Foto: Daniela Wiedemann

München hat Hausarrest: Zuhause mit Laura

Wir wollen euch die Zeit zu Hause ein bisschen schöner machen. Unsere Rubrik “Von Freitag bis Freitag München” heißt deswegen jetzt “München hat Hausarrest”. Denn, zusammen ist man weniger allein 

Die Musik ganz laut drehen, um die Gedanken leiser werden zu lassen. Schon als Jugendliche habe ich das immer so gemacht. Jetzt mit Mitte Zwanzig fühle ich mich wieder ein bisschen wie dieses 14-jährige bockige Mädchen, das ich damals war, denn mir fehlt meine Freiheit. Für 2020 hatte ich viel geplant. Mit meiner Schwester wollte ich im VW Bus durch Europa reisen, auf einen unvergesslichen Sommer mit vielen Festivals hatte ich mich gefreut und im Herbst wollte ich mich dann vom Studentenleben verabschieden und so richtig durchstarten. Jetzt muss ich meine Pläne ändern und das fällt mir schwerer als gedacht. Am Anfang meiner Corona Quarantäne war ich noch hoch motiviert, das Beste aus dem Hausarrest zu machen, heute ist aber so ein Tag, an dem ich mich meiner Trauer um den Sommer aus tiefstem Herzen hingebe.

Ich trauere um die vielen Konzerte. Ein Act, auf den ich mich in diesem Festivalsommer
besonders gefreut hatte, sind Roy Bianco & die Abbrunzati Boys. Laut mitsingend vor der Bühne, mit meinen Freunden in den Armen – so hatte ich mir das eigentlich vorgestellt. Jetzt dreht sich ihr neues Album auf meinem Plattenspieler und ich beschalle die ganze Nachbarschaft damit. Noch mehr Italien-Feeling gibt mir die bandeigene Show „Dolce Vita TV“. Im Youtube Stream verraten die Musiker ihre Zocker-Geheimtipps bei Fifa oder das Rezept für die beste Carbonara aller Zeiten. Da ich kein Fleisch esse, ist das nicht ganz das Richtige für mich, Pasta gibt es heute trotzdem. Meine Mitbewohner und ich kochen seit der Quarantäne mehr, besser gesagt hat uns diese Situation dazu gebracht, überhaupt damit anzufangen. Nach so einem gemeinsamen WG-Essen geht es mir schon wieder besser.

Ich trauere um Demonstrationen. Besonders das Gefühl, mit vielen Menschen gemeinsam für etwas zu kämpfen, gefällt mir daran. Auch wenn dieses Gefühl jetzt etwas fehlt, ist demonstrieren trotz Kontaktbeschränkungen möglich. Zum Beispiel am 8. Mai mit den VIELEN. Hier setzen sich verschiedene Münchner Kulturinstitutionen mit ihrer eigenen Vergangenheit während der NS-Zeit auseinander. Zusammen mit den Münchner Kammerspielen rufen sie zum digitalen Spaziergang gegen das Vergessen auf und ich mache mich mit auf den Weg. Aktiv zu werden tut gut, auch wenn es nur virtuell ist.

Ich trauere um Bars und Kneipen. Auszugehen genieße ich sehr, deshalb freue ich mich umso mehr, dass meine liebste Bar, die eigentlich gleich bei mir um die Ecke ist, jetzt wieder aufsperrt. Das Cucurucu öffnet virtuell seine Türen und ich trete von meinem Balkon aus ein. Ich muss nicht Mal allein am Tresen sitzen, mein Mitbewohner begleitet mich zu meinem Homeoffice Feierabend Getränk. Wir stoßen mit selbstgemixten Drinks an und im Hintergrund sorgen die DJs von Radio 80000 für den passenden Sound. Mir ist fast so, als wäre ich wirklich dort. Während ich mich meiner Trauer hingebe wird mit klar, dass all das eigentlich gar nicht so traurig ist, sondern meine Zeit daheim sogar ziemlich schön macht. Klar: Vor dem Bildschirm zu sitzen, ist nicht das Gleiche, wie in eine Bar, zur Demo oder auf ein Konzert zu gehen, aber es tröstet mich etwas über den Sommer hinweg, der sich jetzt schon verpasst anfühlt. Es geht mir wie damals als Teenager nach einem Gefühlsausbruch mit lauter Musik: Ich sehe alles wieder klarer und bin glücklich.

Von Laura Wiedemann