Das Start-up flyla vertreibt im Internet vergünstigte Flugtickets für Studenten. Im August wird es europäische Fluge für bis 70 Prozent günstiger geben.
München Lebt. Menschen und mehr.
Das Start-up flyla vertreibt im Internet vergünstigte Flugtickets für Studenten. Im August wird es europäische Fluge für bis 70 Prozent günstiger geben.
Spontan sein klappt in München genauso gut, wie preiswerte Wohnungen zu finden. Sogar den Hunger muss man im Voraus planen.
Mit dem Schnapsundidee plant das Kulturreferat StuVe der LMU ein etwas anderes Festival: Der Prozess des Kunstschaffens und nicht das finale Produkt steht im Mittelpunkt.
Die Refugee Law Clinic der Ludwig-Maximilians-Universität nimmt an einem Wettbewerb von Google teil, bei dem ehrenamtliche Organisationen ausgezeichnet werden. Den Gewinn wollen die Studenten in ein neues internes Redaktionssystem investieren.
Die Studentenstadt soll schöner werden: Sprayer vom Verein „Outer Circle“ verwandeln die grauen Wohnheime in ein buntes Mosaik. „Ich finde, die Häuser sollen auch die Menschen repräsentieren, die darin wohnen“, sagt Kunststudentin Amelie Ettlinger .
Gerade die Wohnung gewischt, schon ziert den Fußboden wieder ein millimeterdicker Teppich aus Flusen, Pollen und sonstigem Schmutz. Putzen ist in Großstädten eine Sisyphos-Aufgabe.
An der Kunstakademie hat sich eine „Polizeiklasse“ gebildet. Ihr Ziel ist, mit provokanten Aktionen eine Diskussion anzustoßen – und das neue Polizeiaufgabengesetz zu verhindern.
Plötzlich sind da Kameras. Dort, wo in München Freiheit traditionell groß geschrieben wird: am Schwabinger Bach in Sichtweite des Monopteros, an dem Ort also, wo sich Freunde der Freikörperkultur auch gerne mal nackt präsentieren. Eine Metallstange ragt aus dem Bach, an ihr sind die Kameras befestigt und es sieht so aus, als würden sie die Leute beobachten. Es handelt sich um täuschend echte Attrappen, die nach ihrem Einsatz bei einem Werbedreh aus dem Müll gerettet wurden. Einige Spaziergänger bleiben stehen und starren irritiert auf den Eindringling. Was haben die Kameras hier zu suchen? Im vermeintlichen Kampf um seine Persönlichkeitsrechte wird einer der Nackten wenig später in das eiskalte Wasser waten und versuchen, die Stange umzuwerfen. „Damit haben wir genau das erreicht, was wir beabsichtigt hatten“, sagt ein Student, der an der Aktion beteiligt war.
Der 22-Jährige studiert Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in München und ist Mitglied der „Polizeiklasse“, die sich dort vor wenigen Wochen gegründet hat. Die Polizeiklasse ist ein Künstlerkollektiv. Es geht nicht um den einzelnen, sondern um die Sache – deswegen möchte auch keiner namentlich in den Vordergrund treten. An die 50 junge Menschen haben sich hierfür zusammengeschlossen: Studierende an der Akademie der Bildenden Künste München, freie Künstler, junge Menschen, die in München an der Hochschule für Philosophie studieren oder an der LMU: Politik, Soziologie, Ethnologie. Eine Definition, wer oder was die Polizeiklasse ist, ist weder möglich noch gewünscht. „Das würde uns einschränken. Wir betrachten die Klasse als Laboratorium“, sagt eine Studierende über das Projekt. Nur das Ziel ist klar: mit kreativen, provokanten und auch witzigen Aktionen einen öffentlichen Diskurs anstoßen.
Ist man einmal auf die Aktionen der Gruppe aufmerksam geworden, entdeckt man ihr Wirken an vielen Ecken der Stadt. Ihr Markenzeichen, ein weißes „Nein“ auf schwarzem Grund, klebt auf unzähligen Laternenpfählen und Club-Toiletten, schmückt Schuhe, T-Shirts und Plakate. Es ist die Antwort der Polizeiklasse auf ein Gesetz, das am 15. Mai im Bayerischen Landtag verabschiedet werden soll. Das Polizeiaufgabengesetz (PAG), das die Befugnisse der Polizei ausweiten würde und von den Mitgliedern der Polizeiklasse als akute Bedrohung der gesellschaftlichen Freiheit wahrgenommen wird. „Das ‚Nein‘ drückt aber mehr aus als unsere Ablehnung gegenüber dem PAG. Es ist auch ein Versuch, sich einen Freiraum zum Denken zu verschaffen“, sagt ein junger Mann, der an der Hochschule für Philosophie studiert.
Der Ursprung der Polizeiklasse geht auf einen Vorfall Anfang April zurück. Damals versuchten ein paar Studierende der Akademie der Bildenden Künste ein Banner mit dem Schriftzug „Nein zum PAG – Damit die Polizei dein Freund bleibt“ im Akademiegarten in Richtung Leopoldstraße aufzuhängen. Eine spontane Aktion: „Wir wollten einfach mal schauen, wie die Reaktion ausfällt“, sagt ein Student, der damals vor Ort war. Die kam schneller und heftiger, als es sich die Beteiligten ausgemalt hatten. Noch bevor das Banner hing, war bereits die Polizei vor Ort. Im Laufe des Abends wurden zwei Studenten vorläufig festgenommen, durchsucht und befragt. Die Hochschulleitung, die auf ihr Gebot zur Neutralität verweist, ließ das Banner entfernen.
Unter den Studierenden entbrannte eine heftige Diskussion. Zum nächsten studentischen Konvent, der üblicherweise spärlich besucht ist, kamen mehr als 50 Leute. Der Diskussionsbedarf war so groß, dass man es nicht bei einem Treffen belassen wollte. Sie fragten bei der Hochschulleitung an und gaben an, eine „freie Klasse“ gründen zu wollen – der Vorstoß wurde genehmigt unter der Voraussetzung, dass eine Vereinnahmung der Akademie vermieden wird. So erzählen es zumindest einige aus der Polizeiklasse.
Ein Freitagabend Anfang Mai. Die Polizeiklasse hat zum „Open Orbit“ in die Akademie eingeladen. Die Teilnehmer treffen nach und nach ein, viele kommen direkt von einer Demonstration, die zuvor am Siegestor stattgefunden hat. Als vorübergehendes Klassenzimmer hat die Gruppe den Koloss-Saal zur Verfügung gestellt bekommen. Der Raum befindet sich in einem der Altbauflügel der Akademie und ist mit gut 15 Metern Höhe gigantisch. Die Wände sind mit Ankündigungen, Mindmaps und Bannern versehen. Auf einem Heizungskörper türmen sich T-Shirts, auf die noch die Aufschrift „Nein“ gedruckt werden muss. In einer provisorischen Küche, bestehend aus einer mobilen Kochplatte und einem kleinen Kühlschrank, wird gemeinsam gekocht.
Der „Open Orbit“ basiert auf der „Open Space Technology“, eine in den Achtzigerjahren entwickelte Diskussionsmethode. Das Prinzip ist einfach: Zunächst treffen sich alle in einem großen Kreis und besprechen den aktuellen Stand der Dinge. Dann werden Themenvorschläge gemacht, zu denen jeweils kleine Untergruppen gebildet werden können. In diesen kleineren Gruppen werden die konkreten Projekte umgesetzt. Welchen Untergruppen man sich anschließen möchte, steht den Teilnehmern absolut frei.
Zweimal in der Woche trifft sich die Polizeiklasse zum Open Orbit. An diesem Freitagabend sind ungefähr 60 Leute erschienen, durch die Demonstration sind viele Neuankömmlinge dabei. Auf ihrer Website beschreibt sich die Polizeiklasse als „interdisziplinäres und gesellschaftsübergreifendes Projekt“, sie öffnet sich also auch Menschen, die nicht an der Akademie studieren. Einer, der neu dazugekommen ist, hat gleich einen Vorschlag: zusätzlich zum Aufstellen der Kamera-Attrappen könnte man existierende Überwachungsanlagen zerstören. „Das würde tatsächlich was bringen und wäre nicht nur so ne Kunstaktion“, sagt er. Was folgt, ist eine hitzige Debatte über Ziele und Methoden der Polizeiklasse. Nach einigen Argumenten verlässt der Initiator der Diskussion frustriert den Raum. „Wir wissen einfach, wie schnell man mit solchen Aktionen in eine bestimmte Schublade gesteckt wird. Wir wollen unsere Möglichkeiten erweitern. Mit Gewalt erreicht man das genaue Gegenteil“, sagt eine Studentin, die seit den Anfängen dabei ist. Der Wunsch nach maximaler Offenheit und die gleichzeitige Notwendigkeit, gemeinsame Ziele zu formulieren, ist ein Konflikt, der im Open Orbit immer wieder neu ausgetragen werden muss.
Das klappt erstaunlich gut. Die meiste Zeit verläuft die Diskussion fokussiert und freundlich. „Vielleicht klingt das zynisch, aber irgendwie bin ich fast dankbar für das PAG“, sagt eine junge Künstlerin. „Dieses absurde Gesetz ist wie eine Plattform, von der aus wir gemeinsam starten konnten.“ Und tatsächlich spürt man die Energie, mit der sich die Mitglieder der Klasse in die Projekte stürzen. „Endlich passiert etwas und endlich kann ich mich einbringen“, sagt einer der Studenten. Und nach der Abstimmung im Landtag? Wie geht es weiter mit der Polizeiklasse? „Es war von Anfang an unsere Absicht, uns nicht nur auf das PAG zu beschränken.“ Die Polizeiklasse legt gerade erst los.
Text: Wolfgang Westermeier
Fotos: www.polizeiklasse.org
Jurastudenten der LMU München haben bei einem Schaugerichtsprozess in Washington D.C. richtig abgeräumt. Sie erzielten das beste Ergebnis, das je von einer deutschen Hochschule erzielt wurde.
Einfach nur am Brunnen sitzen und das schöne Wetter genießen. Unser Autor weiß, dass das vor der LMU manchmal zum Problem werden kann…
Kaum genießen wir die Muße am Brunnen, rücken sie schon an.
Bewaffnet mit Bergen an Flyern, Gratis-Stiften und süßen Schnitten (keine
Mädels) wollen sie alles von uns- nur nicht unsere Ruhe. Verdammt, könnt ihr
euch nicht politisch engagieren anstatt uns irgendwelche
bescheuerten Nebenjobs anzudrehen? Die braucht nämlich niemand- einen Platz an
der Sonne aber schon.
Text: Louis Seibert
Drei junge Menschen krempeln ihr Leben komplett um – kündigen ihren Job, schmeißen die Uni. Warum tun sie das? Und was machen sie, wenn sie jetzt scheitern?
Sie hatte einen festen Job. Einen unbefristeten Vertrag in einer Branche, in der eine Festanstellung zur Seltenheit geworden ist. Und trotzdem spürte sie diese innere Unruhe. Wenn Verena Lederer, 25, davon spricht, beschreibt sie diesen Zustand als „inneren Kampf“.
Vielen dürfte Verena als Musikerin und unter ihrem Künstlernamen Klimt bekannt sein. Erst vor Kurzem veröffentlichte sie ihre neue Platte „Dear Sirens“ bei einem Konzert im Lost-Weekend. „Es waren sogar ein paar meiner ehemaligen Kollegen da“, sagt sie. „Und meine Mutter hat zu mir gesagt, dass sie stolz auf mich ist.“ Dass all das hätte möglich sein können, das hätte Verena vor ein paar Jahren nicht gedacht. Denn bevor sie sich dazu entschied, sich voll und ganz der Musik zu widmen, sah ihr Leben ganz anders aus.
Noch während Verena den Studiengang Ressort-Journalismus in Ansbach belegte, ging sie für ein Praktikum bei einem Frauenmagazin nach München. Dort wurde ihr nach Ende des Praktikums eine befristete Redakteursstelle angeboten: Beauty-Redakteurin. Zu diesem Zeitpunkt war sie gerade Anfang 20. „Ich habe dort wohl einen echt guten Eindruck hinterlassen“, sagt sie. Sie nahm das Angebot an, denn solche Stellen sind hart umkämpft. Sie schloss ihr Studium ab, schriebt ihre Bachelorarbeit, wurde finanziell unabhängig. Als der befristete Vertrag auslief, bekam Verena von ihrem Frauenmagazin das Angebot für einen unbefristeten Vertrag. Und sie unterschrieb. Das war Anfang 2017.
„Ich habe mich natürlich schon darüber gefreut“, sagt sie. Doch mit der Freude kamen auch die Zweifel. „Ich habe mich gefragt: Ist das wirklich das, was du willst?“, sagt sie. Man muss wissen: Verena nutzte schon damals jede Minute in ihrer Freizeit, um Musik zu machen. Ihr Musik-Projekt Klimt gab es schon seit 2015. Sie haderte mit sich selbst „Man muss sich das mal vergegenwärtigen: Ich musste nicht einmal ein Volontariat machen, was normalerweise üblich ist, um dort hinzukommen, wo ich war“, sagt Verena. Sie fühlte sich manchmal auch so, als wäre sie undankbar, weil die Euphorie einfach doch nicht so groß war. „Mir hat etwas gefehlt. Das habe ich sehr lange für mich behalten, bis ich es meinen engsten Freunden erzählt habe.“ Mit „es“ meint Verena eben diesen Wunsch, Musikerin zu werden, mit Klimt durchzustarten, sich nur noch auf die Musik zu konzentrieren. Ihre Freunde hätten sie dazu ermutigt und an sie geglaubt, aber „meine Eltern waren total schockiert von der Idee“, erzählt sie.
Trotzdem entscheidet sie sich für die Musik. „Ende Mai 2017 habe ich gekündigt. Das war die anstrengendste und aufregendste Zeit in meinem Leben“, sagt Verena. Es sei eine regelrechte innere Tortur gewesen. „An einem Tag bin ich aufgewacht und war unglücklich, am nächsten Tag war es wieder okay“, eine Achterbahn der Gefühle also. „Am Ende ging es mir aber mit der Entscheidung wirklich besser. Weil ich es mir so auch selbst zugestanden habe“, sagt sie.
Und jetzt? Sie sei wieder mehr auf die finanzielle Unterstützung ihrer Eltern angewiesen, denn mit ihrer Musik verdient sie noch nicht genug. „Außerdem habe ich noch ein Netz aus mehreren Nebenjobs“, sagt Verena. Sie hat angefangen, ein zweites Mal zu studieren, diesmal Musikwissenschaften und Philosophie. Und wenn das mit der Musik so gar nicht klappt? „Einen Plan B gibt es nicht. Das ist vielleicht auch das Geheimnis. Ich habe ja eine abgeschlossene Ausbildung, vielleicht komme ich irgendwann wieder in den Journalismus“, sagt sie. Jetzt steht aber erst einmal eine dreiwöchige Tour durch Italien an.
Text: Ornella Cosenza
Lasse Korbanka, 25, kratzt sich im Nacken. Er macht das sehr oft, vielleicht auch, um sich zu entspannen. Zur Ruhe zu kommen ist gar nicht so einfach. Den November verbrachte er in Berlin, die vergangenen Wochen in Kiel und Hamburg.
Acht Semester lang studierte Lasse an der LMU Kunst und Multimedia im Bachelor. Ohne Abschluss. Jetzt ist er Mitte 20. Sein Ziel ist es, in kurzer Zeit so viel Geld wie möglich zu verdienen, um einen Sprinter zu seinem neuen Zuhause auf vier Rädern umzufunktionieren. Startschuss für den neuen Lebensabschnitt ist Dezember 2018. Bis dahin müssen mindestens 7 000 Euro in die Spardose. Deshalb nimmt Lasse neben Moderationsjobs auch Tätigkeiten als Model und Komparse an.
Die ersten drei Semester liefen beim ihm noch ziemlich gut. Im vierten Semester kam dann der Werkstudentenjob dazu: Grafiker in einer großen Unternehmensberatung. „Die Arbeit hat unglaublich Spaß gemacht, ich habe so viel mehr gelernt als in der Uni.“ In den Semesterferien arbeitete er als Vollzeitkraft. Zurück an der Universität kam ihm alles „ein bisschen unprofessionell und nicht zielorientiert vor“. Aus diesem Grund stellte er das Studium hinten an. Manchmal verbrachte er mehr Zeit bei der Arbeit als ursprünglich vereinbart. Das wirkte sich auf seine Studienleistungen aus. Lasse grinst. „In der Uni hatte ich diesen Drive nicht“, sagt er.
Der entscheidende Moment, das Studium abzubrechen, kam im achten Semester bei der Anmeldung der Abschlussarbeit. Der Druck wurde größer, die Anzahl der bestandenen Prüfungen blieb gleich. Die Anmeldung der Abschlussarbeit boxte Lasse dann noch mit der Mindestanzahl der benötigten Punkte durch. Dann verließ ihn der Kampfgeist. „Ich glaube, wenn ich die Bachelorarbeit durchgezogen hätte, dann hätte ich auch das Studium gemacht.“ Einen Ratschlag von außen holte er sich nicht. Vielmehr hatte er das Gefühl, von anderen nicht verstanden zu werden. Er traf die Entscheidung mit sich selbst und zog einen Schlussstrich. Bis heute bereut er es nicht. Schlaflose Nächte hatte er keine. „Es ist eine extrem große Energieverschwendung, wenn man Sachen bedauert.“
Wer studiert, erwartet nach dem Abschluss bessere Berufsaussichten. Das hat Lasse während seiner Zeit an der Universität beobachtet. Die Realität ist aber eine andere, gerade in kreativen Berufsfeldern. Neugierde und Wissenshunger sind ein Muss. Bei vielen seiner ehemaligen Kommilitonen, die ihr Studium erfolgreich beendet haben, vermisste er genau das. Stehenbleiben darf niemand, das gilt auch für ihn. Der Abbruch des Studiums bedeutet nicht, mit dem Lernen aufzuhören.
Unterstützung für seine Entscheidung, das Studium abzubrechen, bekam er von seinem besten Freund. Das half ihm, optimistisch zu bleiben – und es erleichterte ihm, seiner Familie den Entschluss mitzuteilen. Vor allem seinem Vater. Lasse macht eine kurze Pause. „Es war fast wie eine Beichte“, sagt er. Sein Vater hatte bereits eine Ahnung, er reagierte verständnisvoll und unterstützend. Zukunftsängste hat er keine. Bis jetzt ist er immer über die Runden gekommen, warum sollte sich das ändern?
Das Handy leuchtet auf, möglicherweise ein neues Jobangebot. Schnell tippt Lasse eine Nachricht. Mit dem Abbruch des Studiums musste er auch seine Werkstudententätigkeit beenden. Deshalb die vielen Jobs. Sein Ziel lässt er nicht aus den Augen. „So weit fahren, wie der Sprinter durchhält.“ Unterwegs möchte er sein Leben mithilfe von Film und Fotografie finanzieren, das geht von überall – und dafür braucht er auch kein abgeschlossenes Studium. Welchen Job er nächste Woche hat? Wo er sich im nächsten Monat aufhalten wird? Er weiß es noch nicht, es ist ihm auch egal. Dennoch ist er sich seiner Selbst sicherer denn je.
Text: Eser Aktay
Am Ende blieb nur noch der Weg zum Arzt. Ein Jahr lang hat Kiawash Sallehsari, 22, mit sich gehadert, hat mit Freunden diskutiert, hat sich immer wieder überlegt, was er denn nun tun soll. Er spürte eine innere Unruhe, war antriebslos, kam Tag für Tag nur schwer aus dem Bett. Er quälte sich in die Vorlesungen. Die Zweifel wuchsen, ob Ingenieurwissenschaft das richtige Studium für ihn sei. „Einerseits bin ich von Naturwissenschaften und Technik weiterhin begeistert, ansonsten hätte ich nicht mehrere Semester lang studiert und die Prüfungen geschrieben“, sagt er. „Ich habe aber gemerkt, dass ich nicht mehr aus Überzeugung studiert habe. Es hat sich nicht richtig angefühlt, so viel Energie darin zu investieren, obwohl ich wusste, dass mir das Studium finanzielle Sicherheit und Erfolg bringen würde. Wenn ich in der Bibliothek war oder im Vorlesungssaal mir die Folien der Dozenten angesehen habe, haben mir der Antrieb und die Motivation gefehlt. “
Aber warum? Kiawash ließ sich untersuchen, doch körperlich war mit ihm alles in Ordnung: „Die Ärztin meinte, dass diese Antriebslosigkeit eher daher kommt, dass mich etwas beschäftigt und ich gestresst bin“, sagt er. Kiawash ist sich sicher, dass es an dem inneren Widerspruch lag zwischen dem, was von ihm erwartet wurde und dem, was er eigentlich machen wollte. Denn während des Studiums ist er auf elektronische Musik aufmerksam geworden – nicht als Clubbesucher, sondern als Musikproduzent.
Die Möglichkeit, mit minimalistischer Musik den eigenen Sound zu kreieren, sagte ihm sehr zu, vor allem Genres zu kombinieren, die an sich gegensätzlich sind, gefiel ihm: Heute spielt er einen Mix aus House und Down Temple mit Einflüssen von Rock-Elementen, orientalischer Musik und Sounds der Achtzigerjahre. Aber das Musikgeschäft ist schwierig, Aussicht auf Erfolg gering. Deswegen eine Karriere aufs Spiel setzen? Er hat oft mit guten Freunden über seine Situation gesprochen, alle haben ihn von der Entscheidung abgeraten, das Studium zu schmeißen. Er beschreibt es als ein Gefühl von „me against the world“ – er stellte sich gegen den Rat seiner Freunde.
Mittlerweile ist er sich sicher, damit das Richtige getan zu haben. Es gab Momente, in denen er sich gefragt hat, ob die Entscheidung nicht doch noch die falsche war: Nicht nur, weil er nun nachts viel unterwegs ist, wenn er auflegt. Sondern weil es auch schwierig ist, in der Musikszene anzukommen. Anfangs hat er auf Studentenpartys aufgelegt. Inzwischen ist er regelmäßig im Kunstblock Balve zu hören, einer Plattform in Laim für kulturellen und sozialen Austausch. Er hatte auch schon Gastauftritte im Harry Klein und in der Minna Thiel. Geld verdient er mit seiner Musik noch nicht, aber das ist ihm egal.
Um sich seinen Musikertraum finanzieren zu können, arbeitet er in einem Café. „Ich werde so lang nebenbei arbeiten wie notwendig, damit ich meinen Lebensunterhalt bestreiten kann, aber ich werde keinesfalls die Musik aufgeben, nur um mehr Geld verdienen zu können.“ Und wenn sein Traum nicht wahr wird? Kiawash hat keinen Plan B. „Wenn ich viel Zeit und Herzblut darin investiere, um diesen Traum wahr zu machen, dann wird es auch funktionieren“, sagt er. „Wenn es nicht funktioniert, dann heißt es, dass ich nicht genug dafür getan habe.“
Text: Serafina Ferizaj
Fotos: Sophie Wanninger, Stephan Rumpf