Band der Woche: Jordan Prince

Der Songwriter Jordan Prince hat für seine Liebe die USA verlassen und macht seit einem Jahr  in München

Musik. Seine im Juli veröffentlichte EP geht über normalen US-Gitarren-Folk hinaus und klingt  wie Science-Fiction. 

Die Welt, die einerseits immer mehr zusammenrückt (sich in die andere Richtung natürlich auch entfremdet), birgt noch mehr als politische Wirren und ökonomische Ungleichgewichte. Es entstehen auch ungewöhnliche Liebesgeschichten daraus – und letztendlich auch neue Musik. Schon vor einigen Jahren etwa spülte es den US-Amerikaner Gabriel Miller Phillips nach München – der Liebe wegen. Eine ernsthafte Beziehung über die Distanz München-New York zu führen, ist auf Dauer ein recht schwieriges Unterfangen. Es entstanden aber sehnsüchtige Songs dabei, die Gabriel mit zarter Stimme gleich mit nach München brachte. Nicht nur die Liebesgeschichte verbindet Gabriel Miller Phillips nun mit Jordan Prince, auch musikalisch entstehen da durchaus Parallelen – auch wenn man der Musik von Jordan anhört, dass sie ein bisschen später geschrieben wurde als die von Gabriel.

Jordan Prince ist auch Songwriter, er ist auch US-Amerikaner und er kam auch der Liebe wegen nach München. Ursprünglich stammt er aus der kleinen Stadt Corinth in Mississippi, seine deutsche Freundin lernte er dann an der Filmhochschule in New Orleans kennen, sie führten eine Fernbeziehung. Im vergangenen August entschied sich Jordan dann dazu, nach Deutschland zu ziehen: Er habe alles verkauft, was er in den Staaten hatte, brach die Zelte ab und lebt nun seit einem Jahr in München. Seine Musik klingt trotzdem noch sehr amerikanisch. Man hört den Songs an, dass sie in ganz klassischer Songwriter-Manier auf der Akustik-Gitarre komponiert wurden: Feine Gitarren-Pickings, sehnsüchtige Melodien und eine ebenso zarte Stimme wie Gabriel Miller Phillips, die Jordan auch gerne mal in die Falsett-Nähe schrabben lässt. Doch seine aktuelle EP, die er im Juli 2016 veröffentlicht hat , geht dennoch über das Prinzip US-Gitarren-Folk hinaus. Denn darauf ist, ganz titelgemäß, eine Band zu hören. Und die haucht der Musik andere Farben ein, da erklingen schräg-spacige Synthesizer oder dünne Flötentöne. Ein wenig Science-Fiction ist das, im ausgesprochen schönsinnigen, mehrstimmigen Folk-Gewand. 

Diese EP hat er noch in den USA aufgenommen, im Juli 2015, kurz bevor er nach Deutschland zog. In München hat er dann die örtliche Musik-Szene erst einmal aus der typischen Singer-Songwriter-Perspektive kennengelernt. Er trat bei den üblichen Open-Stage-Sessions auf, lernte aber auch die alternative Szene um das Import-Export oder die Hauskonzerte kennen. Und allmählich kannte er die Szene, er freundete sich mit Bands wie den Young Chinese Dogs an, die ihn gleich als Support mit auf ein Konzert nahmen, oder trat in Kontakt mit Xavier Darcy.

Ganz hingerissen ist er von der Münchner Szene, in der sich so viele Musiker so stark für ihre Kunst einsetzen würden. Das gefällt ihm, denn auch sein Hauptfokus liegt auf seiner Musik, zum Geldverdienen jobbt er nebenbei. Im Herbst wird er nun die Musikerszene in ganz Deutschland kennenlernen. Als Release-Tour zu seiner EP hat er sich eine ganz beachtliche Liste an Städten zusammen gebucht, wird etwa in Innsbruck, Berlin und Frankfurt auftreten. Und dazu gibt es noch eine Besonderheit: Denn zu dieser Tour begleitet ihn die Keyboarderin Violeta Del Rio, die dafür extra eingeflogen kommt, und die auf seiner EP maßgeblich für den Science-Fiction-Touch verantwortlich ist. Gleichzeitig arbeitet er an seinem ersten Album. Und weil die Sehnsucht und die Menschen in der Fremde eben einen starker Motor für die Kunst sind, wird das ein Konzeptalbum: Jeder der zwölf geplanten Songs wird sich um eine einzelne, wichtige Person drehen, deren Bekanntschaft Jordans Leben verändert hat. Seine Freundin wird mit Sicherheit auch vorkommen.  

Stil: Folk / Songwriter / Neo-Folk
Besetzung: Jordon Prince (Songwriting, Gitarre, Gesang), wechselnde Bandmitglieder
Aus: New Orleans / München
Seit: 2005
Internet: www.jordanprince.bandcamp.com

Von: Rita Argauer

Foto: Peter Ross

Allein, allein auf der Erfolgsspur

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Nick Yume, 20, veröffentlicht am Freitag seine erste Single bei Sony. Sein Ziel: die großen Bühnen. Bis dahin spielt er auch intime Shows – so auch auf Einladung der SZ-Junge-Leute-Seite in einer WG in Obergiesing.

 
Wenn es nach dieser Party am Samstagabend geht, ist die Trendfarbe des Sommers definitiv Pink. Pinke Luftballons und Girlanden hängen an den Wänden, die Tisch-Deko leuchtet in Neonfarben. Die Gastgeberinnen Laura Holder, 23, und Sara Laalou, 24, haben sich für diesen Abend extra die Haare pink gefärbt. Auf dem Regal thront Juan, eine flamingoförmige Lampe, das Maskottchen der Party in Obergiesing. Das Motto des WG-Konzerts mit Nick Yume, das die Junge-Leute-Seite der SZ verlost hat: Flamingo, natürlich! Um die aufwendige Deko hat sich Laura gekümmert, die Design-Management studiert. Die ersten Gäste trudeln ein und schlürfen selbstgemachte Fruchtbowle durch Flamingo-Strohhalme. Einige haben das Motto sehr erst genommen und ihre knalligsten Outfits hervorgekramt: pinke Blumenkränze, Flamingo-Prints und Glitzer im Gesicht. 

Nichts für Nick Yume, 20. Der Münchner Sänger trägt graues Hemd und schwarze Jeans. Die Hosenbeine hochgekrempelt und barfuß sitzt er auf dem Balkon (der auch rosa dekoriert ist). Ohne Bowle. „Ich trinke nie. Na ja, während des Auftritts vielleicht mal ein Wasser. Aber bitte nicht mit Sprudel, da bekomme ich sofort Schluckauf.“ Star-Allüren sehen anders aus.
 Vor zwei Wochen hat Nick Yume eine digitale EP mit drei Tracks veröffentlicht. Drei ganz unterschiedliche Songs, wie Nick sagt. Den verträumten Song „Lullaby“ habe er etwa schon mit 16 Jahren geschrieben. In „Prison“ beschreibt er, wie er für die Uni lernen muss, aber lieber Musik mache: „My mind is prisoned, but I don’t mind“, heißt es im Song, ein Gefangener, den das aber wenig interessiert. Kommenden Freitag erscheint bei der Plattenfirma Sony seine erste Single – ein Remake eines Songs von Polarkreis 18.

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Wie kam es zu dem Deal mit dem Major-Label? Nick hatte an einem Songwriter-Camp in Köln teilgenommen. Dort sollten alte Titel neuaufgelegt werden. „Sony fand das ganz gut“, sagt Nick. Tausende Klicks bei Youtube, Mini-Platte, Sony-Platte, Nicks Karriere entwickelt sich rasant weiter, eine Erfolgsgeschichte.
 

Die Badewanne in der WG in Obergiesing ist bis oben hin voll mit Bier, die kleine Küchenecke ist zur Bar umfunktioniert worden. Auf dem Tisch steht ein Buffet aus liebevoll zubereiteten Häppchen: Tomatenspieße, Käsestulle, Muffins mit rosa Zuckerguss. Um 22 Uhr geht es los. Nick hat seinen Bandkollegen Keno Peer mit dabei. Er kümmert sich um die Backing-Tracks. „Wir dachten, eine ganze Band mit Schlagzeug und Co macht hier vielleicht wenig Sinn“, sagt Nick. Etwa 25 Gäste haben sich im Wohnzimmer versammelt, auf der riesigen Sofaecke ist schon lange kein Platz mehr. Die Hälfte der Gäste hat es sich auf dem Boden bequem gemacht. Mittendrin – eine Box und Nick am Mikro. Draußen schüttet es mittlerweile wie aus Eimern. Drinnen ist es gemütlich. Als Nicks warme Stimme und ein pulsierender Bass den Raum erfüllt, will sowieso keiner mehr woanders sein.
 

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Bislang ist nur die erste Single bei Sony sicher. Und wenn die Anfrage für ein Plattenvertrag kommt? „Nein wird man nicht sagen“, antwortet Nick. „Man“ steht für Nick, aber das würde er nie direkt sagen. Wer mit Nick spricht, erlebt einen überlegten und ehrlichen Musiker, der mit 20 Jahren überraschend aufgeräumt wirkt. Er sucht nach den richtigen Worten, überlegt, bevor er spricht, antwortet strukturiert. Ehrgeiz spürt man nicht – dieses Gefühl kenne er nur beim Song-Schreiben. „Wenn ich einen Sound im Kopf habe, treibe ich gern weg“, sagt Yume, er sei dann „verträumt“. Daher auch sein Künstlername. Nick Yume heißt bürgerlich Nick Gnan. „Yume“ ist das japanische Wort für Traum.
 

Seine Ziele? „Losspielen und Spaß haben“, sagt der 20-Jährige. Am Freitagabend musste er zunächst passen. Sein Auftritt beim Stadt-Land-Rock-Festival wurde wegen des Amoklaufs im OEZ abgesagt.
„Wenn die Chance kommt, gebe ich 100 Prozent“, sagt Nick. Und wenn nicht? Im September beginnt er seine Master-Studium in London: „In London als Vorband für einen großen Musiker zu spielen, wäre ein persönlicher Erfolg“, sagt Nick. Und dann? „Weiter“, sagt er.

Vor den großen Bühnen spielt er aber erst einmal die kleinen Shows. Im Wohnzimmer einer WG. „Ich liebe dieses Homie-Feeling“, sagt Nick. „Ich habe schon mit fast jedem kurz gequatscht und habe das Gefühl, alle schon zu kennen.“ Mitten im Konzert klingelt es. Die Nachbarn. Ob es jetzt Ärgern gibt? „Unser Vermieter hat gesagt: Wir dürfen so laut sein, wie wir wollen,“ sagt Laura. Zwei erstaunte Gesichter kucken in die Wohnzimmertür. „Wir dachten, die Musik kommt aus dem Fernseher.“ Mit großen Augen bemerken sie den Live-Act mitten im Zimmer. Natürlich bleiben sie und feiern mit. Nach einer halben Stunde Konzert ist die Stimmung bestens, spätestens nach Nicks Coverversion von Polarkreis 18s „Allein, Allein“ summen alle mit. „Es war der Hammer“, sagt Sara erfreut. Weder sie noch ihre Mitbewohnerin kannten den britisch-stämmigen Sänger vor dem Konzert. „Kannst du nicht einfach noch mal von vorne anfangen?“, rufen die Mädels aus dem Publikum. Drei Zugaben sind drin, dem Flamingo Juan gewidmet, der über Nicks Kopf wacht.
Für Nick ist das Konzert hier eh noch nicht zu Ende: Die Hälfte der Partygäste wollen an diesem Montag zum Free & Easy-Festival kommen, wo er mit Band auftritt.

Von: Verena Lederer, David-Pierce Brill

Fotos: Laura Holder

Band der Woche: The Living

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Statt mit Künstlichkeit überzeugt die Band The Living mit Bodenständigkeit und das Konzept geht auf: Die Band hat gerade ihre zweite EP veröffentlicht und war schon als Vorband von internationalen Bands wie Augustines und Steaming Satellites zu sehen.

Die Zeiten, in denen Bands mit Bodenständigkeit punkten konnten, sind lange vorbei. Das letzte Mal hat das wohl Mitte der Neunzigerjahre funktioniert, als hymnische Gitarren-Songs geschrieben wurden, in denen der Angebeteten ein „Breakfast at Tiffany’s“ in Anspielung auf Film und Romantik vorgeschlagen werden konnte und Gitarren, Schlagzeug und Bass dazu ein wohlgeformtes, treibendes und vor allem nicht irritierendes Bett darunter legten. Derartige Volksnähe ist heute in der Popmusik nicht mehr gefragt. Die ganz Großen im Geschäft müssen derzeit möglichst entfremdet vom Normalbürger sein, über Identifikation läuft da nichts mehr, spätestens seit Muse im Rock-Bereich und Lady Gaga im allgemeinen Pop wird eine Art Alien-Ästhetik verlangt vom angehenden Popstar.

Umso erstaunlicher ist der Erfolg, den sich die Band The Living  gerade erspielt. Denn das Quintett tritt als Inbegriff der netten Menschen von nebenan auf, die rein zufällig auch ein bisschen Gitarre spielen können. Regelrecht spießig mutet diese Haltung an, unter all den Pop-Hipstern, die die zeitgenössische Ästhetik gerade sondergleichen prägen. Doch The Living schauen aus, als wären sie einer deutschen Vorabendserie entsprungen, und machen wunderbar bodenständige Musik, die nach allen Regeln der Kunst komponiert ist. Exzentrik, Weltentfremdung oder Künstlichkeit geht ihr jedoch völlig ab. Aber vielleicht läutete David Bowies Tod auch ein Ende der Rollenspielerei im Pop ein. All die Rihannas und Madonnas und ihre vielen Verkleidungen wirken wie künstliche Pop-Androiden, The Living treten mit Schülerband-Charme im Gegenzug als das vermeintlich Echte auf. Und das in Bayern schon mit einigem Erfolg. So haben sie etwa den Sprungbrett-Wettbewerb des Feierwerks gewonnen, spielten ein Konzert beim Theatron-Musiksommer im Olympiapark und werden nun auch von der bayerischen Popmusik-Unterstützung By-On gefördert, nachdem sie schon ein paar Support-Gigs für mehr oder weniger bekannte internationale Bands gespielt hatten. Etwa die Augustines aus den USA oder die Steaming Satellites aus Österreich.

Nun haben sie gerade, am vergangenen Freitag, ihre zweite EP in der Kranhalle in München vorgestellt. „Open Stories“ heißt die. Und thematisch knüpft sie an ihr erstes Mini-Album an, das sie kurz nach dem Sprungbrett-Erfolg im August 2014 veröffentlichten. Das hieß noch „Words Unsaid“, da ging es um all das Nicht-Sagbare und Unaussprechliche, dessen Platzhalter die Musik gerade für Pubertierende generell so wunderbar werden kann. „Open Stories“ erscheint quasi als gereifte Variante dessen, The Living, die schon als Pubertäre etwas brav und erwachsen wirkten, sind nun richtig erwachsen geworden. Und so klingen auch die Songs: Der etwas psychedelische Einschlag, der bei der Band zu Beginn noch in ausufernden Steigerungs-Passagen durchblitzte, ist verschwunden. Die Melodien und Gesänge von Frontmann Karlo Röding sind in Lehrbuch-Arrangements eingebettet.

Doch die Liste ihrer bisherigen Konzerte liest sich gut, gerade waren sie zweieinhalb Wochen am Stück auf Tour und demnächst stehen Auftritte auf dem renommierten Modular-Festival in Augsburg oder beim Sommerfest des Muffatwerks in München an. Das Interesse an Live-Auftritten der Band mag auch daran liegen, dass The Living im Live-Konzert noch einmal eine ganz andere Kraft entwickeln. Da wird der Sound plötzlich dichter, da vermittelt die Musik plötzlich eine Ahnung von Überwältigung, da zeigt sich plötzlich der Glanz einer Euphorie, die in den doch etwas steril klingenden Aufnahmen bisher versteckt geblieben ist. 

Stil: Pop / Rock
Besetzung: Katrin Röding (Schlagzeug, Background-Gesang), Katharina Würzberg (Keyboard, Klavier, Synthesizer), Simon Holzinger (Gitarre, Background-Gesang), Johannes Würzberg (Bass), Karlo Röding (Gesang, Gitarre)
Aus: München/Erding
Seit: 2013
Internet: www.facebook.com/TheLivingOfficial

Foto: Sebastian Resch

Von: Rita Argauer

Neuland: Blue Haze

Die David Lynch-Liebhaber Rosa Kammermeier und Julian Riegl treten seit Neuestem gemeinsam als Blue Haze auf. Kennen dürften sie die meisten schon als Mitglieder der Bands Lilit and the Men in Grey und Kafkas Orient Bazaar. Mit Blue Haze gehen sie nun in Richtung düsterer Elektro-Pop und experimentellem Rock.

Bei David Lynch denkt man vermutlich an erster Stelle an „Mullholland Drive“ oder „Lost Highway“. Dass der US-amerikanische Kult-Regisseur jedoch auch selbst Musik schreibt und singt und spielt, ist nur besonderen Liebhabern bekannt. Rosa Kammermeier und Julian Riegl, beide Mitte 20, stellten fest, dass sie beide solche Liebhaber sind, und ließen sich von David Lynchs düsterem Elektro-Pop mit experimentellen Rock-Einflüssen inspirieren.

Die Musiker, die normalerweise in den Bands Lilit and the Men in Grey und Kafkas Orient Bazaar zu hören sind, haben sich vor ungefähr einem Jahr zusammengetan, um in Julians Zimmer einige Songs aufzunehmen. Nach nur vier Monaten gibt es mit „Moon“ nun schon die erste EP zu hören. Rosa und Julian nennen sich Blue Haze und arbeiten derzeit an ihrem ersten Live-Set. Am 25. April werden sie als Support von Radiation City im Ampere zu hören sein. Ein Termin für eine Release-Party ihrer EP steht allerdings noch nicht fest. Das geplante Musikvideo „sollte schon etwas Ausgefallenes sein“, sagt Julian – auch hier ganz in David-Lynch-Manier.  

Foto: Sophie Wanninger

Von: Theresa Parstorfer

The King of Cons X Lil’ L – neue EP Change

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Etwas Neues, nie zuvor Dagewesenes schaffen – für viele Künstler der Schlüssel zum Glück. Auch die beiden Musiker The King of Cons und Lil’ L haben diesen Schritt gewagt und wollen mit der Musikrichtung Munich Soul, wie sie es selbst nennen, und ihrer EP Change eine Stil-Lücke in der Münchner Musiklandschaft schließen.

Rastlosigkeit ist eine Eigenschaft, die viele Musiker verbindet. Sie sind scheinbar nie zufrieden. Immer auf der Suche nach neuen Sounds und Klängen – einer neuen Herausforderung. Etwas Neues schaffen. Für etwas ein Publikum finden, das vorher noch nie so dagewesen ist. Für Musikschöpfer scheint das der Schlüssel zum Glück zu sein. Dafür erfinden sie sich auch gerne mal komplett neu.
Franko von Lankeren alias The King of Cons hat in diesem Zusammenhang mit seiner neuen EP nahezu eine 180 Grad Wendung hingelegt und dem bodenständigen Klang aus roher Akustikgitarre und Mundharmonika den Rücken zugekehrt. Auf seiner neuen Veröffentlichung Change, die er zusammen mit seinem Freund Lennart Stolpmann, a.k.a. Lil’ L, produziert hat, singt er mit Kopfstimme zu Synthesizer-Flächen untermalt von R’n’B-Drum-Pad-Beats. Ein Stückchen vom Singer-Songwriter-Dasein ist dank gezupfter E-Gitarre und dem klassischen Aufbau der Songs jedoch geblieben. Es entstehen fünf in sich sehr stimmige, poppige, etwas sphärische Tracks, die mit viel Liebe zum Detail produziert wurden. Verfremdete und gedoppelte Stimmen, Soundschnipsel von Stadtgeräuschen, perfekt harmonierende Synthesizer-Klänge. Die Falsett-Stimme Frankos hat zum Teil etwas leicht Kitschiges – ergibt aber im Zusammenklang mit den Trap-Beats und den erschaffenen Soundwelten auf wundersame Weise wieder vollkommen Sinn.
The King of Cons X Lil’ L, wie sich die beiden Musiker in ihrer Zusammenarbeit bezeichnen, wollen mit ihrem selbst betitelten Munich Soul eine Stil-Lücke in Münchens Musiklandschaft schließen und machen mit ihrer EP Change den ersten Schritt in die richtige Richtung. 

Die EP erscheint heute, Freitag den 26.02.2016.

Von: Katharina Würzberg

Foto: Christoph Philadelphia

Debüt-EP „On the Run“ von den Kytes

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Achtung, da sind Profis am Werk! – Die Debüt – EP “On The Run” der Kytes besticht mit abwechslungsreichem und großartigem Indie-Sound. Unter explosive, tanzbare und funkige Beats mischen sich auch nachdenklichere Songs, wie beispielsweise “Future Kids”! Ein Muss für jeden Indie-Liebhaber.

Ein unbescholtener Zuhörer wäre wohl überrascht – wenn man die Debüt-EP „On the Run“ von den Kytes anhört, erweckt diese nicht gerade den Eindruck, eine Debüt-EP zu sein. Zu professionell ist die Produktion, zu souverän das Arrangement, ja, einfach zu gut die Musik. Das hat natürlich alles seinen Grund: Kytes existierten bereits vorher unter dem Namen Blind Freddy, machten auch damals schon verhältnismäßig erfolgreich Musik. Aber „Kytes“ ist jetzt eine neue, professionellere und stringente Ebene und das merkt man der Debüt-EP von vorne bis hinten an.

Bereits die im Voraus veröffentlichte Single-Auskoppelung „Inner Cinema“ bestach mit einer Professionalität, die sich von handelsüblichen Indierock abhob. Nach drei Takten fängt man unwillkürlich an, sich irgendwie rhythmisch zur Musik zu bewegen – und sei es nur durch ein unauffälliges Fußwippen. Zusammen mit dem titelgebenden Song „On the Run“ bildet „Inner Cinema“ einen explosiven Rahmen um die zwei ruhigeren Lieder „Two Of Us“ und „Future Kids“ und das angenehm retro-fröhliche „Weekend Princes“. Überhaupt die Anklänge und Musikelemente aus anderen Stilen! „Two of Us“ beginnt überraschend funkig und hält diesen Beat das ganze Lied lang aufrecht und auch das nachdenklichere „Future Kids“ mit seinem Wechsel aus schnellen und ruhigen Passagen wäre bestimmt absolut tanzbar. Dieses Prädikat gilt sowieso für die ganze EP, es wäre nicht verwunderlich wenn Kytes mit dieser EP zum Liebling aller Indie-DJs würden – wenn sie es nicht schon sind.

Text: Philip Kreiter
Foto: Christoph Schaller

Band der Woche: State Zero

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Die Münchner Band State Zero spielt noch mit genug Schweiß und Dreck, um nicht in die kitschige Gitarrenband-Schublade zu rutschen. Sie werfen den Hörer in die Zeit des Skate-Punks zurück.

Man kann Gitarrenbands in zwei Kategorien unterteilen: auf der einen Seite die Leidenden, und auf der anderen Seite die, die sich durch Gitarre, Verzerrer und Verstärker stark fühlen. Und diese zwei Herangehensweisen ziehen sich durch die Musikgeschichte: Bob Dylan leidet, Angus Young ist trotz Schuljungen-Uniform kraftstrozend. Robert Smith von The Cure lamentiert, während sich James Hatfield in seiner Potenz suhlt. In den späten Neunzigerjahren geht diese Klammer dann wohl zwischen den Grungern als Weltschmerzvertreter und der Hardcore-Bewegung als Polit-Aktivisten auf. Doch seit der Jahrtausendwende musste die Potenz-Seite ganz schön einstecken. Außer in kleinen Nischen wird das Saiteninstrument im Indie zum Ausdruck für das eigene Leid benutzt oder schlicht, um damit erfolgreich zu werden. Und wenn es um Erfolg geht, dann darf keine der beiden Seiten zu sehr bedient werden, da muss das Zünglein schön in der Mitte bleiben, denn zu extrem darf Musik nicht sein, wenn sie für den Mainstream geschrieben wird.

Doch in München sammelt sich gerade eine kleine Gruppe von Bands und Musikern, die die Potenz-Seite neu erkunden und damit sogar ein wenig Erfolg haben. Das bekannteste Beispiel sind wohl Marathonmann, die eine seltsame Mischung aus Pop und Hardcore spielen und damit deutschlandweit bekannt werden. Oder die Sandlot Kids, die zwar um eine ganze Ecke alternativer sind als Marathonmann, aber dennoch die Gitarre als Kraftprotz benutzen.

Das Quartett State Zero (Foto: Jonathan Göres) ist da irgendwo in der Mitte zwischen den beiden. Wenn man die Musik der Münchner Band anhört, hat man ein bisschen das Gefühl, in der Zeit zurückgeworfen zu sein. Da schallt einem der typische Gröl-Gesang des Skate-Punks entgegen, da taucht die Wut von seltsamen Bands wie Papa Roach wieder auf und da wird ganz minimal mit Grooves gearbeitet, die eigentlich aus dem Hip-Hop kommen und die dem Rhythmus der Crossover-Musik der späten Neunzigerjahre dieses dampfwalzenartige Rollen gaben.

„Das Ende der Neunzigerjahre und der Anfang der Nullerjahre war die Zeit, die uns musikalisch am meisten geprägt hat, was man auch in unseren Songs hören kann“, erklären sie. Da waren die beiden Sänger und Gitarristen Jonathan Göres und Florian Endriß zwar noch nicht einmal zehn Jahre alt. Und doch knüpfen sie an Musik wie die von Rise Against an und hoffen, damit gegen die arg gefällige Richtung, die die Popkultur in den vergangenen Jahren genommen hat, anzubollern: „Wir haben das Gefühl, dass die Indie-Hochzeit der vergangenen zehn Jahre langsam abnimmt und die alternative Rockszene wieder wächst.“ Und dass ihre Musik ein gewisses Potenzial birgt, all die Indie-Hörer auf dem Weg in den Hardcore abzuholen, dafür haben sie gesorgt. Denn neben den verzerrten Gitarren und den Gröl-Refrains haben sie in die Harmonik die Zugänglichkeit und Nachvollziehbarkeit der leidenden Gitarren-Helden eingebaut. Es gab eine Band in der Geschichte des Punks, die das ebenfalls sehr gut verbinden konnte: Green Day. Und deren Geschichte zeigt auch die Gefahr, die das in sich trägt: Während das auf der „Dookie“ von 1994 noch sehr gut funktionierte, rutschte die Band in den Schunkel-Kitsch und Familien-Rock des „Boulevard of broken Dreams“ ab. Doch davon sind State Zero noch entfernt.
Sie spielen noch mit genug Schweiß und Dreck. Etwa auf ihrer Debüt-EP „Homecoming“, die sie im vergangenen Juli veröffentlichten. Nun wollen sie eine zweite Single hinterher schieben, bevor sie sich wieder ans Songschreiben für ein Album machen.  

Stil: Alternative Rock / Hardcore

Besetzung: Philipp Bretschneider
(Schlagzeug), Timmy Göres (Bass, Gesang), Jonathan Göres (Gitarre,
Gesang), Florian Endriß (Gitarre, Gesang)

Aus: München

Seit: 2014

Internet: www.statezerox.com 

Rita Argauer

Foto: Jonathan Göres

Band der Woche: The Preset

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Indie mag mittlerweile im Mainstream angekommen sein, aber The Preset aus Schrobenhausen machen trotzdem schönen, unkonventionellen Pop, der ins Ohr geht und zeigt, dass Musik auch neben dem Studium gemacht werden kann.

Indie-Pop ist derzeitig ein wenig beliebig geworden. Eigentlich fast so beliebig wie Singer-Songwriter mit Akustik-Gitarre, die seit eh und je die Bürde tragen, dass sie etwas verdammt Besonderes brauchen, um nur ansatzweise auf sich aufmerksam machen zu können. Und das inflationäre Auftauchen von Indie-Bands, die alle irgendwie ähnlich gut singen können und ähnlich hymnische Songs in Understatement-Haltung verkleiden, hat im vergangenen Jahrzehnt dem Genre geschadet. Da überrascht nichts mehr, wenn eine Band aus dem Umland einer Großstadt schöne Musik schreibt, die dann auch noch schön aufnimmt und wunderbar mehrstimmig darüber singt.
Das ist so normal, dass es eigentlich eine neue Art der Bürgerlichkeit ist – auch weil die Eltern-Generation mittlerweile selbst mit Popkultur aufgewachsen ist und da auch überhaupt kein Gegensatz mehr besteht.

Gerade ist die Shell-Jugendstudie veröffentlicht worden, der Gegensatz der jungen Generation zu den Eltern schrumpft. Man interessiert sich für das gleiche, hört ähnliche Musik und trägt ohne große Rebellionsgesten normale Konflikte aus. The Preset (Foto: Carina Kowatsch) aus Schrobenhausen sind so ein wenig die Muttersöhnchen aktueller Popkultur. Und das ist aber heutzutage kein Strebertum mehr, sondern Zeitgeist. Hörbare Einflüsse, musikalisches Talent als Pop-Version der Hausmusik. Sie spielen einfach schöne Musik, so wie im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts klassische Hausmusik gespielt wurde – am Brahms-Walzer auf dem biedermeierlichen Klavier hat sich die Eltern-Generation auch nicht gestört.

Und The Preset übertragen diese Geste auf Pop, was eben ein wenig wie eine neue Bürgerlichkeit wirkt. Ein vorgezeichneter Weg, der passend zum Bandnamen erscheint: Preset bedeutet Voreinstellung. Und die spielt auch ohne Metapher beim Musikmachen eine gewisse Rolle: Presets in Musikprogrammen sind in das Programm integrierte Soundeinstellungen, die meist ziemlich gut klingen; aber eben auch nicht sonderlich individuell sind. Ein klangliches Abziehbild sozusagen.

The Preset legen also einen Indie-Flirt mit der Bürgerlichkeit hin. Doch das ist in der Popkultur auch irgendwo spannend. Denn im Ursprung hat Pop – egal ob Elvis’ Sex-Appeal oder die psychedelische Haltung der späten Beatles – erst einmal eine antibürgerliche Haltung. Doch die Musiker aus Schrobenhausen eignen sich prächtig als Schwiegersöhne. Sie studieren bürgerliche Fächer wie Elektrotechnik, Maschinenbau, Physik und Geologie. Und machen eben nebenbei Musik.
Und damit stören The Preset die Haltung, die der Popmusik so lange eingeschrieben war. Obwohl unter der glatten Oberfläche des Quartetts etwas Naives und ja auch Nerdhaftes durchblitzt. Das beginnt beim Cover ihrer EP „Supervision“: Ein in Neonfarben starrendes Auge, das ungefähr den gleichen Coolness-Faktor hat wie psychedelische Kifferposter aus dem Wasserpfeifen-Shop.

Und die Musik kann sich auch noch nicht ganz darauf einigen, welchen generationsübergreifenden Weg sie denn nun einschlagen soll. So laufen sie von der schick-elegischen Depression Interpols („Motion“) zu Funk-Bässen à la Bruno Mars („Brainstrøm“). Und doch erklären sie es zum Ziel für die geplante Folge-EP: „Noch mehr rockige Einflüsse reinzubringen und vielleicht auch etwas unkonventionellere Musik zu machen.“ Und die unkonventionelle Version der neuen Bürgerlichkeit – im Sinne von Bands wie Vampire Weekend, die dürfte schon, weil sie so paradox ist, spannend werden. Auch dafür, dass Popmusik entsteht, die nicht immer nur in die Vergangenheit blickt, sondern die Musik aus ihrer Gegenwart heraus formt.  

Stil: Indie / Rock / Pop

Besetzung: Bernhard Birkner (Gitarre,
Gitarre), Moritz Gamperl (Gitarre, Gesang), Christoph Appel (Bass),
Sebastian Mayer (Schlagzeug)

Seit: 2010Aus: Schrobenhausen,

Aus: München, Augsburg

Internet: www.facebook.com/thepresetmusic

Rita Argauer

Foto: Carina Kowatsch

Neuland

Passend zum Digital-Analog-Festival an diesem Wochenende ein weiterer Begriff aus einer fast vergangenen Zeit: Plattenladen. Um den analogen Musikbetrieb zu stärken, gibt es eine Plattenladenwoche. Darcy macht mit.

Darcy, so nennt sich Xavier D’Arcy, der auch bei der Münchner Band The Charles singt, wenn er alleine auf der Bühne steht. Das tut er nun schon seit einiger Zeit, und seit diesem Jahr ist seine erste Solo-EP erhältlich. Darcy ist halb Brite, halb Franzose, seit acht Jahren lebt er in München – und für die Musik hat er sogar sein Studium in England aufgegeben. Nun steht bald die nächste Veröffentlichung an: Seine neue EP – schlicht „Extended Play II“ betitelt – wird der junge Singer-Songwriter exklusiv während der sogenannten Plattenladenwoche veröffentlichen. Dabei handelt es sich um eine Aktion, die sich zum Ziel gesetzt hat, den analogen Musikvertrieb zu stärken. Der Fokus liegt hierbei auf exklusiven Veröffentlichungen namhafter Musiker und vielversprechender Newcomer. Musikalisch entwickelt Darcy auf seiner zweiten CD konsequent seinen bisherigen Stil weiter, der vor allem von seiner charakteristischen Stimme lebt, wovon man sich bereit auf seiner neuen Single „Orleans“ überzeugen konnte. Die Liste der teilnehmenden Läden in ganz Deutschland lässt sich auf der Homepage der Plattenladenwoche einsehen.  Philipp Kreiter