Bunte Bomberjacken

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Das Mode-Label Khala entwirft faire Mode – mit europäischen Schnitten und Stoffen aus Malawi. Weil das Start-up keine Förderung erhält, will Melanie Rödel mit Crowdfunding die Gehälter für ein Jahr sicherstellen.

Irgendwo in Giesing: Zwei Afrikaner trommeln auf ihren Bongos und ihrem Balafon, die Nachbarin beschwert sich über den Zaun hinweg über den Lärm und droht mit der Polizei. Sechs Models laufen barfuß durch die Gänseblümchen und präsentieren dem Publikum, das es sich auf Decken gemütlich gemacht hat, farbenfrohe Bomberjacken, Shorts, Röcke und T-Shirts.

Eineinhalb Jahre zuvor in Südostafrika. Melanie Rödel steht im Herbst 2015 auf einem Markt in Lilongwe, der Hauptstadt von Malawi, und bewundert die Stoffe auf dem Markt, die Farben und die Muster. „Das Erste, was mir aufgefallen ist, war, wie bunt alle Menschen gekleidet sind“, sagt sie. Das erste Mal Afrika – eine Erfahrung, die Melanie seitdem nicht mehr losgelassen hat. Hingeflogen ist sie damals mit dem Ziel, das erste Projekt von Viva con Agua Österreich in Malawi – den Bau sanitärer Anlagen – nach Jahren der Planung selbst in Augenschein zu nehmen. Zurückgeflogen ist sie mit der Idee, nicht nur etwas für die Menschen vor Ort zu tun, sondern gemeinsam mit ihnen. Das Ergebnis ist das deutsch-malawische Modelabel Khala, dessen erste Kollektion Anfang Mai nun erstmals im Garten von Melanies Wohngemeinschaft vorgeführt wurde.

Die Frau mit der angenehm tiefen Stimme hat eigentlich Psychologie und Wirtschaftswissenschaften studiert. Schon während ihres Studiums hat sie jedoch beschlossen, dass sie lieber praktisch mit Menschen arbeiten möchte, als hinter einem Schreibtisch zu sitzen. Durch Zufall wurde sie auf die damals neu gegründete Wasserinitiative Viva con Agua aufmerksam und engagierte sich mehrere Jahre für die gemeinnützige Organisation – bis ihre erste Afrikareise alles veränderte.

„Als weiße Frau aus Europa wird man in Afrika ganz absurd wahrgenommen. Ich bin mir vorgekommen wie ein Popstar“, sagt Melanie. Sie wirkt nachdenklich und streicht sich mit ihren schlanken Fingern die Haare hinters Ohr. Die Dankbarkeit der Menschen in Afrika sei zwar ein schönes Gefühl gewesen, habe für sie aber in keinerlei Verhältnis gestanden. Dieses Gefühl von Hierarchie habe sie damals sehr befremdet, sagt sie heute. So sehr befremdet, dass sie kurze Zeit später kündigte, um ihre eigene Vorstellung von Hilfe zu verwirklichen: Empowerment.

Anfangs wollte Melanie gemeinsam mit einer Kollegin die afrikanischen Chitenje-Stoffe in Deutschland vertreiben – diese Zusammenarbeit verlief sich schnell wieder. Melanies Euphorie tat das jedoch keinen Abbruch. Im Alleingang entwickelte sie die Grundidee schnell weiter und gründete Khala, das sie heute gemeinsam mit Benedikt Habermann und Hubert Mirlach führt. Fragt man nach der Aufgabenverteilung, muss Benedikt, der von allen nur Bene genannt wird, nicht lange überlegen. „Wir sind die Medienheinis, Mel macht den Rest“, sagt er und grinst. So ganz stimmt das aber natürlich nicht, denn bei einem Start-up wie Khala macht am Ende eigentlich jeder alles.

Konkret ist Hubert, kurz Hubi, aber für alles rund um das Thema Technik zuständig und Bene kümmert sich hauptsächlich um die PR-Arbeit. Gäbe es im Freundeskreis aber nicht auch noch zahlreiche Helfer, die sich als Model versuchen oder Beats für das Crowdfunding-Video beisteuern, wäre Khala gar nicht möglich – da ist sich Melanie sicher.

Auf malawischer Seite arbeiten sie mit der Designerin Nellie George-Donga und deren Schneidern zusammen, die die Kollektionen auch vor Ort produzieren. Zudem hat das Münchner Designer-Duo Piekfein Design, bestehend aus Jessica Tarisch und Christine Overbeck, die Schnitte für die erste Kollektion entworfen und soll die Designs in Zukunft mit Nellie gemeinsam erarbeiten. Deren ersten Entwürfe seien zwar schön gewesen, aber leider so ganz und gar nicht europäisch. „So etwas trägt hier kein Mensch“, sagt Melanie und muss erneut schmunzeln. Solche kleinen Schwierigkeiten bringen die sympathische Allrounderin schon lange nicht mehr aus dem Konzept. 

Zahlreiche Anträge auf Förderung hat Melanie im vergangenen Jahr eingereicht, nicht einen Cent hat sie bekommen. „Es ist wirklich tragisch, dass soziale Projekte nicht gefördert werden“, sagt Melanie. Alles, was nicht technologisch sei, habe praktisch keine Chance. Wie viele andere Start-ups hat sie sich deshalb für eine Crowdfunding-Kampagne auf Kickstarter entschieden, die am 23. Mai gestartet ist. Die Funding-Schwelle von 15 000 Euro soll die Gehälter der malawischen Kooperationspartner für ein Jahr sicherstellen und den Kauf neuer Stoffe für die kommende Kollektion ermöglichen. Bis sich die Gründer selbst Geld auszahlen können, wird es wohl noch eine Weile dauern.

Für Mode interessiert sich Melanie schon lange. T-Shirts für fünf Euro bei H&M zu kaufen, die in Ländern wie Bangladesch teils unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt werden, widerstrebte ihr. Heute, als Gründerin eines fairen Modelabels, sieht sie das Ganze differenzierter: Das Problem sei vor allem das fehlende Angebot fairer und zugleich stylischer Mode, sagt sie. Khala, davon ist Melanie überzeugt, vereine diese beiden Aspekte. Dadurch, so hofft sie, könne eine ganz neue Zielgruppe erreicht werden: Menschen, die bislang nicht in faire Mode investiert haben, weil sie zu öko aussah oder zu teuer war. Eine Bomberjacke von Khala für Frauen soll 60 Euro kosten, ein T-Shirt für Männer 30 Euro, und damit soll die Kleidung nicht nur stylisch und fair produziert sein, sondern auch erschwinglich, sagt Melanie. 

Der Standort Malawi hat auch einen Haken: Die Transportwege sind deutlich länger, die Kosten dafür höher als bei einer Produktion in Deutschland oder einem anderen europäischen Land. Zum jetzigen Zeitpunkt werden die Kleidungsstücke noch mit dem Flugzeug verschickt. Sobald sie sich den Transport per Schiff leisten können, will Melanie zumindest auf diese CO₂-freundlichere Variante umsteigen. Da Khala aktuell noch Stoffe zukaufen muss und keine eigene Produktionsstätte vor Ort hat, sind diese bislang auch nicht in Bio-Qualität erhältlich. „Abstriche muss man immer machen“, sagt sie gelassen. 

Ihr Traum bleibt bestehen: Das Start-up will die Wirtschaft vor Ort ankurbeln, indem sie die Industrie zurück ins Land verlagert. Aktuell gebe es nur noch eine Textilfabrik in ganz Malawi, alle anderen Stoffe werden aus China oder Indien importiert, sagt Melanie. Das soll sich mit Khala ändern. „Irgendwann soll das ganze System durch Khala geprägt werden“, sagt Bene. Und auch Deutschland, vielleicht sogar die ganze Welt, sollen durch Khala ein bisschen bunter, ein bisschen besser werden – so zumindest der große Traum.

Text: Jacqueline Lang

Foto: Florian Peljak

Neuland: Killerpilze

Die Killerpilze sprangen einst beim ersten Anlauf direkt in die Charts, dann tourten sie wieder durch kleine Clubs. Nun drehen sie einen Film über ihre außergewöhnliche Bandkarriere.

Sie waren eine von Deutschlands größten Teenie-Bands. Konzerte vor tausenden kreischenden Fans, Auftritte bei Viva und TV Total, Titelgeschichten in der Bravo. Als es beim zweiten Album nicht noch einmal für die Top Ten der Charts reichte, verlor die Musikindustrie das Interesse. Aber die Killerpilze machten einfach weiter, gründeten ihr eigenes Label und touren seither wieder durch die kleinen Clubs der Republik. Sie träumen davon, es noch einmal ganz nach oben zu schaffen, dieses Mal aus eigener Kraft. 

Über ihre außergewöhnliche Biografie machen die jungen Musiker aus München nun einen Dokumentarfilm, den sie 2017 unter dem Titel „Immer noch jung“ veröffentlichen wollen. „Zum fünfzehnjährigen Bandjubiläum hatten wir die Idee, unsere Geschichte, die ja viele auch negativ sehen, aus unserer Sicht zu erzählen“, sagt Schlagzeuger Fabian. Im vielversprechenden Trailer kommen Weggefährten wie Klaas Heufer-Umlauf und Kraftklub-Sänger Felix Brummer zu Wort. Das nötige Geld für die Filmproduktion sammeln die Killerpilze gerade in einer Crowdfunding-Kampagne.   

Text: Christian Endt                                                       

Foto: Simon Lohmeyer

startnext.com/killerpilze-film

Sauber

Vier Jahre lang hielten Laurin Hahn, 22, und sein bester Freund Jona Christians, 23, ihre Idee geheim. Jetzt suchen sie Investoren und Unterstützer für ihr Elektroauto mit integrierten Solarzellen.

Von Jacqueline Lang

Laurin und Jona sind beste Freunde. Seit der ersten Klasse. Mit 14 haben die beiden nach der Schule mehrere Stunden miteinander telefoniert, um sich über Probleme der Welt zu unterhalten, immer öfter auch über Rohstoffe wie Erdöl. Und irgendwann hatten sie eine Idee, die Welt ein Stückchen besser zu machen. Eine Idee, von der bis Anfang August nicht mal ihre Familien wussten: ein Elektroauto mit eingebauten Solarzellen.

Elektroautos sind keine neue Erfindung. Ihr großes Manko war jedoch bislang die geringe Laufzeit. Das soll sich mit den eingebauten Solaranlagen ändern und somit zu einer wirklichen Alternative zu benzinbetriebenen Autos werden. Sion heißt der Prototyp, den Laurin Hahn, 22, und Jona Christians, 23, anfangs noch in Jonas Garage entwickelt haben. Ohne Ausbildung oder Studium, dafür mit Hilfe von Youtube-Tutorials und Internetforen.

Vier Jahre lang wurde heimlich getüftelt. Seit einem Jahr ist aus der hobbymäßigen Fünftagewoche eine Siebentagewoche geworden, sagt Laurin. Er sagt es, als sei das ganz selbstverständlich. Freunde haben immer wieder gefragt, was sie die ganze Zeit machen. Darauf, dass sie ein Auto bauen, kam natürlich niemand. „Wir haben uns abgeschottet, aber das war es uns wert“, sagt Laurin. Bier trinken geht er trotzdem ab und zu mit seinen Freunden, feiern aber schon länger nicht mehr.
 

Die meisten Fragen stellte irgendwann Laurins Mitbewohnerin Navina Pernsteiner, 27. Laurin erzählte ihr deshalb als eine der Ersten von ihrer Geschäftsidee. Die gelernte Kommunikationsdesignerin war sofort begeistert und wurde Teil des Teams. Warum sie ihre Idee überhaupt so lange geheim gehalten haben? „Rausposaunen, was man Tolles macht, kann jeder“, begründet Laurin ihre Entscheidung sachlich.
 

Zu dritt haben sie nun Anfang August eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Die angestrebte Ziel von 150 000 Euro wurde bereits überschritten. Prototypen davon zu finanzieren, ist allerdings nicht möglich. Das Geld ermöglicht es ihnen aber immerhin, in ein größeres Büro umzuziehen und weitere Mitstreiter einzustellen. In erster Linie geht es ihnen jedoch darum, potenzielle Interessenten und mögliche Investoren auf sich aufmerksam zu machen. „Wir suchen jemanden, der sowohl nachhaltig investieren als auch sein Geld vervielfachen will“, sagt Laurin.
 

Der Plan scheint aufzugehen: Über die Plattform indiegogo konnten sie innerhalb kürzester Zeit bereits mehr als 500 Menschen von ihrer Idee begeistern. Die Unterstützer wählen einen Betrag und dürfen ab einer Summe von 50 Euro als Gegenleistung das solarbetriebene Elektroauto Anfang 2017 Probefahren. Danach können sie sich entscheiden, ob sie ein solches Auto haben möchten. Pre-Sale-Strategie nennt sich das: Der Kunde investiert in ein Produkt, das noch gar nicht auf dem Markt ist. 16 000 Euro soll das Elektroauto mit eingebauten Solarzellen kosten, wenn auch zuzüglich der Batterie. Die kostet dann nochmal um die 3000 Euro.
 

Laurin weiß, dass sie nicht viel Zeit haben, um einen geeigneten Investor zu finden und mit dem Bau von mindestens zwei fahrtüchtigen Prototypen zu starten. Dennoch strahlt er eine unglaubliche Gelassenheit aus, als er vor ihrem noch sehr kleinen Büro in der Lindwurmstraße sitzt. Die Räumlichkeiten teilen sie sich bis zum Umzug noch mit Wannda, das Projekt des großen Bruders Daniel. Laurin hat selbst lange bei Wannda mitgeholfen – auch, um sich neben der Arbeit an Sion das Leben zu finanzieren. Lange waren sogar alle drei Hahn-Brüder beteiligt, doch nun hat auch der Jüngste, Julian Hahn, sein eigenes Projekt: das Café „Gans am Wasser“ im Westpark.
 

Laurin ist jedoch der einzige der drei Brüder, der sich nicht im Bereich Gastronomie verwirklichen will. An diesem Sommertag trägt er ein blaues Hemd, darüber einen türkisfarbenen Pullover, seine dunkelbraunen Locken sind leicht verstrubbelt, er trinkt Earl-Grey-Tee und spricht von seinem Traum, die Welt ein bisschen besser zu machen. Blauäugig? Vielleicht. Aber Laurin weiß, was er will.
 

Was er und sein Team definitiv nicht wollen, ist um jeden Preis reich werden. Kosten decken? Ja. Gewinn? Nicht unbedingt. Die Pläne für den Bau des Autos sind deshalb für jeden einsehbar – und damit leicht zu kopieren. Einzelteile können über die Webseite bezogen werden, aber rein theoretisch kann man sie auch mit einem 3-D-Drucker nachdrucken, sagt Laurin. Jeder soll außerdem mit einfachen Mitteln in der Lage sein, das Auto selbst zu reparieren, Video-Tutorials zeigen, wie es geht.
 

Kostensparend an Sion ist vor allem die Strategie, einzelne Teile nicht selbst zu entwickeln, sondern diese von bestehenden Herstellern aufzukaufen. Der Nachteil: Dadurch können sie bislang noch nicht zu 100 Prozent für faire Arbeitsbedingungen garantieren. Langfristig ist aber auch das ihr Ziel, sagt Laurin. Er ist sich ebenfalls der Tatsache bewusst, dass ein Elektroauto nicht die ultimative Lösung ist. Es ist ein Schritt in Richtung nachhaltige Mobilität – ohne Erdöl. „Aber Fahrradfahren ist natürlich immer noch besser“, sagt Laurin.
 Schaut man sich das Crowdfunding-Video von Sono Motors an, bekommt man auch einen Einblick in das Innere des schwarzen Gefährts, dessen Form an ein Überraschungsei erinnert. Optisch unterscheidet es sich kaum von anderen Autos – bis auf ein kleines Detail: Eine dünne Moosschicht verläuft einmal quer durch das Auto. Laut Laurin handelt es sich dabei um Rentiermoos, das nicht nur hübsch anzusehen ist, sondern auch noch Schall absorbiert und Schadstoffe filtert. Und: Es bedarf keinerlei Pflege.
 

Aber: Freundschaft bedarf Pflege. Ist es deshalb nicht manchmal schwieriger, mit dem besten Freund zusammenzuarbeiten? „Es ist perfekt. Es ist total harmonisch, weil man sich so gut kennt“, sagt Laurin. Mit der Professionalisierung und der geplanten Neueinstellung eines Geschäftsführers wird sich für das eingespielte Team einiges ändern. Laurin glaubt aber, dass diese Entwicklung in erster Linie positiv sein wird. Viel konnten sie sich selbst beibringen, aber sie haben immer noch viel zu lernen. Im Großen und Ganzen wird jeder der drei jungen Münchner aber sein Aufgabengebiet beibehalten: Jona IT, Navina Design und Laurin Öffentlichkeitsarbeit und Nachhaltigkeit. Ob das immer so bleiben wird, lässt Laurin aber dahingestellt: „Das ist unser großer Traum, aber ich denke nicht, dass wir mit 50 alle noch das Gleiche machen.“

Foto: Robert Haas

Neuland

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Fotograf Nikolas Fabian Kammerer wird seine Reise mit vier Clowns durch Albanien mit einem „visuellen Tagebuch” dokumentieren. Die Crowdfunding-Kampagne zur Finanzierung des Projektes endet diesen Sonntag.

Der Fotograf Nikolas Fabian Kammerer wird auf seiner Reise mit vier Clowns durch Albanien ein „visuelles Tagebuch“ erstellen, in welchem er „die ganze Reise von vorne bis hinten mit all ihren Facetten dokumentieren“ möchte. Hieraus wird nach der Reise ein Buch entstehen. Er begleitet die Clowns von Juni 2015 bis Januar 2016. Seine Aufgabe: jeden Tag über die Shows und Orte zu bloggen und „mitzuhelfen wo es nur geht“. Die Clowns leisten vor Ort humanitäre Hilfe, indem sie den Menschen ein paar unbeschwerte Stunden in den sonst so schwierigen Zeiten verschaffen. Problemtisch ist jedoch, dass keine finanziellen Mittel zur Verfügung stehen. Deshalb hat er am 24.4.15. eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, die am 24.5.15 endet. „Die läuft ganz gut an, jetzt muss es aber weitergehen!“, sagt Nikolas Fabian Kammerer.

Stephanie Albinger

Foto: Simon Gehrig

Neuland

Es sind schwierige Lebensbedingungen: Stefan Loeber hat für seine Bachelorarbeit Beduinen in Israel begleitet. Nun soll seine Arbeit als Buch erscheinen.

Unbekannten Boden hat vergangenes Jahr Stefan Loeber (Foto: Johannes Gerblinger), 26, betreten: Knapp ein halbes Jahr war Fotostudent Stefan in Israel, um Bilder für seine Abschlussarbeit an der Hochschule München zu machen. Für sein Projekt „Bedouin“ hat Stefan Beduinen durch ihren Alltag in der Wüste begleitet. Die Lebensbedingungen dort sind rau: Viele der Beduinendörfer werden von der israelischen Regierung nicht anerkannt, immer wieder werden die Siedlungen zerstört. Nun soll seine fotografische Arbeit auch als Buch erscheinen. Seit Anfang April sammelt er über die Crowdfunding-Webseite Startnext 2500 Euro, um „Bedouin“ in höherer Auflage produzieren zu können. „Ich habe sehr viel Arbeit in dieses Projekt gesteckt und gemerkt, wie erzählenswert dieses Thema ist“, sagt Stefan – für viele seien die Lebensbedingungen der Beduinen etwas völlig Neues gewesen. „Da gab es viele Fragen und viel Redebedarf.“ 

Das Projekt unterstützen kann man auf: www.startnext.com/bedouin

Carolina Heberling

Neuland

“Tennis” gibt es nur analog – das Fotomagazin von Skater Florian Netzer erscheint bewusst nur im Print. Die Idee: Wer eine Sache in den Händen hält, bringt ihr mehr Wertschätzung entgegen.

Neuland betritt Florian Netzer, 23, (Foto: Simon Reichel) mit der ersten Ausgabe seines selbst verlegten Magazins „Tennis“. Auf 24 Seiten veröffentlicht der junge Skater seine Fotografien, Collagen und Gedanken. Wenn etwas online veröffentlicht wird, dann erhält es wenig Wertschätzung, findet Florian. Mit seiner Kamera durchforstet er die Straßen Münchens. Oft sind es skurrile Momente, die er beobachtet und dokumentiert. Aufgewachsen ist Florian in Pullach. Doch Anschluss hat er dort nie gefunden. Seine Fotos sind ein Versuch, sich den Eigenarten fremder Menschen anzunähern. Mittlerweile sind Hunderte von Bildern entstanden, die er nun mit seinem Magazin der Öffentlichkeit präsentieren will.

„Tennis“ soll in unregelmäßigen Abständen erscheinen. Kostenpunkt: drei Euro. „Studieren will ich nicht, deswegen bringe ich mir alles selbst bei. Grafik, Layout und Typographie“, sagt Florian. Die Einnahmen sammelt der 23-Jährige. Bis er 30 Jahre alt ist, soll das gesparte Geld nicht angerührt werden. Dann soll es genutzt werden, um einen Bildband mit seinen Fotos im Eigenverlag zu veröffentlichen. „Ich nenne es analoges Crowdfunding“, sagt er. Informationen unter: www.tennismagazine.bigcartel.com  Stefanie Witterauf

Neuland

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Einmal vor ganz großem Publikum auftreten? Der Traum des Abaco-Orchesters hat sich erfüllt: Am Wochenende haben die jungen Musiker im Gasteig die 2.Sinfonie von Mahler gespielt.

20 Meter die Schlange vor der Abendkasse, als bereits derdritte Gong zu hören ist. Zehn Minuten der Beifall, als der fünfte und letzteSatz „wild herausfahrend“ endet. Das erste Mal Mahler – ein großer Erfolg. Vor
gut zwei Jahren hatte sich das Abaco-Orchester die 2. Sinfonie Gustav Mahlers
in den Kopf gesetzt. Am Samstag führten die Musiker mit Unterstützung dreier
Münchner Chöre das komplexe Stück im Gasteig auf – der einzige Ort in München,
an dem die gut 400 Musiker genügend Platz haben.

Für viele von ihnen ist es das erste Konzert im Gasteig. „Es
war unbeschreiblich“, sagt Geigerin Imke List, „da gingen alle Gefühle
durcheinander, von glücklich bis aufgeregt.“
Davon lassen sich die jungen Musiker nichts anmerken. Ob Querflötensolo oder das
Zusammenspiel mit den Sängerinnen Tara Erraught und Lydia Teuscher sowie den
Chören, die teilweise auf den Seitenrängen sitzen müssen – das Abaco-Orchester
zeigt eindrucksvoll, was die Proben der vergangenen Monate unter der Leitung
des Dirigenten Joseph Bastian bewirkt haben. Ein Teil der Instrumente steht
hinter der Bühne. So laufen einige Musiker mitten im Stück hinaus, bedienen
draußen das Schlagwerk und rennen in letzter Sekunde wieder an ihren Platz im
Saal (Foto: Sebastian Scheck).

Der Auftritt ist etwas Besonderes, das Konzert ein Ereignis,
dem die Zuschauer pfeifend und klatschend ihre Anerkennung schenken. Sie
standen auf und spendeten mehrere Minuten lang Beifall, es folgten
Gratulationen und Umarmungen im Foyer. „Ich bin echt
beeindruckt und werde mich lange an die besondere Atmosphäre dieses Abends
erinnern“, lobt Tubist Stefan Tischler vom Symphonieorchester des
Bayerischen Rundfunks die Leistung des Orchesters.

Was zwei Jahre lang geplant und doch immer wieder angezweifelt
wurde, ist mit großem Erfolg vor ausverkauftem Publikum realisiert worden. Anna Leibinger, Teil des Crowdfunding-Teams, das monatelang
die benötigen 13.000 Euro Raummiete zusammenbrachte, war vor Beginn der
Veranstaltung noch sichtlich angespannt. Zu späterer Stunde freute sie über den
grandiosen Abend. „Wir wussten ja, dass es besonders werden würde. Aber der Abend
hat alle Erwartungen übertroffen.“ Friederike Krüger

Sponsorensuche für die Schauspielschule

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Susanne Junghans, 22, hat einen Platz an einer Schauspielschule in New York ergattert. Doch für die Ausbildung fehlen 85 000 Dollar. Ihre Crowdfunding-Kampagne ist am Scheitern

Warren Buffet hat es vorgemacht. Wer mit der Investor-Legende zu Mittag essen will, muss sein Bankkonto plündern – und ganze 2,2 Millionen Dollar zahlen. Susanne Junghans verlangt nicht so viel. Die 22-Jährige hat in München Theaterwissenschaften studiert und spart jetzt auf einen Studienplatz am Lee Strasberg Institute: An der Schauspielschule in New Yorkhaben schon Al Pacino, Robert De Niro und Dustin Hoffman ihr Handwerk gelernt. In
einer Crowdfunding-Aktion bittet Susanne nun Sponsoren zur Kasse: Für 10 000
Dollar will sie ihre Gönner zum Mittagessen ausführen. Für 250 Dollar verspricht
sie eine Postkarte. Statt der erhofften 85 000 Dollar hat sie bisher
nur 240 Dollar gesammelt. Heute endet die Kampagne.

Was du in deiner
Crowdfunding-Kampagne versprochen hast, klingt ganz schön arrogant. 250 Dollar für
eine Postkarte, 500 Dollar für einen Chat und 10 000 Dollar für ein
Mittagessen…
Susanne Junghans: Ich kann mir vorstellen, dass manche das als arrogant
empfinden. Aber man muss sich schon fragen: Wie kann man das, was man
verspricht, auch einhalten? Hätte ich ein Mittagessen für 10 Dollar angeboten,
wäre mein Terminkalender fürs nächste Jahr schon ganz voll. Hätte ich einen Muffin
für einen kleinen Betrag angeboten, hätte ich 100 Muffins backen und
verschicken müssen. Das wäre logistisch zu schwierig. Zudem biete ich außer einem Blog und einem Film kein greifbares Produkt
an, das man auf verschiedenste Arten hätte anbieten können. Die Kampagne war
ein Experiment, ein Versuch. 

Für dein Studium in
den USA brauchst du 85 000 Dollar. Deine Kampagne ist davon aber weit entfernt.
Hättest du die Aktion im Nachhinein anders gestaltet?
Man hätte vieles anders machen können. Meine Freunde haben gesagt, das
Video sei nicht fröhlich genug. Aber das war mir zu fake. Warum einen Abklatsch
von all den Videos machen, die es schon gibt? Ich wollte authentisch sein. Und
dass die Kampagne nicht gut gelaufen ist – das hat auch damit zu tun, dass die Deutschen
recht verhalten sind. Ich habe von Anfang an nicht damit gerechnet, dass ich den
Betrag zusammenbringe. Aber: Man muss alles versuchen.
Das ist jetzt etwas, was ich von meiner Liste streichen kann.

Kannst du dir die
Schule wirklich nicht leisten? Du kommst ja nicht aus ärmlichen Verhältnissen.
Nein, aber dass meine Eltern Geld haben, bedeutet nicht, dass ich es ebenfalls
habe! Meine Eltern haben schon früher meine Einladungen zu Bewerbungsgesprächen
im Schauspielbereich so lange versteckt, bis sie abgelaufen waren. Für sie ist
Schauspiel etwas, das man im privaten Rahmen macht. Nicht etwas, das Wohlstand
und gesellschaftlichen Status bringt.
Mein Vater, in der Nachkriegszeit aufgewachsen, hat eben auch viel Armut
erlebt und denkt demnach in anderen Parametern. Aber für mich ist natürlich ein emotionaler Schmerz da. Würden mich
meine Eltern unterstützen, könnte ich das, wovon ich träume, mit Leichtigkeit
machen.

Eine Studentin, die
bisher nur im Studium auf Theaterbühnen gestanden hat, muss sich doch glücklich
schätzen, überhaupt genommen worden zu sein…
Ja, aber macht der Umstand der Mittellosigkeit dieses Glück
nicht zur Illusion? Solange es nicht real wird, bringt es mir nichts. Das ist
das Ironische daran. Dieses Glück ist nicht greifbar.

So viel
Lebenserfahrung mit 22 Jahren?
Es ist sicherlich gerechtfertigt, anzuzweifeln, dass ich Lebenserfahrung
habe. Aber: Das biologische Alter kann für die Erfahrung sprechen, muss es aber
nicht. Natürlich denken die Leute oft: oh, 22 Jahre alt, so ein Küken. Dann ist
es doch angenehmer, zu überraschen als zu enttäuschen, oder? Ich habe die Erfahrung
gemacht: Schlimmer geht es immer – aber es kann auch wieder besser werden. 

Was fasziniert dich
denn am Schauspielern?
Eine Geschichte mit seinem eigenen Körper zu vermitteln. Das ist für mich
wahnsinnig erfüllend – mit Rollen zu arbeiten, die schwer zu fassen sind. Im
Film „Monster“ hat Charlize Theron etwa eine Serienmörderin gespielt. Die für
das Publikum sympathisch zu machen – das zu verstehen – das finde ich
wahnsinnig interessant.

Der letzte
Hoffnungsschimmer sei die Kampagne, hast du auf deinem Blog geschrieben. Wie
soll es jetzt weitergehen?  

Ich könnte Lotto spielen. Ich könnte Autos klauen. Juwelierläden ausrauben,
Drogen verticken, Zuhälter werden. Zuallerletzt würde ich meine Eltern fragen.
Das ist die letzte realistische Möglichkeit. Wenn das nicht klappt, dann war es
das mit New York.

Willst
du nicht versuchen, hier Schauspielerin zu werden?

In Deutschland ist es schwierig, als Schauspieler Fuß
zu fassen. Mein Plan B wäre, nach England zu gehen und auf mein Talent zu
vertrauen, auf Castings zu gehen. Ich würde sehr gerne international arbeiten. Zurückkommen kann ich
immer. 

Elsbeth Föger

Das erste Mal

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Musizieren geht über Studieren: Nach mehr als zwei Jahren Vorbereitung wird ein Laien-Orchester in der Philharmonie spielen – finanziert haben die Studierenden den Auftritt per Crowdfunding

Für viele Musiker des Abaco-Orchesters ist es das erste Mal:
das erste Mal Philharmonie, das erste Mal 2400 Zuschauer, das erste Mal Gustav
Mahler. Am 28. Februar spielt das Münchner Abaco-Orchester (Foto: Johannes List/Fritzzfilm) die 2. Sinfonie von
Gustav Mahler, ein extrem groß besetztes symphonisches Werk mit einem Orchester
auf der Bühne und einem weiteren Fernorchester hinter der Bühne, mehreren
Chören und einer etwa eineinhalbstündigen Performance.

Das Orchester besteht hauptsächlich aus Studierenden. Insgesamt
400 Musiker werden für die Realisierung gebraucht. Alles in allem sind es drei
Münchner Chöre, die das Orchester unterstützen, 250 Sängerinnen und Sänger. Die
bekannte Tara Erraught übernimmt die Mezzosopranstimme, Star-Dirigent Marriss
Jansons die Schirmherrschaft der Veranstaltung.

Mit der 2. Sinfonie von Mahler hat sich das Orchester Großes
vorgenommen – vor allem, weil sie eine enorm große Vielfalt an Details
beinhaltet: technische Schwierigkeiten für alle Gruppen, sehr viele dynamische
Feinheiten, das Begleiten des Chores und der Solistinnen und die Koordination
mit der räumlich getrennten Bühnenmusik (Hörner, Trompeten und Schlagzeug
hinter der Bühne) und der großen Orgel. Erst in der Generalprobe am Tag der
Aufführung können die Musiker den Klang des Saals wirklich erleben. Zuvor
müssen sie sich ganz allein auf die Erfahrung ihres Dirigenten verlassen. Am
wichtigsten sei es, zu wissen, was die anderen spielen und noch aktiver
zuzuhören.

Wer im Orchester spielen will, muss das Vorspielen bestehen
– und damit rechnen, eher einzuzahlen, als Geld zu verdienen. „Wir machen das
alle freiwillig, weil uns etwas an der Musik gelegen ist“, da sind sich Miriam
Schulz, 22, Violine, und Anna Leibinger, 29, ebenfalls Violine, einig. Das
semesterliche Probenwochenende im Außenraum Münchens ist ihnen eine
Aufwandsentschädigung wert. Wollen sie gemeinsam besser werden, sei ein
intensives Proben notwendig. Die sonstigen zweieinhalb Stunden pro Woche sind
zwar obligatorisch, oft bleiben kleine Verbesserungen aber auf der Strecke.
Gerade am Orchesterwochenende wurde auf jeden Musiker eingegangen und jeder Ton
abgestimmt.

Drei Mal im Semester wird das Abaco-Orchester darüber hinaus
von Professoren oder Dozenten des Bayerischen Rundfunks und des
Staatsorchesters unterrichtet. „Die Konzentration und Motivation ist in diesen
Stunden immer besonders hoch“, erzählt Miriam. Doch so hoch wie momentan ist
sie sonst nicht. „Das Orchester ist extrem motiviert! Das hat man schon bei der 1. Probe gemerkt. Sie sind besser vorbereitet als üblich und die Motivation und
Spielfreude merkt man bei jedem Ton, den sie spielen“, sagt Dirigent Joseph
Bastian. Im Hinblick auf den Auftritt am 28. Februar mache sich eine neue,
bisher unbekannte Anspannung und Vorfreude unter den Musikern breit.

Seit ein Tubist der Gruppe bei einem Feierabendbier vor zwei
Jahren den Wunsch aussprach, einmal in seinem Leben Gustav Mahler vor Publikum
zu spielen, ist das Abaco-Orchester in ständiger Planung. Was zuerst völlig
unmöglich erscheint, wird innerhalb der  nächsten
Wochen abgewogen. Dabei beschäftigte die Organisatoren vor allem: Wo kriegen
wir die fehlenden Musiker und den Chor her? Wo können wir auftreten mit gut 400
Akteuren? Normalerweise spielen die 80 bis 100 Musiker in kleineren Räume. Im
Herkules-Saal oder in der Großen Aula der LMU fallen nur Reinigungskosten an.
Doch hier kann Mahler nicht aufgeführt werden.

Zweifel bleiben. Trotzdem mietet das Orchester die
Philharmonie im Gasteig an. Sie erhalten einen Termin mit eineinhalb Jahren
Vorlaufzeit. Genug Vorlauf, um die 13 000 Euro Raummiete aufzutreiben. Anna
Leibiger startet mit dem Fundraising-Team eine Crowdfunding-Aktion. Bis zum 9.
Januar dieses Jahres schaffen sie und ihre Mitspieler es, die erhoffte Grenze
zu knacken. Mehr als 100 Spender tragen die Summe zusammen. Das Konzert ist
sicher. „Wäre das Geld nicht zusammen gekommen, hätten wir trotzdem auftreten
müssen und die nachfolgenden Semester damit verbracht, die finanzielle Lücke zu
schließen“, sagt Anna. Besondere Auftritte wären dieses Jahr sonst nicht mehr
möglich gewesen. Das sonst unter Höchstkonzentration stehende Orchester atmet
auf.

Friederike Krüger

Neuland

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Die Musikerin Le-Thanh möchte schon lange ihre Songs aufnehmen. Dank Crowdfunding ist sie zurzeit in einem Studio in Berlin und arbeitet mit Unterstützung anderer Musik an ihrem ersten Album.

Dass das wirklich klappen könnte, hätte Le-Thanh (Foto:Christopher Aoun) nicht erwartet. Eigentlich stand sie dem Konzept des Crowdfundings immer etwas skeptisch gegenüber. Gut, dass sie es dennoch versucht hat – denn dank dem „unterstützenden Tausch“, wie die Musikerin es nennt, ist die 27-Jährige jetzt im Studio und nimmt ihr Debüt-Album auf.

Groß war die Summe, die die gebürtige Münchnerin brauchte, nicht. Um die anderen Musiker und den Tontechniker zu bezahlen, waren nur noch 2000 Euro notwendig. Das Tonstudio wird ihr durch ein Förderprojekt des Berliner Senats für zehn Tage zur Verfügung gestellt. Viele Helfer aus der „Crowd“ kennt Le-Thanh nicht persönlich: „Ich bin total überwältigt davon, dass auch so viele etwas beigetragen haben, die ich nicht kenne, aber die meine Musik mögen und irgendwie auf mich gestoßen sind.“

Crowdfunding sei momentan die beste Möglichkeit, Projekte zu finanzieren, findet Le-Thanh, da so die Freiheit der Kunstschaffenden erhalten wird<NM>. Ob sie das selbst noch einmal machen möchte, weiß sie noch nicht: „Dazu habe ich zu schwache Nerven, glaube ich.“ Album und Tour folgen 2015. Gabriella Silvestri