl, dass viele Jungs hier immer noch nicht verstehen, dass solche Kommentare Frauen Angst machen. Gerade wenn zum Beispiel auf Uni-Partys Alkohol im Spiel ist, kommt dann ganz schnell mal ein Kommentar wie ,Stell dich nicht so an’, und die übrigen Jungs solidarisieren sich da gleich”, sagt Ramona. Dagegen helfe nur, dass offen über solche Themen gesprochen werde und die Organisatoren der TU-Partys etwa diese im Hinterkopf behalten.

So wie auf der diesjährigen Mai-TUM. Hier griffen die Veranstalter, allesamt Studierende, hart durch: Nach Beschwerden von Mädchen wurden die entsprechenden jungen Männer wegen unangemessenen Verhaltens durch die Security von der Veranstaltung entfernt. Das Amt für Diversityfragen im Asta ist aktuell jedoch unbesetzt, Ramona macht es nicht mehr und stellt fest: “Im Asta, da waren alle auch irgendwie so überarbeitet. Da hat dann irgendwie die Kraft gefehlt, weiter in meine Themen zu investieren.”

Text: Yvonne Gross

Foto: Privat

Eine Show mit vielen Höhepunkten

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Beim Festival „Sound Of Munich Now“ feiert sich die Szene – und zeigt, wie spannend Musik in München sein kann.

Die Mieten für Proberäume sind hoch. Die Zahl möglicher Spielstätten sind überschaubar. Aber Musik möchten sie trotzdem machen. Sie müssen Musik machen, Musik, um damit Menschen zu erreichen. „Wir haben dieselben Ziele, wir kommen nur von unterschiedlichen Orten“, sagt Adrian Lo, Singer-Songwriter aus Hongkong. Zum ersten Mal in der Geschichte des Festivals „Sound Of Munich Now“, das das Feierwerk und die Süddeutsche Zeitung seit nunmehr neun Jahren veranstalten, stehen – neben 31 Bands aus München, Erlangen und Traunstein sowie 14 VJs und DJs – zwei internationale Bands auf der Bühne und präsentieren zuvor in einer Gesprächsrunde, was den Sound Of Hongkong prägt, welche Möglichkeiten, aber auch Schwierigkeiten Musiker dort haben.

Im Backstagebereich sitzen am Samstagnachmittag Musiker von TFVSJS und Ni Sala zusammen und tauschen sich aus, am Sonntag jammen sie sogar gemeinsam im Proberaum. Der Singer-Songwriter Adrian Lo holt sich Tipps von Cornelia Breinbauer, Sängerin von Tiger Tiger. Ganz angetan ist Adrian Lo von der kulturellen und musikalischen Diversität Münchens, die er tagsüber bei Spaziergängen und jetzt natürlich auf der Veranstaltung wahrnimmt. Er merkt an, dass es am Ende ja nicht um gutes Marketing ginge. „Wenn Menschen deine Musik mögen, dann mögen sie deine Musik“, sagt er und verweist auf die Traunsteiner Band Heischneida, die mit Bläsersatz in feinster Ska-Manier und bayerischem Dialekt das Publikum in der Kranhalle zum Hüpfen bringt.

Ähnliches ist auch nebenan im Hansa 39 zu beobachten. Hier eröffnet der Münchner Kneipenchor unter Leitung von Jens Junker die Münchner Bühne, zum ersten Mal live unterstützt von der Trommelgruppe „Drummer Dama“. Mit Bier in der Hand und einem beeindruckenden Sousaphon im Rücken zeigen die gut 50 Sänger, dass selbst Paul Kalkbrenners Technohymne „Sky and Sand“ nicht vor ihnen sicher ist – das Publikum tobt. „Das Tolle an diesem Festival ist die außergewöhnlich schöne Stimmung. So viele Bands treffen sich – zum Kennenlernen, austauschen, Spaß haben und das Genre unabhängig“, sagt Julia Viechtl, vormals selbst Musikerin bei der Band Fertig, los! und nun bei der Fachstelle Pop dafür zuständig, dass aufstrebende junge Musiker die Förderung erfahren, die sie brauchen. „Pop kommt ja nicht von populär, sondern von popular“, sagt sie, „man muss sich deshalb vergegenwärtigen, was diese Musik alles leistet. Sie ist so nah dran an den Menschen, setzt sich mit der Gesellschaft auseinander.“

Wie nah die Musik beim Sound Of Munich Now tatsächlich an den Menschen ist, offenbart sich schon bald und zieht sich wie ein roter Faden durch den Abend. Um 20.40 Uhr versammeln sich ungewöhnlich viele Leute vor dem Festivaleingang, freiwillig strömen sie hinaus in die Kälte und stehen bibbernd dicht aneinander gedrückt – mit breitem Grinsen im Gesicht. Ein unerwarteter Höhepunkt hat sich soeben ergeben, keiner möchte es verpassen: Der Münchner Kneipenchor stimmt noch einmal zur Spontaneinlage an, in Reih und Glied aufgestellt, doch anders als zuvor auf der Konzertbühne diesmal in dicke Daunenjacken verpackt und mit bunten Mützen auf den Köpfen. Es schallt „Bologna“ der Wiener Band Wanda durch die Nacht und alle singen mit, natürlich auch das Publikum.

Der Abend ist dort angekommen, wo er hinwollte: in einem gemütlichen und fröhlichen Beisammensein, das die Musik feiert. Das zeigt sich in vielen kleinen und besonderen Momenten. Zum Beispiel, wenn Marie Bothmer, aufstrebender Stern am Pop-Himmel, ihr Set umstellt, so angetan ist sie von der Stimmung im Raum. Statt des vorgesehen melancholischen Songs spielt sie ein Cover, „Toxic“ von Britney Spears. Oder wenn das Publikum hartnäckig eine Zugabe von Swango fordert, weil es so begeistert ist von der besonderen Mischung aus Rap und Stepptanz-Percussion – schon beim Soundcheck sind unzählige Handyvideos gedreht worden, die vielleicht gerade in China viral gehen. Oder wenn Sportfreunde Stiller-Manager Marc Liebscher beim Auftritt von Todeskommando Atomsturm sein Liebe für Punkrock entdeckt.

Währenddessen versammeln sich mehr und mehr Musikliebhaber, um noch eines der begehrten Festivalbändchen zu ergattern, die Schlange vor dem Einlass wird immer länger. Für viele ist es das erste Mal auf dieser Veranstaltung, so wie bei Michael. Obwohl er bereits seit drei Jahren in München lebt, hat er es noch nicht zum „Sound Of Munich Now“ geschafft. Er ist wegen Rey Lenon gekommen. Auch Michael ist Musiker, teilt sich einen Proberaum mit Blue Haze und der Lischkapelle. Auch sie stehen an diesem Abend auf der Bühne. „Ich finde das Angebot toll, ich wollte mir ein Bild davon machen“, sagt er. Lange hat er in Regensburg Musik gemacht, jetzt stellt er mit Blick auf München fest: „Die Vernetzungsmöglichkeiten sind da, wenn man sie wahrnimmt.“

Kilian Unger alias Liann kann nur zustimmen: „Wenn du oft genug spielst, kommst du mit den Leuten in Kontakt.“ Doch von dem Ziel, einmal von der Musik leben zu können, ist er noch weit entfernt und deshalb auf Leute angewiesen, die ihn professionell unterstützen, ohne „viel Geld zu kriegen“. Warum sie das machen? „Weil sie’s feiern und mich einfach gut finden.“ Die Szene ist ja da in München, sie ist offen und lebendig.

Auch am Abend zuvor, beim Sound Of Munich Now Electronica, kann man das feststellen. Untermalt von stimmigen, bunten Visuals, immer passend auf die Musik zugeschnitten, ist die Kranhalle voll mit Tanzwütigen, die zu Sets von Sam Goku oder COEO feiern. Die Electronica-Künstler tun sich mit der Stadt da sogar etwas leichter, auf teure Proberäume sind sie nicht angewiesen, um ihre Musik zu produzieren. Und der Erfolg gibt ihnen Recht. Doch eines wird deutlich: Junge Musiker, ob Bands oder DJs auf Leute angewiesen, die an sie glauben und sie über bis an die eigene Schmerzgrenze unterstützen. Weil sie Musik lieben. In München. In Hongkong. Überall.

Das Konzert zum Nachhören gibt es unter sz.de/somn17 und hier alle Eindrücke in einer Bildergalerie.

Text: Yvonne Gross

Foto: Johannes Simon

Schluss mit Touri-Techno

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Berlin ist arm, aber sexy. Heißt es. Und München? Wer nun nach der aktuellen Münchner Elektroszene fragt, spart sich aber am besten gleich den Verweis auf die Techno-Metropole. Impulse aus München mit dem famosen DJ-Duo COEO.

Berlin ist arm, aber sexy. Heißt es. Und München? Wer nun nach der aktuellen Münchner Elektroszene fragt, spart sich aber am besten gleich den Verweis auf die Techno-Metropole. Denn der Blick auf die Hauptstadt sei „einfach ein bisschen Panne“, sagt Florian Vietz. Gemeinsam mit Andreas Höpfl steckt er hinter dem DJ-Duo COEO, das man beim „Sound Of Munich Now Electronica“ dieses Jahr live erleben kann. Angefangen haben die Künstler aus der Nähe von Deggendorf mit einem „30-Euro-Programm zum Musikbasteln“. Mittlerweile in München angekommen, gelten COEO als erfolgreichster Act des Labels Toytonics, das seit vier Jahren Dance-Musik in Richtung Disco- und Funk-House veröffentlicht und vor allem Künstler aus München betreut.

Und das wird gefeiert: mit einer Labelparty zur Eröffnung des LIT am 17. November im Werksviertel. Denn der Erfolg spricht für sich: 2016 belegte das kleine Label Platz drei der „Bestselling Deep-House Labels“ auf der Online-Plattform Beatport, dem Gradmesser für elektronische Musik. Darin sieht Label-Chef Matthias Modica Anzeichen für einen weitläufigeren Trend: eine Gegenreaktion zum düsteren Berliner Techno, hin zu soul- und funkinspiriertem Elektrosound. München scheint in dieser Gegenreaktion bereits angekommen zu sein, für Modica dank des „positiven, sommerlichen Vibes“, den die einstige Discometropole München verströmt. Auch COEO fühlen sich hier wohl: Die Stadt sei einfach schön und habe die richtige Größe, „um alles zu kriegen, was man kulturell braucht“.

Wahrscheinlich ist München eben genau das Dorf, über das man wahlweise schimpft oder schwärmt – und wer sich zu vernetzen weiß, kann Erfolg haben. Das weiß auch Moritz Butschek, selbst DJ und Betreiber des München-Blogs „Tow in a Row“. Für ihn steht fest, dass „sowohl der funky Sound, als auch ganz neue Ausrichtungen elektronischer Musik koexistieren und regen Zulauf haben. Es gibt tolle etablierte Locations, immer wieder spannende Zwischennutzungen und vor allem für fast jeden Geschmack eine Szene mit tollen DJs und Live-Acts.“ Matthias Modica allerdings wünscht sich, dass die großen Münchner Clubs aufhören, den Berliner „Touri-Techno“ zu imitieren. „Vor zehn, fünfzehn Jahren gab es in München weniger Clubs, dafür mehr Vielfalt. Impulse aus München gingen in die Welt“, sagt er. Mit COEO scheint dieser Trend nun hoffentlich wiederbelebt zu sein. 

Text: Yvonne Gross

Foto: Kerstin Rothkopf

250 Zeichen Wut:

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Sommer adé,
Herbst okay. Aber.. dass das Fahrradl damit in erster Linie stillsteht und man
wieder auf die Münchner Verkehrsbetriebe, also die „Öffis“, angewiesen ist, widerstrebt
unserer Autorin dann doch sehr.

Grundsätzlich
bin ich dem Herbst ja sehr zugeneigt. Klar, spontan die Füße in die Isar dippen
hat sich vorerst erledigt. Auch kommt niemand mehr auf die Idee, sich für
BallaBeni-Eis bis zur Kreuzung in die Schlange zu stellen und damit die
Vorbeifahrenden zu amüsieren. Doch habe ich persönlich ebenso große Freude an Hokkaido-Sonderangeboten,
die jetzt allerorts im in der Oktobersonne leuchten. Was nun aber gar nicht
geht, sind Windböen und Nieselregen, nasse Fahrradsitze, träge S-Bahnen und
Bauarbeiten an der U2! Ach, und ja natürlich, der finster lauernde Viren-Mob!
Ob an Haltestangen oder Türgriffen, dir gegenüber oder zu deiner Linken: der
Feind in meinem U-Bahn-Abteil, er ist real! Oh du liebes Sommerrad, was wirst
du schmerzlich vermisst!

Text: Yvonne Gross

Neuland: “Das Bilderbuch der Elizaveta Porodina”

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In der 
wunderschönen Stadt Wien gilt es aktuell die bisher größte Einzelausstellung der Münchner Fotografin Elizaveta Porodina zu besuchen. Dass die Werke zur Hälfte der fruchtbaren Kollaboration mit der Band Bilderbuch entstammen, scheint da fast nur ein Schmankerl am Rande.

„Das Bilderbuch der Elizaveta Porodina“ lautet der Titel der bisher größten Einzelausstellung der Münchner Fotografin Elizaveta Porodina. Insgesamt 55 Fotografien werden noch bis zum 16. Dezember in der Wiener Galerie OstLicht zu sehen sein. Eine Hälfte der Ausstellung ist ganz explizit Elizavetas Zusammenarbeit mit der österreichischen Band Bilderbuch gewidmet – seit zwei Jahren eine „kreative Kollaboration auf Augenhöhe“. Schließlich fotografiert sie regelmäßig für bekannte Modemagazine und -firmen, erreichte 2012 gar den zweiten Platz bei den „World Photography Awards“. Die Fotografin und die Band – beide teilen sie die Philosophie, ihre Kunst ganz dem Prinzip Pop entsprechend als „Allround-Experience“ zu verwirklichen; über den einen visuellen beziehungsweise audiovisuellen Eindruck hinaus muss sie als eine Geschichte insgesamt funktionieren. Den vielen Bildern und zwei gemeinsamen Videoproduktionen zu „Bungalow“ und „Baba“ merkt man den Anspruch an.

Bei Bilderbuch steht die Ohrwurm-Melodie, die ein kurioses Wortspiel durch den Song komplimentiert, nicht im Gegensatz zu guter instrumentaler Livemusik. Und es ist diese Ambivalenz aus surrealem Spiel und handwerklicher Qualität, die man in Elizavetas Arbeit ebenso verwirklicht findet. Einerseits bestechend durch zugängliche Ästhetik, fordert sie jedoch in Bildarchitektur und Farbenspiel heraus – der Betrachter verbleibt mit dem Eindruck eines unwirklichen Traums. Dass der Ausstellungsraum dabei das „Live-Erlebnis“ schafft, bestätigt die Künstlerin. Es sei überwältigend, gerade die Fotos, die mit der Band auf Fuerteventura entstanden, in der Ausstellung zu sehen. Zwar sei Druck ja nun kein einfaches Medium, doch gerade durch das große Format und den räumlichen Kontext der Galerie könne man mitten in die Landschaften eintauchen. Sorgen, der Hype um die Band könne das eigene Schaffen überstrahlen, teilt sie nicht; in der Kunst ginge es eben auch darum, Egos zu überwinden und Kräfte zu vereinen.

Text: Yvonne Gross

Foto: Elizaveta Porodina

Zeichen der Freundschaft: Brennende Reifen

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Neue Freunde den bereits vorhandenen vorstellen, ist wie den Gangsterboyfriend zum ersten Mal mit nach Hause zu bringen: äußerst delikat. Bei unserer Autorin hinterlassen diese Beschnupperungen allerdings vor allem das ein oder andere Schmunzeln.

Ein ausgewogenes Kopfschütteln
bringt die roten Locken zum Schwingen. „Du willst mir doch jetzt nicht
erzählen, dass eine Reportage jemals wirklich objektiv sein könnte?!“ Augenrollen.
„Doch klar, eine richtig gut gemachte Reportage kann das!“. Kopfschütteln.
„Aber anhand der Quellen und der Perspektiven, die du auswählst, triffst du
doch immer eine subjektive Entscheidung! Also ich glaub da nicht daran!“. Freitagabend,
22 Uhr. In einer schummrigen Bar in Schwabing läuft bei dröhnender Musik eine
offensichtlich recht kontroverse Debatte zu den Grenzen journalistischer
Leistung. Die Hände in die Hüften gestützt lege ich den Kopf schief und beäuge
die Diskutanten. Eine Freundin neigt mir den Kopf zu, ein großes Schmunzeln auf
den Lippen: „Hat der  Stella eigentlich
schon jemand erklärt, dass der Consti einfach nur gerne diskutiert, um zu
diskutieren?“ „Ich glaube nicht“, sage ich, grinse und überlege, die Situation
aufzulösen.

Nun ist es so: in den vergangenen
vier Jahren hatte ich das Glück, viele großartige Freundschaften zu schließen –
ob an der Uni im In- und Ausland oder auf Reisen. Doch gleichwohl, wer in
dieser Zeit in mein Leben trat, aus München oder dort zu Besuch, es gab stets
ein Ritual. Das Kennenlernen meines besten Freundes gehört zu den obligatorischen
Terminen und kommt zuweilen einem Sprung durch den brennenden Reifen gleich –
aber nur auf den ersten Blick. Denn eigentlich diskutiert er eben gern, so um
der Diskussion willen. Etwaige Kontroversen sind dabei oft nur gespielt und sollen
den Anderen einfach ein bisschen aus der Reserve locken.

Stella, eine Freundin aus meiner
Erasmuszeit in Frankreich, ist also ganz neu in der Stadt und mit dem
ehrenwerten Ziel gekommen, eine gute Journalistin zu werden. Constantin dagegen,
nun ja, fungiert in erster Linie als mein bester Freund, und von allen engen
Freundschaften, die ich pflege, währt diese nun bereits am längsten.

Wir kennen uns seit Schulzeiten
aus der Theatergruppe. Ich stand als Hera, als Nanette oder zuletzt als
Gretchen auf der Bühne, er kümmerte sich hinterm FOH um die  Technik. Richtig eng wurden wir während
unserer ehrenamtlichen Arbeit für das örtliche Jugendbürgerhaus, wo wir als
hauptverantwortliche Organisatoren einem kleinen Musikfestival Tag und Nacht
Schweiß und Herzblut widmeten. Und obwohl es gemeinhin heißt, der Consti habe
einen Musikgeschmack wie ein Eimer,  entstand in diesen sieben sehr stressigen
Jahren eine ganz wunderbare Freundschaft.

Trotz der gemeinsamen Homebase
München, vergehen allerdings oft Wochen, bis man sich wieder trifft. Ganz
normal, denn Consti ist sehr geschäftig und sehr engagiert, ob als Vorstand der Studentenvertretung oder damals als Cheftechniker eines Münchner Technoclubs.
Müsste ich ihn mit zwei Worten beschreiben, werde ich ganz nüchtern, fast schon
fad. Denn mein bester Freund ist vor allem: integer und kompetent. Da
ist es also kein Wunder, dass alle ein kleines Stückchen abhaben möchten. Das
ist okay, denn in den wirklich wichtigen Momenten kann man sich auf ihn
verlassen. Er verreist mit dir und deinem Freund nach Südostasien, ohne dabei
das berüchtigte dritte Rad zu werden. Er lacht mit dir, nachdem du im Pub auch
das zweite Bier in Folge prompt nach dem Einschenken umgeworfen hast. Wenn du
dich als hilflosen weiblichen Single inszenierst, erklärt er dir, wie man eine
Vorhangstange anbohrt. Und bist du eben erst zu jenem Single geworden, macht er
dir Liebeskummer-krankem Ding spontan Semmelknödel.

Neulich hat sich meine WG neu
formiert, ein weiterer guter Freund ist neben Stella mit eingezogen und hat seine
Geburtstagsfeier geplant. „Kann ich auch meinen besten Freund einladen? Kennst
du den eigentlich schon?“, frage ich. „Ist das der Große mit dem roten
Lockenschopf?“ Stella und ich müssen lachen. Ja genau, das ist er.

Text: Yvonne Gross

Foto: Yunnus Hutterer

Neuland: Laura Zalenga

 

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Bei knapp einer halben Million Likes auf Facebook könnte man sich durchaus zurücklehnen. Laura Zalenga sucht dagegen aktiv das Feedback ihrer Follower. Ihr neues Projekt “17 Weeks Of Creativity” ruft dazu auf, gemeinsam kreativ zu werden.

Laura Zalenga, 27, geht neue Wege. Die Fotografin, die mittlerweile Hunderttausende Follower bei ihren Online-Auftritten zählt, hat gerade ihre Community aufgerufen, sich an ihrem Kunstprojekt „17 Weeks of Creativity“ zu beteiligen. Es gilt, sich „aufzuraffen“ und gegenseitig zu kreativem Schaffen zu inspirieren. Dafür gibt sie jede Woche einen neuen thematischen Oberbegriff vor, zu dem gearbeitet werden soll. In welcher Form, ist dabei egal: Ob Malen, Zeichnen, Videos oder Text – Hauptsache, man werde aktiv, sagt Laura. Die Vorgabe von 17 Wochen entstand dabei ganz zufällig, rein intuitiv kreativ eben. Das Erstellen der Themenliste hingegen war mit mehr Arbeit verbunden. Aus rund 200 Vorschlägen musste Laura sinnvoll filtern; die Begriffe sind abstrakt gehalten und damit für Interpretation geeignet. Sucht man auf Instagram nach dem entsprechenden Hashtag, finden sich nur eine Woche nach Projektstart mehr als 100 Beiträge. „Genau so etwas brauche ich jetzt in meinem kreativen Tief“, schreiben die Fans. Bereits vor Bekanntgabe des ersten Themas „Dream“ war die Resonanz positiv. Laura wünscht sich so viel Feedback wie möglich, jeder soll mitmachen.

 

Text: Yvonne Gross

Foto: Laura Zalenga