So Not Seventy (Westcoast-Punk / Pop-Punk)

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Jahr: 2014, Woche: 36

Die Musik von So Not Seventy wirkt nicht, als wolle sie ein deutsches Indie-Publikum bedienen, das längst Mainstream geworden ist. Harte Gitarren und ein bretterndes Schlagzeug treffen auf melodiöse Gesänge, die wiederum mit einem kurz aufblitzenden Metal-Riff gewürzt werden. US-Westküstenpunk der Neunzigerjahre, eng an Sonnenschein, Skateboard-Kultur, Wohlstand und die gleichzeitige Rebellion gegen diese äußerlichen Voraussetzungen, die ein so einfaches Leben verheißen.

In Deutschland sind private Swimmingpools im eigenen Garten eher selten. Und Bier wird in Bayern in der Regel aus Flaschen und nicht aus roten Plastikbechern getrunken. Es wirkt also durchaus etwas fremd, wenn die Jungs von So Not Seventy (Foto: Florian Podszus) in Shorts vor so einem Pool posieren oder in einem Videoclip eine destruktive Hausparty steigen lassen: die rebellischen Rich Kids, die mit Punkrock gegen Elternhaus und Establishment donnern. Die Geschichte, die das junge Quartett auch in seinem ersten Videoclip zur Single „Another Five Days of California“ erzählt, ist ein klassischer High-School-Plot: die Angepassten gegen die Outsider und eine Sturmfrei-Party mit lauter Musik, Alkohol und eskalierenden Teenagern. Doch die Akribie, mit der die Münchner Band von dieser eigentlich fremden Welt erzählt, hat einen theatralen Charakter, der fasziniert und sich nicht nur in ihren Fotos und Videos zeigt.

Die Musik wirkt ebenfalls nicht, als wolle sie ein deutsches Indie-Publikum bedienen, das längst Mainstream geworden ist. Harte Gitarren und ein bretterndes Schlagzeug treffen auf melodiöse Gesänge, die wiederum mit einem kurz aufblitzenden Metal-Riff gewürzt werden. In guten Momenten hat das die Kraft zwischen Pop und Punk, die die Veröffentlichungen von Fat-Wreck-Records hatten. In weniger Guten trägt die Musik das prollige Erbe von The Offspring in sich. Doch im Ganzen ist das der US-Westküstenpunk der Neunzigerjahre, der so eng an Sonnenschein, Skateboard-Kultur, Wohlstand und die gleichzeitige Rebellion gegen diese äußerlichen Voraussetzungen, die ein so einfaches Leben verheißen, gekoppelt ist.

Doch die Band um Sänger Tommy Eberhart lebt nun mal nicht in Los Angeles, sondern in der bayerischen Landeshauptstadt – und da gibt es weder so viele Pools, noch so viele Sonnenstunden, ganz abgesehen von pazifischen Wellen zum Surfen. Doch genau dieser Bruch macht die Band, die gerade ihr erstes Album „Every Goddamn Sunday“ fertiggestellt hat, interessant. Nachdem die Achtzigerjahre nun in all ihren Facetten künstlerisch wiederbelebt wie abgegrast wurden, erscheint es logisch, dass nun das nächste Jahrzehnt an der Reihe ist. Und So Not Seventy inszenieren sich derart konsequent in der kalifornischen Skate- und Punkszene der Neunzigerjahre, dass den Hörern dieses Lebensgefühl ähnlich überzeugend verkauft wird wie in einem Kinofilm. Am Freitag, 5. September, präsentiert die Band ihr Album in der Kranhalle des Münchner Feierwerks (Hansastraße 39).
Rita Argauer
 
Stil: Westcoast-Punk / Pop-Punk
Besetzung: Tommy Eberhart (Gitarre, Gesang), Matej Bellus (Gitarre), Julius Fröhlich (Bass), Henning Busch (Schlagzeug)
Aus: München
Seit: 2011
Internet: www.facebook.com/sonotseventy

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Rita Argauer ist die Musik-Expertin der Junge-Leute-Seite. Sie ist nicht nur ständig auf der Suche nach neuen Münchner Bands und deswegen in den Clubs dieser Stadt unterwegs. Sie kennt die Szene auch von der anderen Seite: Sie singt und spielt Keyboard in der Band Candelilla.