München hat Hausarrest: Zuhause mit Viktoria

Wir wollen euch die Zeit zu Hause ein bisschen schöner machen. Unsere Rubrik “Von Freitag bis Freitag München” heißt deswegen jetzt “München hat Hausarrest”. Denn, zusammen ist man weniger allein 

Mir geht es gut in dieser Zeit. Blendend sogar. Das so offen heraus zu sagen und auf einer Plattform zu teilen, bereitet mir Unbehagen. Die Angst, nicht empathisch genug, überheblich oder egozentrisch zu wirken, macht sich in mir breit. Allein, dass ich mich gerade überwinden muss, das hier zu schreiben, zeigt mir, wie tabuisiert die Thematik ist. In einer Zeit, in der die Welt on hold ist und jeder in kollektivem Mitleid still hält und Buße tut – Solidarität ist hier das Stichwort – ist es gesellschaftlich nicht akzeptiert, gerade eben nicht Trübsal zu blasen. Sondern einfach mal ganz offen und ehrlich zu sagen: Mir geht es echt gut! 

Dass das ein unglaubliches Privileg ist und fast schon an Zynismus grenzt, sich in dieser Zeit wohlzufühlen und lachend durchs Leben zu laufen, dessen bin ich mir bewusst. Der Ursprung dessen, dass es mir so gut geht, liegt natürlich in der glücklichen Mischung aus guten äußeren Umständen – ich habe das Glück, gesund zu sein, arbeiten zu können, bei meiner Familie zu leben und zwischen Stadt und Land pendeln zu können – aber auch an den vielen Dingen, die ich während der Ausgangssperre so machen kann und die mir echt verdammt gute Laune bereiten:

Ein großer Aspekt, der in meine positive Stimmung mit hineinspielt, ist, dass ich Zeit habe, so wie viele Andere auch. Zeit für die Dinge, die ich mir vornehme, zu denen ich aber sonst nie komme: Ein Tag hat am Ende leider nur 24 Stunden. Das in meiner Planung zu beachten, fällt mir meist ziemlich schwer. Die Stunden, die mir im Wachzustand bleiben, fülle ich normalerweise mit Arbeit und Uni – und abends renne ich dann noch vom Bierchen mit Freunden zur nächsten Galerie-Eröffnung oder gehe Tanzen. Aber da das jetzt alles wegfällt, habe ich Zeit und sogar einen Bonus: Es gibt keinen sozialen Druck. Möchte man zumindest meinen. Unsere Gesellschaft schafft es aber sogar in so einer Zeit, den sozialen Druck aufrecht zu erhalten, durch sogenannte Video-Chat-Partys. Das Konzept kann ich absolut nicht nachvollziehen: Wozu muss ich in die Scheibe meines Smartphones glotzen, nur um die unbefriedigend unmenschlich anmutende Pixelsilhouette meiner Freunde sehen zu dürfen? Kann ich tatsächlich wärmstens darauf verzichten.

Ich warte lieber auf die Zeit, in der ich wieder richtige Partys feiern und in der ich wieder echte, unverpixelte Menschen sehen kann. Vorfreude ist eh die schönste Freude. Für alle, die trotzdem jetzt schon Bock auf Partys und Konzerte haben, gibt es den Wastl Stream, Radio 80000 und United We Stream auf egoFM.

Bis ich in der Realität wieder im Club stehen kann, widme ich mich lieber einer neu entdeckten Lieblingsaktivität: Man muss wissen, ich liebe das Essen und bin auch relativ gut im Viel-Essen. Im Kochen bin ich dagegen gelinde ausgedrückt eher mediocre, was die Performance angeht. Damit hatte ich bisher auch nie ein Problem. Nur kam mir letztens im Park der Gedanke, als ich in meine Curry-to-go-Box gestarrt habe, wie viel günstiger es wäre, das einfach selbst zu machen. Und nebenbei sogar noch Selbsterfüllung zu finden. Mein neuer Plan: ein Kochbuch durchkochen, jeden Tag eine Sache. Oder zumindest jeden zweiten. 

Kurz darauf bin ich in den Online-Buchladen meines Vertrauens gestolpert und habe mir das Kochbuch einer israelisch-englischen Kochkoryphäe mit Namen Yotam Ottolenghi gekauft und noch dazu – angetrieben von meiner überproportional großen Liebe zur Kartoffel – das Caspar Plautz Kochbuch bestellt. Und nun koche und backe ich sehr viel, zur Freude meiner Familie.

Mit meiner neu entdeckten Leidenschaft geht eine zweite einher, die ich schon länger habe, bisher aber noch nicht exzessiv ausleben konnte: Das Ein – und Umtopfen von Pflanzen. Da mein Israelisch-englischer Kochbegleiter die verrücktesten Kräuter und Gewürze als Grundlage für die meisten seiner Rezepte verwendet, habe ich mir ein eigenes, kleines Kräutergärtchen auf meinem Balkon angelegt. Und im Zuge dessen auch gleich mein Zimmer in einen Dschungel verwandelt, weil grün beruhigt, wie man so schön sagt. Auf YouTube findet man dazu übrigens die skurrilsten, aber auch hilfreichsten Anleitungen, wie die grünen Freunde auch lange Freunde bleiben. 

Wohlfühloase Schlafzimmer hin oder her: Eine Sache gibt es, die ich gerade unglaublich vermisse, und das ist das Tanzen. Dass es das jetzt natürlich auch online gibt, habe ich mir fast gedacht. Ich war aber, wie oben angedeutet nicht allzu überzeugt vom Bildschirmkonzept –  bis mir eine Freundin aus Jerusalem vor kurzem einen kuriosen Link geschickt hat. Eine Einladung zu einem Zoom Gaga Tanzkurs. 300 Menschen, die gemeinsam tanzen, von überall auf der Welt. Und obwohl es genau das ist, was ich zur Zeit brauche und es wirklich Spaß macht, freue ich mich jetzt schon unglaublich auf die wiederkehrende Erfahrung im echten Leben. 

Denn, es wird sie geben, eine Zeit nach Corona. Wenn es soweit ist, wird mein Leben genauso weitergehen wie jetzt. Weil ich glücklich bin. Ich bin mit äußeren Umständen gesegnet, die es mir ermöglichen, mein inneres Wohlbefinden in meiner Hand liegen zu lassen. Wodurch ich auch meine äußeren Umstände verbessere. Nachvollziehbar? An sich auch egal: Mir geht es gut. Und ich will es sagen können. Egal, ob vor oder nach Corona.