Band der Woche: LVNG

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Die Band The Living nennt sich jetzt LVNG und zieht ein eindeutiges Selbstbewusstsein aus der Wandlung. Am Samstag, den 14. April werden die Münchner mit einem Konzert im Strom ihre neue EP “Kimono” veröffentlichen.

Mit den Vokalen verschwand bei der Münchner Indie-Band The Living auch die Unschuld. LVNG  nennen sie sich jetzt und eigentlich ist das nun auch eine völlig andere Band als die liebliche Indie-Pop-Folk-Band, die sich die vergangenen drei Jahre unter dem ursprünglichen Namen eine Karriere erspielte, die wirkte, wie für eine deutsche Vorabendserie geschrieben: Zwei Geschwisterpaare plus ein Gitarrist aus dem Münchner Umland spielen seit Jugendtagen zusammen; wunderschön, liebenswert und ein bisschen spießig. Ja, aber diese Unbedarftheit ist wie gesagt mit den Vokalen verschwunden.

Jetzt ist man hip, am Puls der Zeit, der Vorstadt entflohen und hoffentlich im „Kosmopolitischen“ und in den „pulsierenden Großstädten“ angekommen, wie es der Pressetext zur neuen EP „Kimono“ verspricht. Auch wenn die Idee mit den fehlenden Vokalen schon ein bisschen älter ist. Das begann bei den Hip-Hoppern vor weit mehr als zehn Jahren, die Hipster folgten wenig später. Mit der Musik von LVNG ist da im Vergleich Spannenderes passiert. Denn die wurde von Musikern der einstigen Münchner Hochglanz-Pop-Hoffnung Claire produziert. Nun ist sie kaum wiederzuerkennen. Als hätte man die Songs, die früher von sanften Keyboards, einer Akustik-Gitarre und der schon damals beeindruckend souligen Stimme von Sänger Karlo Röding getragen wurde, völlig digitalisiert. Die Klangflächen pumpen sich in Dubstep-Manier voran, als hätten sie Schluckauf, Karlos Gesang ist fragmentiert darüber gesetzt und die Backgroundstimmen wurden mittels Autotune ordentlich robotisiert. Ja, als das anfing, dass man Vokale aus Bandnamen wegließ, befand sich der Gebrauch von Effekten wie Autotune oder Vocodern gerade an der Grenze vom billigen Mainstream-Popmittel zum subversiven Underground-Sound. Denn diese digitalen Stimmwandler klangen, vor allem, wenn man sie überdosierte, schlicht ultra geschmacklos. Man hatte noch Chers späten Neunzigerjahre-Hit „Believe“ im Ohr und noch nicht genug Distanz dazu, um diesen schon wieder cool zu finden, dass es wie die ultimative Auflehnung gegen das popkulturelle Establishment erschien, solche Klänge in Underground-Produktionen zu benutzen. Seit Längerem erlebt Autotune, spätestens seit dem derzeitigen Erfolg von Haiytis Album „Montenegro Zero“, wieder eine Renaissance im Mainstream.

Ein bisschen machen also die zu LVNG umgestylten The Living den Eindruck, als würden sie all diese ehemaligen Subkultur-Codes, die es in den Mainstream geschafft haben, an sich nehmen und zu einer hyper-hippen zeitgenössischen Popästhetik verquirlen wollen. Eine solche Herangehensweise ist nicht ganz ungefährlich, zumal LVNG damit ihr einstmals größtes Gut, ihre Natürlichkeit, mit der sie sich hartnäckig beibrachten immer bessere Songs zu schreiben, verabschieden. Denn man hört der Musik, die sie als vorerst nicht im Netz verfügbare, rein physikalischen EP am Samstag, 14. April, im Münchner Strom veröffentlichen, an, dass der Style wichtiger ist als alles andere. Doch die Band zieht ein eindeutiges Selbstbewusstsein aus ihrer Wandlung, auch wenn Musik und Stil weniger die Speerspitze als das derzeit Etablierte der Popmusik sind.

Foto: Andreas Strunz

Text: Rita Argauer

Neuland: Amélie Haidt // 23 Karat

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Amélie Haidt kennt man als Musikerin bereits aus Projekten wie SiEA oder MissMango. Im März wird sie mit ihrer neuen Band 

Amélie // 23 Karat  die EP 

„In Gold“ im Cord Club veröffentlichen.

Als Musikerin kennt man sie schon aus anderen Projekten, wie zum Beispiel SiEA oder MissMango. Mit ihren deutschsprachigen Kompositionen tritt Amélie Haidt aus München jetzt nun auch unter dem Namen Amélie // 23 Karat auf. Für das neue Projekt hat sie die Band 23 Karat neu formiert. Im Laufe des vergangenen Jahres ist in einem Studio in Hamburg eine EP mit dem Titel „In Gold“ entstanden. Teilweise hat Amélie die Gitarren- und Gesangsspuren live eingespielt. Normalerweise stellt sie die Kompositionen immer erst ihrer Band vor, erst dann wird etwas gemeinsam entwickelt. Dieses Mal jedoch wollte Amélie am Prozess eines jeden Instruments beteiligt sein. „Weil es mein Herzensprojekt ist“, sagt sie. Die Tracks auf der neuen EP handeln „von den 9000 Tagen meines bisherigen Lebens und was in dieser Zeit alles passieren kann. Von der Liebe zur Unvorhersehbarkeit und den Zweifeln die dadurch entstehen können“, sagt die Musikerin.
Die Texte der Songs sind wortgewandt und poetisch, begleitet von Amélies warmer Stimme. Am 28. März veröffentlicht sie mit ihrer Band die EP bei einem Konzert im Cord Club.  

Foto: Nikolas Fabian Kammerer

Text: Ornella Cosenza

Band der Woche: KLIMT

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Am 23. März stellt KLIMT ihre neue Platte im Lost Weekend vor. Goldtupfer, grafischer Schmuck und fließende Kleider verwandeln die Musikerin Verena Lederer in eine Kunstfigur. Auf ihrem Debüt-Album 

„Dear Sirens“ taucht der Hörer in eine Welt ein, 

die von der morbiden Eleganz Wiens zu Zeiten des Fin de Siècle geprägt ist.

In der Zusammenarbeit von Andy Warhol mit Velvet Underground hat sich wohl zum ersten Mal das gezeigt, was sich später Art-Pop nannte; also Pop-Musik, die um diesen gewissen Grad künstlicher ist und inszenierter ist, als das etwa bei Rockmusik der Fall ist. Klar, man darf das nicht unterschätzen: Die Rockgesten, die Haarspray-Frisuren, die zerrissenen Punk-Hosen und all der Weltschmerz sind ebenfalls eine große Inszenierung, ein Markenzeichen und eine Bühnenschau. Doch der Unterschied liegt in der Haltung der Künstler dazu: Denn selbst die von Vivienne Westwood durchgestylten Sex Pistols kamen mit der Einstellung auf die Bühne, hier authentisch den Umsturz zu fordern. Oder die eigene Großartigkeit zu besingen (etwa im Fall von Guns ’n’ Roses) oder sich im eigenen Schmerz zu weiden (im Fall von Nirvana). Authentizität wird hier – trotz aller Inszenierung – hochgehalten. Bei Velvet Underground war das anders. Aber aktuell bei Björk etwa auch: Natürlich verhandeln diese Musiker auch Themen, die sie persönlich betreffen. Aber sie borgen sich die Haltung der Bildenden Künstler dafür: Auf der einen Seite das Kunstwerk, auf der anderen der Künstler – und dazwischen ist ein Unterschied, was aber nicht heißt, dass Kunstwerk und Künstlerpersönlichkeit nicht verbunden wären.

Die Münchner Musikerin Verena Lederer alias Klimt  hat sich einen wesentlich älteren Bildenden Künstler als ästhetischen Überbau gesucht: Gustav Klimt. Dessen weiblichen Jugendstil-Wesen, die mystisch und gleichsam real sind, die keusch und gleichsam sexy wirken, dienen Verena allein äußerlich als Vorbild. Ihre Corporate Identity ist durchgeplant, fließende Kleider, Goldtupfer und grafischer Schmuck, all das verwandelt sie als Musikerin in eine Kunstfigur. Und die lädt die Hörer auf ihrem Debüt-Album „Dear Sirens“ in eine Welt ein, die von der morbiden Eleganz Wiens zu Zeiten des Fin de Siècle geprägt ist. Doch wer da Salonwalzer-Klänge oder dergleichen erwartet, wird enttäuscht. Denn Verena ist klug genug, diese äußere Haltung auf ganz und gar zeitgenössische Musik zu transferieren.

Zusammen mit Markus Sebastian Harbauer, der auch Bass bei Exclusive spielt, hat Verena ein Album produziert, dem ihre Wurzeln als Songwriterin kaum noch anzuhören sind. Denn hier wird eigenständige Musik auf einem Niveau produziert, das eher an Feist als an Silbermond denken lässt. Klanglandschaften, Soundscapes, elektronisches Geblubber und alte Synthesizer dominieren die musikalische Ästhetik. Darauf arbeitet Verena mit ihrer Stimme ebenso experimentell: Mal klingt sie nur wie ein vorbeiziehender Hauch. Mal überträgt sie den Inhalt ihrer Texte auf die Komposition, wie etwa in „My only enemy“. Hier erklärt sie sich selbst zu ihrem einzigen Feind, dementsprechend doppelt sie ihre Stimme im Song, hier singen zwei Verenas gegeneinander an, nur um sich im zweiten Teil des Liedes zu neuer Kraft zu vereinigen. 

Solche Tricks sind schon ziemlich klug und graben tief. Die Musik, die auf den ersten Blick eben oberflächlich sehr durchgestylt wirkt, zwirbelt sich mit innerer Logik auf tieferen Ebenen fort. Was dabei herauskommt, ist dann alles eher dunkel, eher ein bisschen morbid und handelt von Ängsten und Zwängen. Und trotzdem trägt das eine entrückte Eleganz in sich. Wie eben auch Gustav Klimts Bilder, etwa dessen schillernde Judith mit dem Kopf von Holofernes, der aber völlig unwichtig am Bildrand klebt. Ein halbes Jahr haben Verena und Markus im Studio an den acht Songs gearbeitet. Das ist keine dahingeworfene Produktion. Die Künstler wollen mehr mit dieser Platte, die am Freitag, 23. März, mit einer Party im Münchner Lost Weekend vorgestellt wird.

Foto: Sophie Wanninger
Text: Rita Argauer

EP-Kritik: “Up the ante” von Inside Golden

München scheint dem Blues verfallen. Nach Jesper Munk und The Whiskey Foundation schicken sich nun auch Inside Golden an, mit ihrem Debüt “Up the ante” gute Gitarrenmusik unter’s Volk zu bringen.

Viele Medien sprechen in letzter Zeit gerne von einer Art neuen „Blues“-Bewegung, die sich in München entwickelt. Immerhin hat die Stadt mit Jesper Munk einen Künstler hervorgebracht, der nicht nur in der Szene als Sensation gefeiert wird, sondern auch Deutschland weit Erfolge aufweist. Gleichzeitig gibt es mit Bands wie den Black Submarines oder The Whiskey Foundation eine Reihe von sehr fähigen Gattungsvertretern.
Auch die Musiker von Inside Golden, die übrigens früher größtenteils mit besagtem Jesper Munk in einer Band gespielt haben, schlagen in dieselbe Kerbe: auf ihrer ersten EP „Up the ante“ zeigen sie, wieso sie dem eben etablierten Genre-Standard in nichts nachstehen. Eine Spur rockiger als etwa von Jesper Munk gewohnt setzen die sechs Lieder jeweils ganz eigene Schwerpunkte, von treibend-intensiv wie der Opener „My Muse“, über melancholisch in „Letting Go“ bis hin zum ruhig und gefühlvoll in „Velvet Smoke“.
Trotz vieler Zitate und bekannter Klänge, entwickeln die Musiker auf der kurzen Platte einen eigenen Sound. Ein Sound, der zum Zuhören einlädt und das emotionale des Blues ebenso transportiert, wie der der anderen Vertreter des „Münchner Blues“. Ein sehr gelungenes Debüt.

Text: Phillipp Kreiter

EP-Kritik: Liann – Goldjunge

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Lianns neue EP “Goldjunge” hat das Zeug dazu, Vorbild für eine neue Generation deutscher Singer/Songwriter sein – mithilfe von klugen, nachdenklichen und vor allem sehr ehrlichen Texten.

Die Zeiten für junge Singer/Songwriter sind bei Leibe nicht
einfach momentan – zumindest nicht aus einer künstlerischen Perspektive. Hat
doch Jan Böhmermann in einer genialen Persiflage all das
menschenlebentanzenwelthafte der deutschen Popmusikszene seziert, durchgespielt
und beendet. Wie kann man da jetzt künstlerische Akzente setzen, ja ernst
genommen werden? Schön singen allein reicht nicht, denn das können sie ja alle,
die sie nur mal kurz die Welt retten wollen oder nur einer von achtzig
Millionen sind.

Vielleicht führt der Weg zurück ins Kleine, ins Private, ins Autobiografische? Zumindest zeigt die kürzlich erschienene zweite EP „Goldjunge“
des Münchner Singer/Songwriters Kilian Unger alias Liann, wie man es richtig
machen könnte. Nur mit einer Gitarre,
reduzierter Begleitung und einer fantastisch-sanften Stimme gelingt Liann das,
was viel von der aktuellen Chartmusik nicht gelingt: echt und glaubhaft Gefühle
auszudrücken und zu erzeugen. Die Platte
beginnt unaufgeregt mit dem Titel Memoiren,
einer kleinen Abhandlung über das Erwachsenwerden, Erwartungsdruck und das
Scheitern, „auf einmal volljährig, aber meistens nur voll“. Auch Chicago – szenisch, der Rauch von
Feuerwerkskörpern, die ein vergangenes Spektakel nur erahnen lassen und der
Kater setzt schon ein – bremst das Tempo der heutigen Zeit, lässt Wehmut und
Fernweh verschmelzen, ein bisschen „Ich war noch niemals in New York“, ein
bisschen „Don’t look back in Anger“. Und in Felix
stirbt die Hoffnung nicht zuletzt, nein, die „Hoffnung tut noch weh“. Natürlich geht es um Liebe, natürlich ist der Protagonist noch betrunken oder
schon verkatert – so sicher kann man sich da bei Liann nie sein. Im titelgebenden Goldjunge erzählt er eine Geschichte, die auch die Rapcombo K.I.Z.
regelmäßig erzählt, naturgemäß mit deutlich drastischeren Worten. Liann schafft
es dabei ganz subtil, vorsichtig Emotionen zu wecken, doch mehr zwischen den Zeilen
oder durch die Musik. Die Fäden der EP laufen schließlich in Peter Pan zusammen, erwachsen obwohl man
das nie wollte – „halb noch ein Kind, halb Veteran“.

Und so hinterlässt einen die viel zu kurze Platte
melancholisch, nachdenklich, irgendwie berührt. Vielleicht ist das tatsächlich
die Lösung für die deutsche Popmusik, nicht die großen, allumfassenden Topoi
aufgreifen, sondern die eigenen Geschichten erzählen und dabei echt bleiben –
auch wenn es sich dann als Fehlalarm herausstellt.

Text: Philipp Kreiter

Foto: Victoria Schmidt

EP-Kritik: Die Sauna – Elektra

Düster, verletzlich, aber temporeich – Die Sauna schaffen es auf Elektra einen ganz eigenen Sound zu entwickeln.

Tochter des Agamemnon, Protagonistin von Komödien von
Sophokles oder Euripides, Namensgeberin einer Oper von Richard Strauss und
dramatische Figur in einem Werk von Jean-Paul Sartre – Elektra hat die
Jahrtausende als Titelfigur verschiedenster Werke überdauert. Es ist nur
konsequent, dass einer von Münchens momentan größten Hypes ihre erste EP auch
so tauft. Denn der Aufruhr um die sechs Jungs von „Die Sauna“ ist schon
beachtlich. Seit ihrem Bestehen haben sie eine ganze Reihe von großen
Auftritten hingelegt, auch auf dem Sound of Munich Now im November, ohne auch
nur ein einziges Lied veröffentlicht zu haben. Wie schlägt sich die erste
Platte jetzt nun?

Man konnte durchaus die Befürchtung haben, dass da eben noch
eine Band kommt, die eben deutsche Musik mit halbwegs klugen Texten mischt,
soweit, so Kraftklub eben. Aber Die Sauna
schaffen es auf Elektra einen
ganz eigenen Sound zu entwickeln. Düster, verletzlich, aber temporeich gibt „Du
gehst unter zwischen Worten“ direkt einmal eine Richtung vor. Und auch
„Isolation“ spinnt das Leitmotiv weiter, Trennung, Einsamkeit, irgendwie der
Einschlag eines Falco’esken Jeanny-Elements in allen Songs. Im Refrain schafft
es Sänger Matthias Berg recht souverän Tonfolgen zu erreichen, die man sonst
eher von jemandem wie Andrew Stockdale kennt. Und der fiebrige Titelsong setzt
den Eindruck nahtlos fort, mit dem gemurmelten „Du gehört zu mir. Ich will nur
dein Leben kontrollieren.“  Zum Schluss
dann noch ein kleiner Bruch, „Auf dich“ ist deutlich schneller und lebhafter
und hat mehr von den ersten Sauna-Auftritten, zeigt aber auch die
Vielseitigkeit der Musiker. Der erste Schritt ist gemacht mit der EP, jetzt
wird es spannend zu sehen sein, wohin die Sauna sich noch entwickeln wird.

Text: Philipp Kreiter