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München hat Hausarrest: Zuhause und unterwegs mit Moritz

München darf langsam wieder raus, doch normal ist das Leben noch lange nicht. Wir führen unsere Rubrik “München hat Hausarrest” weiter – gerade teils zuhause, teils unterwegs mit Tests, Masken und Abstand. Denn zusammen ist man weniger allein. ❤ Unsere Autor Moritz genießt den richtigen Mix aus Online und  Live-Veranstaltungen, die München bietet.

München hat sich verändert, seit ich das letzte Mal mein Zimmer verlassen habe. Beim letzten Mal gab es gerade mal ein paar erste Sommersonnenstrahlen, die Corona-Zahlen sanken und die Impfzahlen stiegen – beides noch relativ langsam. Man traute sich schon raus, traf sich sogar mit mehreren Freunden auf einmal, aber es war noch nicht wirklich viel geboten. Dann kam eine Woche durchgehend Regen und anschließend saß ich hauptsächlich im Oh-Gott-es-sind-nur-noch-drei-Wochen-bis-zum-Abgabetermin-von-meiner-Bachelorarbeit-das-waren-doch-gerade-noch-acht-Wochen-ich-hab-noch-nichts-gemacht-wie-soll-ich-das-bloß-alles-schaffen-Modus vor meinem Schreibtisch. Doch auch diese Zeit ist seit Kurzem vorbei und es ist höchste Zeit, dass ich mein Zimmer mal wieder verlasse. Vor allem, da aufgrund gesunkener Corona-Zahlen und gestiegener Impfzahlen in München mittlerweile echt viel los ist. Das muss ausgenutzt werden!

Am Freitag gehe ich zu einer Veranstaltungsart, von der ich fast schon vergessen hatte, dass sie existiert: Ein Sommerfest! Nachdem letztes Jahr reihenweise alle ausgefallen sind, sprießen jetzt auf einmal wieder einige aus dem Boden. Mein erstes Sommerfest seit knapp zwei Jahren gehört der studentischen Philosophiezeitschrift „Die Funzel“. Traditionell feiert die Funzel mit einer philosophischen Soiree im Garten des Schlosses Suresnes nahe der Münchner Freiheit, so auch dieses Jahr. Es gibt ein kurzes philosophisches Programm, viel Essen, Live-Musik und Kunst, und vielleicht sogar auch eine Hüpfburg.

Zu Beginn des Wochenendes fällt mir dann allerdings auf, dass zwar mittlerweile viel los ist in München, aber doch auch bei Weitem noch nicht alles normal. Insbesondere das Nachtleben ist noch ganz schön still und findet meistens nur draußen statt, denn die Clubs sind immer noch zu. Als Ersatz besuche ich deswegen am Samstag die Ausstellung „Nachts. Clubkultur in München“ des Münchner Stadtmuseums. Die Ausstellung beleuchtet die Münchner Clubkultur aus acht Jahrzehnten und zeigt diesen Bestandteil der Stadt in seiner ganzen Bandbreite. Nostalgisch und ein wenig wehmütig verlasse ich das Stadtmuseum wieder.

Weil ich meine Nostalgie und Wehmut am Samstag draußen unter freiem Himmel dann doch noch mit etwas Alkohol ertränkt habe, braucht es am Sonntag ein gutes Katerfrühstück. Das lässt sich immer gut beim Jazz-Frühstück auf der Alten Utting mit wunderschönem Blick bis auf die Alpen verbringen, während beschwingt im Hintergrund das „Raffael Müller Trio“ spielt. Außerdem ist dieses Jazz-Frühstück auch ein besonderes Frühstück, denn es ist das letzte auf einer zwei Jahre jungen Alten Utting. Ab Montag ist das Schiff über München nämlich drei Jahre jung.

Bei der Geburtstagsfeier kann ich allerdings nicht dabei sein, denn am Montag bin ich schon im Popup Sommerkino in der Hochschule für Fernsehen und Film. Gleich sieben Münchner Filmfestivals zeigen hier noch bis Mitte August ausgewählte Filme. Heute werden acht Kurzfilme aus dem Programm von KINO ASYL und dem Jugendfilmfestival flimmern&rauschen im Innenhof der HFF München präsentiert. Endlich mal wieder Open-Air-Kino und dann auch noch so viele Filme auf einmal, viel besser kann es nicht laufen.

Weil ich am Dienstag aber dann auch noch wirklich das Festival-Feeling haben will, schaue ich am Nachmittag beim Tollwood im Olympiapark vorbei. Auch hier ist – natürlich nur mit Corona-Test und Maske – einiges geboten. Eigentlich wollte ich nur kurz drüber schlendern, aber dann war die eine Performance doch zu lustig und sah das Essen von dem anderen Stand doch viel zu lecker aus, weswegen ich doch wieder bis in die Abendstunden bleibe und das Sommerfeeling genieße.

Am Mittwoch wird’s zwar nicht ganz so entspannt, aber dafür umso spannender und lehrreicher. Denn in der PLATFORM München ist seit einer Woche die Ausstellung „Art 5 – Kunst und Demokratie“ des gemeinnützigen Vereins Art5 e.V. zu sehen. Fünf Künstler*innen aus Südkorea, Japan und Deutschland beleuchten mit ihren Werken die Möglichkeiten demokratischer Prozesse, die sich durch die Kunstfreiheit ergeben, sowie die Zusammenhänge zwischen ästhetischen Praktiken und politischem Handeln. Heute findet zusätzlich eine Podiumsdiskussion über die Friedensstatuen, die an die über 200.000 Mädchen und Frauen erinnern, denen das japanische Militär während des Asien-Pazifik-Krieges sexuelle Gewalt zugefügt hat, und über die Rolle der Kunst für eine angemessene Erinnerungspolitik statt. Das Thema sorgt bis heute für diplomatische Spannungen zwischen Japan und Südkorea, die Diskussion bietet sicherlich viel Stoff zum Nachdenken.

Für einen angemessenen Ausgleich stürze ich mich am Donnerstag ohne viel Nachdenken einfach in den „Sommer in der Stadt“, der auch dieses Jahr den coronabedingten Ausfall hunderter Volksfeste für die Schausteller irgendwie erträglich machen soll. Letzte Woche ist schon das Kulturprogramm mit einer großen Veranstaltung im Olympiastadion gestartet, ab heute sind endlich auch alle Fahrgeschäfte in Betrieb. Falls ihr euch schon immer gefragt habt, ob Riesenradfahren am Königsplatz oder doch eher im Olympiapark mehr Spaß machen würde, habt ihr in den nächsten Wochen die Möglichkeit für den direkten Vergleich.

Ausklingen lasse ich die vollgestopfte Woche am Freitag in der Glockenbachwerkstatt. Da gibt’s heute wieder die Peacecamp Hip Hop Jam, bei der sowohl alteingesessene als auch neue Münchner MCs live auf der Bühne stehen. Während ich bei einem kühlen Getränk die Musik genieße, kommt dann aber das zweite Mal diese Woche etwas Wehmut in mir auf. Der Abend ist schön, aber ich sitze hier nur alleine und die Zeit, als unsere ganze Redaktion zusammen bei einem Bier in der Glocke und nicht nur über Zoom konferiert hat, scheint sehr weit weg. München hat sich die letzten Wochen verändert und ist wieder etwas zur Normalität zurückgekehrt. Aber bis wirklich alles wieder normal wird, fehlt auch noch ein gutes Stück.

Von Moritz Richter