250 Zeichen Wut – Semesterferien

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Unsere Autorin hat die Schnauze voll. Von Leuten, die immer gezwungenermaßen eine Nummer cooler sein müssen als der Rest der Welt, und bei denen Urlaub plötzlich nur noch

„Reisen“ genannt wird.

Vorlesungsfreie Zeit ist Urlaubszeit. Da machen sich dann alle auf den Weg. Und egal wohin es geht und ob man stinkreich oder super hip und möchtegern alternativ ist, egal in welchen Kreisen man verkehrt: es gibt immer diese eine Sorte Mensch, die einfach immer cooler ist als du. Und dieser Mensch drückt’s dir dann so richtig rein! „Ich bin nicht im Urlaub, ich bin auf Reisen!“ oder „Wirklich? Nur der Kurztrip nach Spanien? Ich bin zwei Monate in Argentinien. Ohne Handy, ohne alles. Ich muss weg von all dem Mainstream.“ Und noch was von der Sorte: „Mensch, die Klausuren waren so anstrengend, ich fahr mit meinem Freund über’s Wochenende ins Spa. Mein Rücken ist meeeegaa verspannt.“ Schön für euch alle! Toll! Ist ja auch meeeeega entspannt, wenn ihr jedem erst mal beweisen müsst, dass euer Urlaub, pardon, eure Reise so viel toller ist. Wir haben’s verstanden.

Internationale Familie

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Teresa Bertram, 27, hat MindLinks gegründet. Es ist eine Gemeinschaft in München, die Studenten und Geflüchteten die Möglichkeit geben will, sich auf Augenhöhe zu begegnen.

Auf einem Hügel steht eine majestätische Burg. Krak des Chevaliers heißt sie. Dieses Bild ist auf eine Wand im Institut für Soziologie projiziert. Ein junger Mann mit schwarzen, kurzen Haaren und Bartstoppeln steht neben dem Bild und redet über sein Heimatland Syrien. „This is my favourite one“, sagt Ghassan Abdulhadi, 24. „You should do Wandern.“ Im Raum lachen alle auf, weil dem Syrer eher das deutsche als das englische Wort einfällt. Die Tische sind an die Wand geschoben, 16 Menschen sitzen im Stuhlkreis und hören dem Syrer zu. Die meisten sind jung, zwischen 20 und 30 Jahre alt. Die Truppe ist bunt gemixt: Geflüchtete, Münchner, internationale Studenten ohne Fluchthintergrund. Es sind sowohl Frauen als auch Männer da. Alle sind leger gekleidet, aber nicht spießig, sie haben Jeans und dazu Pulli oder Sweatshirt an. Die Atmosphäre ist locker und entspannt.

Auch Teresa Bertram besucht dieses Seminar. Die 27-Jährige hört interessiert zu. Es geht um Syrien vor dem Krieg. Eines von vielen Themen, um das es in den Diskussionsseminaren von MindLinks geht. Zusammen mit dem Ägypter Mahmoud Bahaa und der Amerikanerin Mallissa Watts hat Teresa MindLinks vor fast zwei Jahren gegründet. Es ist eine Gemeinschaft in München, die Studenten und Geflüchteten die Möglichkeit geben will, sich auf Augenhöhe zu begegnen. Die drei Gründer fanden es toll, dass es viele Hilfsangebote für Flüchtlinge gibt. „Aber oft entsteht ein Hierarchiegefälle in irgendeiner Art und Weise, wenn einer bedürftig ist und ein anderer die Ressourcen hat“, sagt Teresa. „Mallissa hatte davor schon ganz viel in Flüchtlingsheimen und bei Essensausgaben geholfen und dann auch gemerkt, dass ihr der Austausch fehlte. Und ich habe in der Zeit, in der das Flüchtlingsthema in Deutschland so groß war, in London studiert und wollte auch gerne etwas machen.“

Jeden Montagabend um 19 Uhr findet ein Diskussionsseminar im ersten Stock des Instituts für Soziologie an der LMU statt. Dabei geht es jede Woche um die unterschiedlichsten Themen: Politik, Religion, Naturwissenschaft, Soziologie, Psychologie, Sexualität. Nach dem Vortrag wird diskutiert. Je nachdem, welches Thema sich der Vortragende aussucht, wird mal hitziger gestritten, mal gibt es kaum Wortmeldungen. Geredet wird auf Englisch, weil sich so alle verständigen können. Da die Flüchtlinge und inzwischen auch viele internationale Studenten ohne Fluchthintergrund auch Deutsch lernen wollen, bietet MindLinks davor eine Deutschstunde an. „Sprich mit!“ heißt sie. Außerdem koordiniert MindLinks ein Partnerprogramm. Es nennt sich „Peer-Partner-Programm“. Dabei bilden eine Person mit und eine ohne Fluchthintergrund ein Tandem. Gemeinsamkeiten, ähnliche Interessen oder ein akademischer Hintergrund sind Voraussetzungen, um zwei Personen zusammenzubringen. Wichtig ist, dass es nicht einen Mentor und einen Schützling gibt, sondern dass beide Personen sich auf einer Ebene begegnen. „Ich glaube, dass Sprache im Vordergrund steht, aber viele tauschen auch mehr als nur Sprache aus, zum Beispiel die Kultur, und machen viel zusammen“, sagt Teresa Bertram. „Da waren einige dabei, die enge Freunde geworden sind.“ So auch Ghassan und Duygu Büyükerzurumlu, 24. Sie interessieren sich beide für Medizin und haben viel gemeinsam unternommen.

Ghassan sieht inzwischen die ganze Gruppe als seine Familie an. Er freut sich auf die Seminare, weil er dort seine Freunde, aber auch neue Menschen trifft. Außerdem besucht er den Deutschkurs, um die Sprache zu verbessern, denn er möchte irgendwann in Deutschland Medizin studieren – so wie seine Tandempartnerin Duygu. Ghassan hat in Syrien bereits Anästhesiologie studiert und wartet momentan auf einen Studienplatz. Zuvor hat er als Freiwilliger in einem Second-Hand-Shop der AWO und in einem Restaurant gearbeitet.

Kinan Al Akhmar, 23, besucht seit anderthalb Jahren die Veranstaltungen von MindLinks, hat beim Peer-Partner-Programm mitgemacht und engagiert sich jetzt im Seminarteam. „MindLinks hat mir geholfen, die Sprache und Kultur zu lernen“, sagt Kinan. Er war zuvor in einem Integrationskurs. Dort wurde ihm gesagt, dass er keine Freunde in Deutschland finden wird, außer er ist Teil einer Gruppe. Als er aus Syrien hierher kam, hatte er 250 Freunde auf Facebook, nun hat er 700 – auch wenn das nichts heißen muss. Er lebt bereits seit zwei Jahren in Deutschland. Jetzt macht er in München eine Ausbildung zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel. Kinan mag die Gruppe, weil sie abwechslungsreich ist und er keine Angst hat, seine Ideen mitzuteilen. Er kommt jeden Montag zu den Diskussionsseminaren, weil es ihm viel Spaß macht und viel gelacht wird.

Während Kinan auf dem Laptop eine Seite weiterklickt bei der Präsentation, erzählt Ghassan etwas zu den Bildern. Auf der Wand sieht man das römische Theater in Bosra. Medizinstudentin Anna Raabe, 26, fragt, ob es noch steht. Darauf antwortet Ghassan, dass die meisten Ruinen zerstört worden sind. Der Vortrag und die anschließende Gesprächsrunde laufen ruhig ab. Das kann aber auch anders sein: Gerade bei emotionalen Themen wie Politik gibt es auch mal Konfliktsituationen. Vor ein paar Monaten hat ein Geflüchteter nach langem Überlegen des Teams einen Vortrag über den Krieg in Syrien gehalten. „Vor allem in der Gruppe der Geflüchteten war es schwierig“, sagt Teresa, „weil da natürlich auch Leute zusammenkommen, die in Syrien auf ganz unterschiedlichen Seiten standen und das natürlich superemotional aufgeladen ist.“ Die Situation ist aber nicht eskaliert, denn zu dem Zeitpunkt kannten sich alle so gut, dass manche zwar ein bisschen aneinandergeraten sind, aber danach war wieder alles gut.

Die Gesprächsrunde ist beendet. Manche bleiben noch sitzen und reden mit ihrem Sitznachbarn weiter – auf Englisch, aber auch auf Deutsch. Andere gehen nach vorne und gießen sich Saft oder Wasser in einen Plastikbecher und stellen sich zusammen. Wie auch schon beim Diskussionsseminar ist die Atmosphäre locker und rundherum sind oft Lacher zu hören. „Nach einem Jahr sind es deine Freunde und deswegen komme ich“, erzählt Anna. Sie hat so etwas wie bei MindLinks noch nie erlebt: „Man lernt, auf höfliche Art und Weise zu diskutieren, jede Meinung ist akzeptiert.“

Text: Lena Schnelle

Foto: Stefanie Preuin

Hauptsache authentisch


Mit dem eigenen Handy live von einem Event streamen: Die Münchner
TU-Studenten Jakob Bodenmüller, Glenn Glashagen, Leon Szeli und Lucas
Jacobson haben die App Higgs entwickelt.

Damit kann der Zuschauer mit dem Handy von einem Event selbst livestreamen, sofern der Veranstalter einen Vertrag mit der App hat. Für den Nutzer ist die App kostenlos. Noch wird Higgs größtenteils von Unternehmen verwendet. Das Ziel ist jedoch, dass junge Menschen Videos von einem Konzert oder einer Party hochladen können.

SZ: Verwackelte Partyvideos als Geschäftsidee – wie kommt man denn auf so etwas?

Jakob Bodenmüller: Wir sind oft selbst auf Konzerten unterwegs und wollten eine Möglichkeit schaffen, authentisch von einem Event zu berichten.

Was heißt authentisch?

Bei einem Event, bei dem Livestreaming betrieben wird, muss man oft teure Gebühren zahlen. Und der Zuschauer sieht nur das, was ihm die Sender zeigen, nicht jedoch, was tatsächlich auf einem Event passiert. Das wollen wir ändern. Wir ermöglichen somit kostengünstiges Livestreaming.  

Und was heißt das konkret?

Liveübertragungen sind ja zur Zeit der Trend im Bereich Social Media auf Plattformen wie YouTube, Facebook oder Twitter. Das ist natürlich sehr interessant, gerade für Veranstalter. Liveübertragung via Facebook ist allerdings nicht so optimal, weil man beispielsweise kein Logo einfügen kann. Ein Kamerateam ist allerdings zu teuer und für Social Media nicht gemacht, da sich die Leute die Videos auf ihrem Smartphone anschauen.

So weit ist alles bekannt. Was ist das Besondere an Eurer App? 

Wir versuchen eine Lösung zu finden, indem man mit dem Smartphone ganz einfaches Livestreaming erstellen kann.

Es ist auch von verschiedenen Perspektiven die Rede. Wie funktioniert das?

Mit einer einzigen Perspektive kannst du kein Event abdecken. Mit unserer App kann man mehrere Kameraperspektiven in einem Livestream verbinden. Somit kann man von mehreren Stages auf Festivals oder unterschiedliche Perspektiven eines Konzerts live übertragen.

Aber inwiefern ist denn „Higgs“ in Zeiten von Instagram und Snapchat noch revolutionär?

Snapchat macht ja gar nichts live, sondern zeigt, was in den vergangenen Stunden passiert ist. Facebook kann auch Live-Videos machen, diese richten sich jedoch an Privatnutzer, wenn man beispielsweise daheim hockt und sich ein Video anschauen möchte. Für die Eventmanager ist das allerdings keine Lösung. Sie möchten mit den Videos auch ihre Veranstaltungen bewerben.

Wie lange bleiben denn die Videos sichtbar?

Nach der Liveübertragungen bleiben die Videos archiviert und weiterhin sichtbar. Der Veranstalter kann dann selbst entscheiden, ob die Videos rausgenommen werden oder nicht.

Wieso sollten sich die Zuschauer verwackelte Handyvideos anschauen? Beziehungsweise wieso sollte der Veranstaltungsmanager dafür zahlen wollen, wenn es nur verwackelte Handyvideos gibt?

Wie man bei den Live-Videos von Instagram oder Facebook sehen kann, hat sich die Qualität der Smartphones in den vergangenen Jahren erheblich verbessert, sodass die Videos meist sehr gut sind. Auch kann man Stative aufstellen, sodass die Videos dann nicht verwackelt sind. Außerdem wollen wir authentisches Livestreaming. Da gehören diese unperfekten Dinge eben dazu. Man merkt ja auch, dass Instagram oder Facebook sehr erfolgreich damit sind und die Leute es immer wieder gerne nutzen und sich das vor allem auch anschauen.

Denkt ihr nicht, dass es eine schlechte PR für den Veranstalter ist, wenn Videos von betrunkenen Leuten oder Nacktflitzern auftauchen?

Klar besteht stets die Gefahr, dass unvorhergesehene Dinge passieren können, das kommt durchaus vor. Du kannst schließlich nichts nachbearbeiten, sondern in dem Moment muss alles funktionieren. Aber das macht den Reiz der Live-Videos aus: das Unvorhergesehene. Und genau das macht den Bericht eines Events erst authentisch, weil man es nicht mehr verändern oder faken kann.

Interview

: Serafina
Ferizaj

Foto: Higgs

Band der Woche: Django S

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Die Jungs von
Django S bezeichnen ihren Musikstil als „Bavarian Madness“. Sie feiern politisch, provokant und mit großer Lust an inszenierter Prolligkeit das Musiker-Leben.

Dass Bayern in Pop-Deutschland mal wenigstens so ein bisschen beliebt werden konnte, überrascht. Bayern zeigte sich ja bisher eher glanzlos im Vergleich zu den deutschen Pop-Städten Berlin und Hamburg. Und auch, wenn da auf der nördlichen Seite viel Selbstüberschätzung und auch ein bisschen ignorante Arroganz dabei gewesen sein durfte: Mit Ausnahme von solch ausgesprochen geschmackssicheren und gleichzeitig mit hübschestem Understatement ausgestatteten Gruppen wie Slut aus Ingolstadt oder The Notwist aus Weilheim, hatte Bayern bis Mitte der Nullerjahre deutschlandweit relativ wenig zum aktuellen Pop-Geschehen beizutragen.

Mit dem Understatement war es dann jedoch schlagartig vorbei, als plötzlich auch die Rest-Republik auf den protzig-prolligen und Blaskapellen-geschulten La-Brass-Banda-Sound tanzte. Wenn schon Bayern, dann richtig Bayern. Plötzlich gab es diverse Tubas, Trompeten oder Posaunen, alle mit einfachen Vor- oder Nachschlägen, die die mehr oder weniger lustigen Mundart-Texte der jeweiligen Sänger antrieben.

Nun, diese Zeit ist jetzt auch schon wieder vorbei. Deshalb wirkt es auch fast ein wenig rückwärtsgewandt, wenn Django S ihren Musikstil weiterhin vehement als „Bavarian Madness“ bezeichnen, die sie dann auch gleich zu Lebenseinstellung und Lifestyle erheben. Wenn man jedoch in deren neues Album „Mund auf, PU-Schaum“ hineinhört, katapultiert es einen eigentlich gleich noch ein Jahrzehnt weiter nach hinten. Von den früheren Misch-Versuchen von Balkan- und Bayern-Beat hat sich das Septett mittlerweile verabschiedet. Auf dem neuen Album wird ein Stil revitalisiert, der Ende der Neunzigerjahre zuletzt an der Pop-Oberfläche schwamm: Ska-Punk, also Bläser und verzerrte Gitarren, die geballte Faust auf dem Albumcover im Stil sozialistischer Wahlplakate der Weimarer Republik sowie der Eröffnungsbrüller „Geld oder Leben“. Dessen Text darf man hier durchaus mehr metaphorisch und weniger im Wild-West-Stil verstehen: Django S machen in diesem Song den Gegensatz zwischen einem guten Leben und einem gut bezahlten Job auf. Da klingelt einem die provokativ-assoziale Hymne „Unemployed“ der Deutsch-Punk-Band Wizo in den Ohren, hinzu kommen breitbeinig rockistische Gitarren und eine Stimme, die mit Absicht ein bisschen tiefer gedrückt wird, als sie eigentlich klingen könnte. Eine ziemlich prollige Angelegenheit. Das erinnert rein musikalisch an Neunzigerjahre-Bands wie Dog Eat Dog. Oder eben aktuell an Kraftklub, was auch zum aktuellen britischen Hooligan-Look von Django S auf deren Fotos passt.

Genauer betrachtet ergibt das alles Sinn: Django S befinden sich gerade an der Grenze vom Studenten-Dasein zum Berufsleben. Das bedeutet nicht nur, dass sie das Ende der Neunzigerjahre noch als Pop-Hörer und frühe Teenager mitbekommen haben dürften, sondern auch, dass der Lebenslauf in diesem Alter in ein Arbeitsleben kippt, das im Normalfall weniger vom Party-Band-Dasein bestimmt wird. Django S sind eigentlich ganz bürgerlich aufgestellt: Alle Mitglieder haben entweder einen Ingenieurs-Beruf studiert oder studieren so ein Fach gerade noch. Doch bevor die Entscheidung zwischen Geld oder (Rocker-)Leben letztlich getroffen werden muss, feiern Django S noch einmal politisch, provokant und mit großer Lust an inszenierter Prolligkeit das Musiker-Leben. Das dürfte auch schon arbeitenden Menschen gefallen. Als Ausbruch. Etwa auf einem Konzert, am Freitag, 6. Oktober, im Münchner Backstage. Ein passender Ort, an dem solche Musik sowieso nie aufgehört hat und seit den Neunzigerjahren wunderbar existiert. 

Stil: Ska/Rock/Brass/Punk
Besetzung: Leonard „Dr. Faxe“ Spies (Gesang, Gitarre), Klaus „Motschep“ Moser (Bass, Gesang), Martin „Maschd“ Brandl (Gitarre), Valentin „Vallus“ Limmer (Schlagzeug), Simon „Seamon“ Maier (Trompete), Raphael „Azrael“ Opperer (Posaune), Simon „Vladi“ Ladner (Trompete)
Aus: Rosenheim, München
Seit: 2010
Internet: www.suridjangos.de

Text: Rita Argauer

Foto:
Phil Pham

Neuland: Academy Consult

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Münchner Studenten des Vereins Academy Consult

waren in Südafrika

um The Consulting Academy Johannesburg zu gründen. Solche studentischen Unternehmensberatungen haben europaweit einen guten Ruf und sind untereinander gut vernetzt.

Studentische Unternehmensberatungen haben europaweit einen guten Ruf und sind untereinander gut vernetzt. Die Idee dahinter wollen Münchner Studenten des Vereins Academy Consult nun auch auf dem afrikanischen Kontinent verbreiten. Einige Monate lang waren deshalb fünf Münchner in Südafrika, um The Consulting Academy Johannesburg zu gründen, die später einmal nur von lokalen Studenten geführt werden soll. Der Verein Academy Consult ist deshalb sehr gefragt, da südafrikanische Studenten oftmals weniger Praxiserfahrung sammeln als deutsche und nur schwer Fuß fassen können auf dem Arbeitsmarkt.

Der Verein in Südafrika wurde nach deutschem Vorbild aufgebaut, und nach mehreren Schulungen konnten schon einige Projekte akquiriert werden, unter anderem mit Roche Diagnostics. Academy Consult steht nun in einer Mentor-Funktion zur Verfügung. Ein ähnliches Projekt wird in Kenia aufgebaut, wo Münchner Studenten mittlerweile The Consulting Academy Nairobi gegründet haben. Weitere Unternehmensgründungen auf dem afrikanischen Kontinent sind schon in Vorbereitung.


Text: Sandra Will

Foto: Lisa Sogerer

Zeichen der Freundschaft: Nächtliche Bildinterpretation

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Bildinterpretationen behandelt man irgendwann einmal im Unterricht. Eigentlich. Unsere Autorin und ihre beiden Freundinnen analysieren dagegen Werbeplakate an Bushaltestellen und machen sich das zum abendlichen Ritual.

Das samtene Fell des Friesen schimmert silbern im Licht des vollen Mondes. Der kleine Junge, der dem Pferd nur bis etwa zur Brust reicht, streckt vorsichtig die Hand aus, um die Nüstern des majestätischen Tiers zu berühren. Thea, Jasmine und ich nähern uns voller Erwartung. „So meine Lieben“, bricht Thea das Schweigen, „was werden wir heute in diesem Kunstwerk entdecken?“ Die
romantische Szene zwischen schwarzem Pferd und kleinem Jungen in Regenparka wiederholt sich an jedem unserer gemeinsam verbrachten Abende, an deren Ende Thea und ich Jasmine nach Hause begleiten. Auf einem überdimensionalen Werbeplakat an einem Bushäuschen, genau an der Stelle,
an der Jasmine sich von uns verabschiedet, um die Straße zu ihrem Wohnhaus zu überqueren.

Zugegeben, an dem Abend, an dem wir zum ersten Mal bemerkten, wie realistisch, interessant und detailliert uns das für eine britische Bank werbende Plakat vorkam, waren wir alle etwas angesäuselt vom Rotwein. Dennoch nehmen wir die Aufgabe der Bildinterpretation seither sehr ernst. „Ich glaube, der Regenparka steht dafür, gewappnet zu sein für schlechte Zeiten“, sagt Jasmine heute mit gerunzelter Stirn. Ich kichere. „Oder seine Mama war einfach super nervig – nach dem Motto: nimm deine verdammte Jacke mit, sonst erkältest du dich noch, wenn du schon wieder dieses Pferd am Strand besuchst“, gebe ich zu Bedenken. Meistens hat jedoch Thea die beste Interpretation auf Lager, denn sie ist mit Abstand die lustigste von uns dreien. Jasmine schafft es hingegen immer wieder, am aufgeräumtesten und zugleich verplantesten zu sein und ich – ich backe den besten Kuchen und habe zu meinem eigenen Unverständnis ständig irgendein neues Männerproblem zu besprechen, das mich völlig überfordert. Manchmal kommt mir unsere Freundschaft selbst vor, wie eine sehr romantische Fotografie (von denen ich mittlerweile auch so viele habe, um ein ganzes Zimmer damit tapezieren zu können – Erinnerungen an all die verrückten Dingen, die wir während des vergangenen Jahres unseres gemeinsamen Studiums in Oxford erlebt haben). Ich habe die beiden Kanadierinnen (aus unterschiedlichen Provinzen – was wichtig ist!!!) gleich am ersten Tag des Semesters kennengelernt, als wir als einzige ein bisschen verloren am von unserer Fakultät organisierten Buffett standen und nicht so recht wussten, wie wir am besten höflichen Small-Talk mit all den distinguierten Professoren führen sollten. Natürlich könnte man sehr fatalistisch behaupten, der erste Tag an jeder Uni würde einfach determinieren, mit wem man für den Rest des Jahres befreundet ist. Ich glaube jedoch stur, dass es mehr als Zufall sein musste, genau diese beiden jungen Frauen auf einmal kennenzulernen. Denn ich glaube an romantische Gemälde und die Kraft des Schicksals, vor allem wenn es um zwischenmenschliche Begegnungen geht. Während Thea, Jasmine und ich in vielen Dingen sehr unterschiedlich sind, sind wir in ebenso vielen Dingen genau gleich. Beispielsweise teilen wir seit neun Monate die Überzeugung, nicht ganz so genial zu sein, wie man es eigentlich sein sollte, wenn man einen Platz an einer „Eliteuniversität“ ergattert hat. Genauso wie die Beobachtung, dass wir viele der bierernsten Traditionen und Ansprüche und Rituale und Diskussionen in Oxford nicht ganz ernst nehmen können. Deshalb können wir uns gegenseitig zugleich Rettungsanker und Stimmungsbombe sein, wenn es um Ratsch, Tratsch, gemeinsame Abendessen, Theater-, Kino-, und Konzertbesuche und nicht zuletzt therapeutische Gesprächsrunden geht. Wenn ich unsere Freundschaftsdynamik
interpretiere, so wie wir mehrmals wöchentlich das Bushäuschen-Plakat interpretieren, würde ich zu dem Schluss kommen, dass die Tatsache, dass Thea und ich Jasmine Abend für Abend nach Hause begleiten – weil sie eben ein bisschen ängstlicher ist als wir – als Zeichen dafür gesehen werden
kann, dass wir füreinander da sind, egal wann, egal wo und dass wir es schaffen, den anderen ernst zu nehmen, ohne jemals den Humor zu verlieren. Genau deshalb kann ich es mir auch nur mit diesen beiden Menschen vorstellen, mitten in der Nacht zum gefühlt hundertsten Mal vor einem Bushäuschen im Norden Oxfords zu stehen und die tiefenpsychologischen Absichten eines Werbefotografen zu analysieren.


Text: Theresa Parstorfer

Foto: Yunus Huttere

250 Zeichen Wut: Wohnungsglück

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Ungerechtigkeit ist manchmal Glückssache, auch was den Münchner Wohnungsmarkt angeht. Unsere Autorin beklagt sich über diese nervigen “Glückspilze” mit Wohnungen in Maxvorstadt und im Glockenbach.

„Also ich hatte einfach totaaaaal Glück“, sagt sie und nickt
ganz heftig. Glück hatte sie, weil sie ja super zufällig und super spontan
diese super günstige super 1,5-Zimmer Wohnung in der super Maxvorstadt(oder:
Haidhausen, Glockenbachviertel usw.) gefunden hat. Alles super hier. Schon
klar. Der obligatorische Bali- oder Südostasien-Urlaub („Also da ist alles sooo
günstig und die Natur ist sooo toll“) ist natürlich trotzdem drin. Hohe Mieten?
Die Eltern, die fast die ganze Miete für die super Wohnung zahlen, werden in
solchen Gesprächen nie erwähnt. Immer wieder schieben sie aber mal was rüber.
Zeit für’s Studium muss ja auch noch sein. Voll supi.
Leckt mich doch am Arsch mit eurer scheinheiligen Selbständigkeit und dem super
Glück bei der Wohnungssuche. Papi zahlt schon.

Text: Ornella Cosenza

Alles ist möglich

Samuel Flach, 25, plant ein besonderes Projekt: Bei
„Gemeinwohlwohnen“ sollen Flüchtlinge, Menschen mit Behinderung und Studierende
zusammenleben

Samuel Flach liegt in seinem Bett. Er starrt die Decke an. Er schaut auf die Uhr. Eigentlich müsste sein Assistent schon längst da sein. Er fischt nach seinem Handy. Akku leer. Alleine aufstehen kann er nicht. Samuel ist querschnittsgelähmt. „So eine Situation ist scheiße, so richtig, richtig scheiße. Alltag ist das nicht, aber es kann passieren, zum Beispiel wenn mein Assistent in der U-Bahn feststeckt.“  
 

Samuel lebt in einer Wohngemeinschaft mit einer Mitbewohnerin, die ihm hilft und bei ihm angestellt ist. Eigentlich ein super Prinzip, aber wenn einer mal länger weg bleiben will oder seine Mitbewohnerin mal nicht da ist, ist es schwierig. Deswegen kam Samuel auf die Idee, dass es besser wäre, mit mehr Menschen zusammenzuwohnen. Als er dann auch noch zufällig auf Alejandro Hünich traf, der sich in einem Projekt engagiert, in dem Flüchtlinge und Studierende gemeinsam leben, entstand die Idee zu einem ganz besonderen Wohnprojekt: Gemeinwohlwohnen, ein Projekt, in dem Flüchtlinge, Menschen mit Behinderung und Studierende zusammenleben sollen. „Alle Mitbewohner und Mitbewohnerinnen, ob mit oder ohne Behinderung, könnten von dem Wohnkonzept profitieren und selbstbestimmter leben“, sagt Samuel. Von dieser Idee ist er überzeugt.
 

Samuel sitzt seit seinem 20. Geburtstag im Rollstuhl. Jetzt ist er 25. Damals hatte er ein Jahr Zivildienst in Uganda gemacht und fuhr zum Abschluss und zur Feier seines 20. Geburtstages nach Sansibar, einer kleinen Insel vor Tansania. Direkt nach der Ankunft rannte er über den Strand und machte einen Hechtsprung ins Meer. Dabei stieß er mit dem Kopf vermutlich gegen eine Sandbank. Ein Halswirbel zersplitterte.
 „Ich würde sagen, es war ziemlich knapp“, sagt Samuel. „Ich war ja bei Bewusstsein, aber ich kam halt nicht raus und hatte auch nicht mehr viel Luft.“ Aber Einheimische am Strand sahen ihn, zogen ihn sofort aus dem Wasser und holten Leute von der ansässigen Tauchschule. Mit Plastikflaschen wurde sein Kopf stabilisiert, damit nicht noch mehr kaputt gehen konnte. Er musste schleunigst operiert werden, so viel stand fest. Aber es gab keinen Hubschrauber auf der Insel. Letztendlich organisierte und bezahlte ein tansanischer Manager einen Safari-Hubschrauber, der Samuel nach Daressalam flog. Dort wurde er untersucht und weiter nach Nairobi gebracht, wo er operiert werden konnte. Nach zehn Tagen kam Samuel nach Deutschland in die Unfallklinik in Murnau, wo er ein halbes Jahr verbrachte.
 

Seine Stimme ist leiser geworden, während er über seinen Unfall redet. Aber genauso fest. „Ich habe das schon so oft erzählt“, sagt er. „Immer wieder fragen mich Leute mit mitleidigem Blick, was mir denn passiert sei. Die können sich einfach nicht vorstellen, dass der Rollstuhl für mich inzwischen Alltag ist.“ Er sitzt in seiner Küche am Tisch. Bunt kariertes Hemd, Haare zurückgebunden. „Klar war das ein Bruch in meinem Leben“, sagt er, überlegt kurz und widerspricht sich dann: „Nein: Mein Leben ist mein Leben.“
 Nach dem Aufenthalt in der Klinik in Murnau war er wiederholt in einer Reha in Pforzheim. Sie versprachen viel. Sogar, dass Querschnittsgelähmte wieder laufen könnten. Bei ihm passierte das nicht. Nach fast einem Jahr Reha beschloss er zu studieren: „Ich wollte nicht länger mein Leben damit verbringen, nach einem Ziel zu streben, dass ich vermutlich nie erreichen würde“, sagt er. „Es ist jetzt einfach so. Ich sitze im Rollstuhl. Mittlerweile ist das normal geworden.“

Er wohnt seit vier Jahren in München, hat gerade seinen Bachelor in Ethnologie gemacht. Jetzt hat er sich für einen Bachelorstudiengang Statistik angemeldet. Um ganz was anderes auszuprobieren, wie er sagt. Er engagiert sich viel, macht bei einem inklusiven Theaterprojekt an Mittelschulen mit und ist aktiv in dem Verein für Jugendaustausch, mit dem er selbst in Uganda war. Außerdem reist und schreibt er viel. Aber auch sein Projekt Gemeinwohlwohnen nimmt ziemlich viel Zeit in Anspruch. Allein zwei bis drei Tage pro Woche beschäftigt er sich ausschließlich mit dieser Idee.
 Seit Anfang 2016 arbeiten er und Alejandro an dem Konzept. Kernidee ist, dass Menschen mit Behinderung ihre Mitbewohner anstellen und mit ihrem Pflegegeld bezahlen. Dadurch haben Studierende und Flüchtlinge, die Arbeit suchen, die Möglichkeit, auf Minijob-Basis zu arbeiten. Außerdem können Flüchtlinge durch das Zusammenleben leichter Deutsch lernen – und durch eine Wohngemeinschaft werden die Mieten günstiger. Es ist ein Vorhaben, das für alle Vorteile schafft. Aber auch Bildungsarbeit soll es leisten und die dort gelebten Werte wie Toleranz und Inklusion sowie die Idee an sich an die Öffentlichkeit tragen. Daher hätten sie auch gerne einen Gemeinschaftsraum. Manchmal träumen sie sogar von einem Café.
 

Mittlerweile ist das Projekt gewachsen. Gemeinsam mit den Mitgliedern eines schon bestehenden Wohnprojekts haben Samuel und einige Freunde den Verein Zusammen-Leben gegründet. Dieser dient als Trägerorganisation. Jetzt suchen sie nach einer Wohnung, die groß genug für etwa acht Leute ist, halbwegs zentral liegt und dann gemeinsam barrierefrei umgebaut werden soll. Alle städtischen Ämter, mit denen Samuel gesprochen hat, seien begeistert von der Idee, sagte er, haben aber kein Haus zur Verfügung.
 Die Suche nach geeigneten Unterstützern ist nicht einfach: „Wir passen in keine Schublade“, sagt er. Die meisten Wohnprojekte mit Behinderten managen große Trägerorganisationen. Außerdem kommt die Hilfe meist von außen. Dass das Projekt autonom ist, ist Samuel sehr wichtig. Es geht nicht um Hilfe, sondern darum, selbstbestimmt und gleichberechtigt zusammenzuwohnen. Auch wenn das schwierig ist, wenn Geld und Wohnung fehlen.
 Probleme könnte es natürlich auch beim späteren Zusammenleben geben. „Aber es ist ein Projekt, das von den Problemen leben wird“, sagt Samuel, „man kann das nicht vorher planen. Es kann schiefgehen, aber es ist halt ein Prozess.“

Während Samuel erzählt, gestikuliert er viel. Seine Hände zeigen alles Mögliche in der Luft. Samuel kann begeistern.
Natürlich hat sich sein Leben verändert. Aber natürlich ist er immer noch derselbe Mensch, der dieselbe Begeisterung und dieselbe Organisationskraft ausstrahlt. Und auch seine Zukunftspläne haben sich nicht wirklich geändert. In Uganda hat er eine Liste mit Zukunftsideen angefangen. Und als er diese nach dem Unfall wieder durchgegangen ist, hat er gemerkt, dass er nichts streichen muss. „Das ,wie‘ verändert sich natürlich, aber es ist trotzdem möglich.“ So reist er trotzdem ständig durch die Gegend, denn „Reisen und Schreiben wird mich mein Leben lang begleiten“, sagt er. Also verbrachte er ein Semester in Kuba, machte eine Reise nach Indien und jetzt plant er schon seinen nächsten Trip. Zurück nach Uganda und Sansibar. Vor allem seine Freunde aus Uganda will er wiedersehen und sich sogar überlegen, dort vielleicht später mal eine Feldforschung zu machen. Auch in Sansibar will er an denselben Ort zurück. Will seine Retter von damals wiedertreffen. Will vielleicht sogar mit ihnen tauchen gehen. Denn das haben sie ihm damals versprochen: Es ist alles möglich, was sich ändert, ist nur das ‚wie‘.

Von: Mariam Chollet

Foto: Stephan Rumpf

Neuland: Schön, dass du da bist

Die beiden Münchner Studentinnen Laura Kieblspeck, 24, und Tamara Stangl, 23, haben ein Kinderbuch herausgebracht, das sich an Kinder aus Deutschland und Flüchtlinge im Grundschulalter richtet. 

In dem 20 Seiten dicken Buch „Schön dass du da bist, zusammen sind wir bunt“ erzählen sie die Geschichte des jungen Ali, der Deutschland entdeckt. Ali wird mit westlichen Besonderheiten konfrontiert. Ihn verwundert es etwa, dass Frauen in Deutschland im Bikini ins Schwimmbad gehen. Diese Verwunderung sei real: „Als ich geflüchteten Kindern aus einem Kinderbuch vorlas, haben alle beim Anblick der Frau im Schwimmbad verschämt geschmunzelt“, sagt Laura, die junge Flüchtlinge betreut und deshalb aufklären will. Laura und Tamara wollen den Kindern Frauenrechte, Meinungsfreiheit und Kinderrechte vermitteln. Wichtig war den beiden Studentinnen, das Thema Flucht zu vermeiden: „Das kann zu Retraumatisierungen führen“, sagt Laura. Die Themen werden im Buch mit vielen bunten Illustrationen und einfachen, kurzen Sätzen bearbeitet. Bislang existiert das Buch nur digital. Sollte sich Verleger finden, wollen sie es in Schulen und Einrichtungen für Flüchtlinge einsetzen.

Von: David-Pierce Brill